.a‘o- . --.. , .,.. .V- ‘o—‘W’-V _. -' C”: v ‘ DER GEB‘RAUCH vou IRREALEM um: IRRATIONALEM m H'c'msmst. UNTER BESONDERER'BE‘RUCKSICHTIGUNG ‘ DER kusplEL‘E VON Gflursa Eta-I Thesis for tho Dogroo of M. A. MKHEGAN STATE UMWERSWY Gretl Mayer. 1963 THESIS LIBRARY Michigan State University DER GEBRAUCH VON IRREALEM UND IRRATIONALBM IM HORSPIEL UNTER BESONDERER BERUCKSICHTIGUNG DER HURSPIELE VON GUNTER EICH By A7 )1: 6 ‘1. ("m L Gretl‘Mayer A THESIS Submitted to Michigan State University in partial fulfillment of the requirements for the degree of MASTER OF ARTS Department of Foreign Languages 1953 g 2Q? /’+ s/fl/ZN/ An dieser Stelle soll Herrn Dr. George Radimersky besonde- rer Dank ausgesprochen werden, unter dessen Leitung diese Ar- beit geschrieben wurde und der 1hr Zeit, Aufmerksamkeit und Geduld gewidmet und unentbehrliche Hilfe fflr ihr Zustande- kommen geleistet hat. Ferner soll den Mitgliedern des Komi- tees, Herrn Dr. Stanley Townsend und Herrn Dr. Mark Kistler, und auch Herrn Dr. Stuart Gallacher gedankt werden, die durch Ermunterung und wertvolle Hinweise dieee Arbeit fdrderten. Auch Herr Lehnert, der Leiter von Studio Nfirnberg, und Ange- hdrige und Freunde in Deutschland, die bei der Materialbe- schaffung behilflich waren, sollen in diesen Dank einge- schlossen werden. 11 E. INHALTSANGABE EINLEITUNG 0......0.00....OOOOOOOOOOOOOOOOOOOO00..., DIE GEGEBENHEITEN DES HORSPIELS OOOOOOOOOCOOOOOOOOOO. I. II. III. IV. Die dem HBrSpiel zur Verfflgung stehenden Mittel COCOOOOOOCOOOOOCOOOOOOO00.00....0.0... Die Situation des Hdrers .................... Die Stellung des Hdrspiels in der Literatur . Eigenschaften des Harspiela ................. IRREALES IM HORSPIEL .OOOOOOOOOOOOOO00.000.000.000... I. II. III. IV. "Irreal" im Sprachgebrauoh und in der Anwen- dung auf das Harspiel .0..................... Die irrealen Medien des Hdrspiels ........... Brecht - Borehert - Eich ooooooooooooooOooooo Irreales in HBrSpielen von Gfinter Eich ...... IRRATIONALES IM HORSPIEL ............................ I. II. III. Definition des Irrationalen ................. Anwendung von Irrationalem in geschichtlicher Sicht I...OOOOOIOOOOOOOO0.0IOOOOOOOOOOOOOOOOO Irrationales in HBrspielen von Gflnter Eich .. ZUSWENFASSUNG 0.00.00.00.00.00000000000000000000... LITERATURVERZEICHNIS ooooooooooo00.000000000000000... 111 4 12 16 26 32 32 35 41 47 58 58 62 76 104 107 A. EINLEITUNG Die Lektfire von HBrSpieltexten, zu der Herr Professor George W. Radimersky anregte, ffihrte zu der Beobachtung, dass eine ganze Reihe von HBrspielen irreale und irrationale Ele- mente in auffafiéndem Masse beinhaltet. Bei eingehenderer Be- trachtung stellt sich heraus, dass das HBrspiel an sich nicht ohne ein gut Teil an Irrealem auskommt. Diese Erkenntnis be- sitzt nicht nur fflr das moderne HBrspiel Gfiltigkeit, sondern kann such auf die Anfflnge des Horspiels angewendet werden. Diese Feststellung macht es dann unvermeidlich, den grundsfltz- lichen Charakter des Irrealen zu untersuchen, und da eine Ver- anderung daran zu bemerken ist. ihn von einem geschichtlichen Standpunkt aus zu betrachten. Ausser diesem Suchen nach ir- realen Merkmalen im H8rspie1 im allgemeinen soll auch versucht werden, irreale Merkmale im besonderen in einzelnen Hbrspielen festzustellen. Ferner zeigte sich, dass das HBrspiel einen grossen Anteil an Irrationalem besitzt, was besonders fflr moderne HBrspiele charakteristisch ist. Aber auch in alteren Harspielen finden sich schon Ansatze, woffir einige Beispiele angefflhrt werden. Unter den modernen HBrspielen sind es besonders die von Gflnter Eich, in denen Irreales und Irrationales auffallend hervortreten. Deshalb sollen seine HBrspiele in erster Linie betrachtet werden. Daneben sollen Untersuchungen an einigen 1 2 modernen Hbr3pielen angestellt werden, die irrationale Er- scheinungen parallel zu Eichs Hbrspielen besitzen. Ffir die Betrachtung des Irrealen wird ausserdem Jeweils ein HBrspiel von Bertold Brecht und Wolfgang Borchert herangezogen. Der grBsste Teil dieser Arbeit muss auf theoretischen Quellen beruhen, d. h. auf dem Lesen von Hbrspieltexten, de- nen aber wichtige Faktoren zur Ganzheit des HBrSpiels abgehen, da die Mbglichkeit, Hbrspielfibertragungen zu erlehen, nicht gegeben war. Langer zurfickliegende Erfahrungen wurden eher aus allgemeinem Interesse fflr das kulturelle Geschehen der Zeit gemacht als aus Grflnden der literarischen Forschung. Die den Charakter des Allgemeinen tragenden Erinnerungen dar- an reichen nicht aus, ein einzelnen HBrspiel als peranliches Erleben zu beurteilen. Einige Feststellungen basieren Jedoch auf der Erfahrung, dass sich die Verfasserin der Wirkung von HBrspielen nicht entziehen konnte und ihr deren Welt lebendig wurde. Ein Deutschlandbesuch im Sommer 1962 gab wenig Gelegenheit zu systematischem Forschen und zum Erneuern von Hbrspieler- fahrungen. Die Hbrspielsendungen des Bayerischen Rundfunks liessen sich an Hand einiger Rundfunkprogramme verfolgen, aus denen sich ergab, dass innerhalb von 15 Wochen 17 HBrwerke gesendet wurden, bei denen es sich nur bei dreien um deutsch- sprachige Originalwerke handelte. Die anderen waren Heimat- stacks, Schwanke, Umarbeitungen und Ubersetzungen andersspra- chiger Hbrspiele. Allerdings hatte es sich der Bayerische Rundfunk zur Aufgabe gemacht, wegen allgemeiner mangelhafter Kenntnise fiber das ausserdeutsche Hfirspiel im Sommerprogramm einen Querschnitt durch das englische Hfirspielschaffen zu ge- ben, sodass der Anteil an englischen Hfirspielen relativ gross war. Den Nachforschungen fiber das Irreale und Irrationale mfissen Untersuchungen fiber das wesen des Hfirspiels und fiber seine ge- genwartige Stellung vorangehen. Wertvolle Informationen fiber technische Einzelheiten konnten bei zwei Besuchen in Studio Nfirnberg, das zum Bayerischen Rundfunk gehfirt, erlangt werden. Zwar wurden wegen der Sommerferien keine neuen Hfirspielproduk- tionen vorgenommen und konnten daher nicht beobachtet werden, aber die Aufnahme eines Hfirbildes, die fihnliche technische Massnahmen wie die Hbrspielaufnahme erfordert, wurde verfolgt und Einblick in die Anlagen eines Studios genommen. Neben diesen praktischen wurden weitere theoretische Er- fahrungen durch die betrachtende und kritische Literatur fiber das Hfirspiel angeeignet. Darin konnte zwar ab und zu das Wort "irreal" im Zusammenhang mit dem Hfirspiel entdeckt wer- den, Jedoch keine Betrachtung des Hfirspiels vom Standpunkt des Irrealen und Irrationalen aus. Daher nimmt die Verfasse- rin dieser Arbeit an, eine derartige Betrachtung sei nicht angestellt worden und versichert, dass sin eventualles Vor- handensein ihr nicht zur Kenntnis gekommen ist. B. DIE GEGEBENHEITEN DES HORSPIELS I. Die dem Hfirspiel zur Verffigung stehenden Mittel Teohnische Mittel Trotz seines grossen Aufschwungs, den daslerspiel wahrend der letzten zehn Jahre genommen hat, und trotz seiner allge- meinen Anerkennung und Wertschatzung unterliegt es heute noch immer Kontroversen. Die Meinungen darfiber sind nicht nur un- terschiedlicher, in vielen Fallen sind sie sogar gegensfitzli- cher Natur. Es lassen sich Jedoch einzelne grundsfitzliche Charakteristika finden, die von allen am Hfirspiel interessier- ten Schriftstellern und Kritikern beachtet und zugegeben wer- den. Eines dieser Merkmale ist, dass das Hfirspiel ohne die Erfindung des Rundfunks und ohne seine technischen Einrichtun- gen nicht in Erscheinung hatte treten kfinnen. Da also das Hfirspiel seinen Ursprung der Technik verdankt, kann es ohne sie nicht bestehen, muss sie also in Betracht gezogen werden. Die Entstehung des einzelnen Hfirspiels verdanken wir natfir- lich nicht ausschliesslich der Technik. Ohne vorlaufig aur die Wichtigkeit des dichterischen Vorwurfs oder auf seine end- gfiltige Wirkung beim Hfirer einzugehen, soll zunachst die Tech- niK als eine notwendige Komponente beim Entstehen und als ein unerlasslicher Faktor beim Vermitteln des Hfirspiels betrachtet warden. Die funktechnischen Arbeiten am HBrSpiel geschehen im Stu- dio. Bei einem Besuch des Studio Nfirnberg wurden die wich- tigsten Rfiume und Einrichtungen von seinem Leiter, Herrn Lehnert, vorgeffihrt, und die Annahme besteht, dass das Studio Nfirnberg als reprfisentativ ffir seine Art angesehen werden darf. Der eigentliche Aufnahmeraum enthfilt die MikrOphone, in die die Darsteller den Hfirspieltext sprechen. Reflektoren und schallschluckende, bewegliche Teile an den Wanden ermfiglichen eine Veranderlichkeit der Raumakustik. Nachhall kann damit vergrfissert oder verringert und der Eindruck verschieden grosser Rfiume erweckt warden. Im Aufnahmeraum gibt es noch Vorrichtungen, mit denen sich Gerausche erzeugen lassen, die durch die verschiedenartigen Bewegungen und Tatigkeiten von Menschen in Raumen zustande kommen. Steintreppen, hfilzerne, mit Teppichen belegte Treppen, knarrende Tfiren aus Holz oder Metall, die in sin Haus, in sin Zimmer, zu einem Safe, zu einem Kfihlschrank ffihren, Haustfirklingeln, Telephonklingeln, Telephonapparate zum Wfihlen, Telephone, die die verzerrte Stimme eines Telephongesprfichs wiedergeben, Fenster zum Off- nen und Schliessen und anderes mehr ist vorhanden, um haufig vorkommende Gerfiusche des taglichen Lebens zu produzieren. Anders im Hfirspiel benfitigte Gerausche werden nicht mehr nach- geahmt, sondern sie sind auf Tonbandern festgehalten. Die Rundfunkstudios besitzen Archive mit vielen Tonbandaufnahmen, die die tatsfichlichen Gerausche am getreuesten wiedergeben und ihre Anwendung im Hfirspiel ermfiglichen. Neben dem Aufnahmeraum gibt es im Studio Nfirnberg einen kleineren, den sogenannten "trockenen" Raum, dessen wands dick gepolstert sind, sodass samtliche Gerausche absorbiert werden und keine Reflektion entsteht. Dadurch wird der aku- stische Eindruck der Weite erweckt. Hfirspielszenen, die im Freien stattfinden, warden dort aufgenommen. Weitere wichtige Raume im Studio sollen im Zusammenhang mit der technischen Produktion des HBrspiels genannt werden. Im Regieraum halt sich der Aufnahmeleiter auf, der von dort alle anderen Rfiume fibersieht und mit ihnen in Verbindung steht. Meistens befindet sich dort gleichzeitig das techni- sche Zentrum. , Im Regietisch treffen sich die Kanfile der einzelnen Mikro- pnone. Einheiten aus Rfihren, Kondensatoren, Widerstanden, Sicherungan, Gleichrichtern und Transistoren verarbeiten die von den MikrOphonen kommenden Schallvorgfinge: verstfir- ken, mischen, filtefn oder sieben sie, verzerren Gerfiusche, modulieren Stimmen. Eine Gruppe dieser tonverfindernden Gerfite sind die Filter: "Es gibt Filter, die tiefe oder hohe Anteile eines Klanges durchlassen und alle anderen dampfen".2 Anders verfindern Stimmen insofern, als sie dumpf, "blechern, mechanisch"3, 4 leise, hoch oder wie "Telephonstimmen oder Radiostimmen" klingen. Sie finden hfiufige Anwendung im Hbrspiel, besonders 1 - Friedrich Rnilli Das Hfirs iel (W. Kohlhammer Verlag; ’ Im weIt’ Stuttgart, 1961). 35: eren als Knilli, Hfirspiel bezeichnet. 1\) Knilli, Hfirspiel, 53 Knilli, HBrspiel, 53 #u Knilli, Hfirspiel, 53 um irreale Personen und irreale Gestalten Sprechen zu lassen. Eines der wichtigsten Gerfite ist der Regler. Wird der Reg- ler gefiffnet, d. h. "eingeblendet", so ist die Mfiglichkeit ffir den Beginn des Hfirspiels gegeben. Dann erst kfinnen Stim- men, Gerfiusche oder Musik gehfirt werden. Das Schliessen des Reglers, "ausblenden", bezeichnet das Ende einer Szenen oder des HfirSpiels. Beide Vorgange kfinnen abrupt oder allmfihlich vor sich gehen, sodass sich dadurch eine Anzahl von Kombina- tionen ergibt. Dazu kommt noch das "Uberblenden", d. i. wenn verschiedene Schallvorgange gleichzeitig aufgenommen werden. Diese Mittel werden im HBrSpiel hdufig angewendet. Vor allem ermfiglichen sie die Darstellung von Geschehen auf verschiede- nen Bewusstseinsebenen, zeitlicher und rfiumlicher Gleichzei- tigkeit von normalerweise Getrenntem und bilden die Voraus- setzung zu Irrealem und Irrationalem im Hfirspiel. Diese und andere komplizierte Massnahmen werden von einem Techniker im Regieraum vorgenommen und vom Aufnahmeleiter di- rigiert und fiberwacht. Alle Schallvorgange werden auf Ton- band aufgenommen und im Magnetophonraum zusammengesetzt, d. h. "geschnitten". Direktfibertragungen von Hfirspielen gibt es selten. Selbst wenn es sie gabe, wfire das jeweilige HfirSpiel keine Ubertragung einer realen Wirklichkeit. Das fertige Tonband ist noch kein HBrSpiel, so lange es nicht gehfirt wird. Wiederum sind es technische Mittel, die as hfirbar machen, die die Schallwellen weitertragen, sodass sie von vielen Menschen zur gleichen Zeit empfangen werden annen. Aus dem Lautsprecher kommt dann das akustisch voll- standige Hfirspiel. Das Hfirspisl ist sinfach nirgends existent, fiberall nur technische Einzelheit: Wort, Gerfiusch, Musik - alles mit Hallkomponenten verschiedensr Art -, dazu auf Magnetbfin- der fixisrte Schwingungen, kurz, was vom ngisseur und vom Techniker gebraucht wird, um das Resultat zu komponieren. Die Komposition selbst aber geschieht erst 1m Durchgang duréh das Instrument, das Hfirspiel wird erst durch das In- strument "produziert'. Es erklingt dann in und mit den slsktrisch zusammengefassten Worten, Tfinen, Gsrfiuschen und Hgllqual§taten im Lautsprechsr und vergeht mit ihrem Ver- 1 schen. Der menschlichs Bsitrag Die Ides, die den tschnischen Apparat in Bswegung setzt, stammt vom Dichter. Er hat sine Aussage zu machen, die nur in der Form des Hfirspiels gemacht werden kann. Damit soll hier alles ausgeschlossen werden, was wegsn Missverstehsns oder Irrtums als HBrspiel bezeichnet wird. Das "Wortkunst- werk", wie Schwitzke es nennt, das literarische oder dichte- rische Hfirspiel sei hier gemeint. Scholl, der seine Defini- tion des Klassischen als "Gemeinverstfindlichkeit des Stils, Reife der Sprache sowie Waite und Katholizitfit des Ausdrucks" auf das HBrspiel anwendst, sagt von ihm: " ... dass das dich- terische Hfirspiel den Atsm grosser Poesie ausstrfimen, dass es sin Stfick Weltlitsratur sein mfissts".6 E Heinz Schwitzke, Das HBrs iel (Kiepenhsuer & Witsch° Kfiln, Berlin, 1963), 53. Im weiteren als Schwitzke,’ Hfirspiel bezeichnet. 6 A. A. Scholl, "Unsichtbares betfirendes Spiel", Jahresring, (1958/59). 353/‘60. Im weiteren als Scholl, Unsichtbares Spiel bezeichnet. Bevor das Hbrspiel sins derartige Stellung in der Litera- tur einnehmen konnte, musste es sine lange Entwicklung durch- machen. Das erste Hfirspiel, "A Comedy of Danger" von Richard Hughes, das 1924 in London gesendet wurde, versuchte die Nur- Hfirbarkeit zu motivieren, indem es im Dunkeln spielts. Ein anderes dsr frfihen Hfirspiele versucht, seine tschnische Exi- stenz durch Anwendung von ausschliesslich funkischen Mitteln zu begrfindsn: "SOS...rao...rao...foyn... Krassin rsttet Italia" von Friedrich Wolf, im Jahre 1929 entstandsn.7 Viels soge- nannte Hfirwerke werden oft falschlich als HBrspisls bezeich- net. Danebsn gibt es zahlreiche Adaptationen von spischsn und dramatischen Werken, von denen aber wenige echte HBrsPisl- qualitfitsn erlangen, meistsns nur dann, wenn sin Dichter dis Umarbeitung vorgenommen hat. Dis Vorhaltungen dsr Leute vom Theater, dass Hfirspislauto- ren ihr Mstier als leichten Ausweg gewfihlt hfitten, dass sie dadurch schnellsr bekannt werden, dass sis ihr Talent als Dramatiksr vergeudeten, dass sis finanzislle Vorteile hatten und andere mehr, kfinnen als Beweis daffir dienen, dass heuts noch das Hfirspiel nicht als Originalkunstwerk mit eigener Form und Aussagskraft anerkannt wird. Als Gegenargument kfinn- te angeffihrt werden, dass wenige Hfirspiele srfolgreich in an- dere Kunstformen umgewandelt worden sind. Eine dsr wenigen 7 Angaben entnommen: Hermann Pongs, Zeichen der Zeit. Das Hfirspiel, (Fr. Frommanns Verlag; Stuttgart, 1930) 1O Ausnahmen bildet vielleicht "Andorra" von Max Frisch. Aber Dfirrenmatts letzter Versuch, "Harkules und der Stall des Au- gias" in sin Bfihnanstfick umzuschreiben, sei nach einer Kritik von Johannes Jacobi in der Wochenzeitung "Die Zeit" vom 5. April 1963 misslungen. Der Dichter schreibt den Text, wobei sich die Frags erhabt, ob und inwieweit er das gesamta Hfirspiel in seiner Vorstsllung hfiren kann. Eine waiters Frags besteht darin, wiaviel dsr Dichter von den funktschnischen Mfiglichksitsn waiss und was er davon im Manuskript verarbeitet. In Jedsm Fall blsibt es dem Regissaur fiberlassan, den Text zur Sprache werden zu las- ssn und andere akustischs Vorgange hinzuzuffigen. Dis techni- schan Mittsl solltan von ihm so singesetzt werden, dass sis dem Dichtsrischen garecht werden, sich ihm unterordnen und es auf die bastmfigliche Weiss gestalten. Der ngissaur muss also Verstandnis ffir das Tachnische und Kfinstlsrische besitzsn, er muss imstands sein, diase beidan Hauptkomponenten zu einem Ganzsn zu verainigan und hat damit sine wiChtiga Aufgabe zu erffillen. In dieSem Vorgang nimmt auch der Darsteller sinan wichtigen Platz ein. Die Wirkung eines "Wortkunstwsrks" muss auf dem Wort bsruhsn und der Darsteller varmittalt es, er "bringt ss zur Sprache." Beim literarischen HBrSpiel ist diese Sprache nicht informativ - belshrend, sondern "lyrisch - magisch." In dsr lyrisch - magischen Sprache dagagen kann nichts frfihar als das Wort, nichts vor dem Wort sein: das Wort ist Ort und Ursprung von allem, von Bildarn, Gestaltan, 11 Handlungsvorgfingen und Gedanken, es hat die gesamte Welt, die as weckt, in sich.8 Der Darsteller muss abenfalls sine Wortwslt in sich haben, damit sis in seiner Sprache zum Ausdruck kommt. Er sollte die Worta des Dichtars ungekfinstelt, mit einem Minimum an schauspialarischsn Effekten aussprechsn. Gleichzsitig ist die Sprache sein ainzigas kfinstlarisches Ausdrucksmittel, ebenso seine Stimme, "die glsicharmasssn Kfirper und Saele ist."9 Im Gagensatz zur Bfihnendarstellung, bei der Gestikulation, Mimik und Bewegung den sprachlichen Ausdruck arganzan, verstfirkan oder arsatzen, und grfissere Entfernung Ubertraibungen und starkeran Stimmaufwand erfor- dart, vsrlangt die intimerar AtmOSphare beim HfirSpiel vom Darsteller das "Unterspielen." Auch er muss im Dienst des Wortes stahen, damit as voll zur Wirkung kommen kann, und da- mit dis vom Dichter gsmachts Aussaga dem Hfirer unverfalscht vermittalt wird. 8 Schwitzka, HBrsEiel, 100 9 Albert Camus, Dar Mzthos von Sisyphos. Ein Versuch fiber das Absurda, (Rowohlt s TaschenbuchJVarlag; Reinbeck bei Hamburg, 1960), 69 12 II. Dis Situation dss Hfirers Dis fiusssren Gagabenheiten Was nun von Dichter, Regisseur und Darsteller gemainsam gs- schaffsn wurds, srlsbt dsr Hfirer durch die Varmittlung des Rundfunks als Ganzes. Er muss sich dabei nicht wie beim Tha- atsrbssuch basonderen Vorbsreitungsn unterzishen. Dis neue Umgabung und die festlichsre Atmosphars bringsn hier sine sr- wartungsvolle Spannung mit sich. Es kann dem Hfirspisl zum Nachtsil gsreichen, dass dsr HBrer in seiner gewohnten Umge- bung bleibt, Ablsnkungen und Stbrungen ausgesetzt ist und dass er nicht auf das Kommends eingestimmt ist. Mfiglicharwaiss hat er ssinen Radioapparat zuffillig angestellt und hfirt sich das Programm eines Abands ohne Auswahl an. Dahar ampfehlen Hfir- Spisldramaturgan, das HBrspisl solle von Anfang an die Auf— msrksamkeit fessaln. Man ist hsuts vielfach dsr Ansicht, dass das Hfirspisl nur ffir dis Arman ssi, dis sich ksinen Farnseh- apparat lsisten kfinnten, und beffirchtst, dass das Farnsehen sine Weitsrsntwicklung oder gar den Fortbestand des Hfirspisls gsffihrde. Als ideals Zuhfirer kfinnsn disjenigsn betrachtst werden, die auswahlsn, planen und sich auf das HBrSpiel ein- stellsn. Nur wird es sich in der Zukunft erst erweissn mfisssn, ob es ffir das Weiterbestehen des Hfirspisls vorteilhaft oder nachteilig sein wird, wenn es nur von einer kleinan Gruppe von Liebhabern gshbrt wird. Schliesslich beruht sein Erfolg in den lstzten Jahrsn zum Tail auf seiner grossen Zuhfirsrschaft. 13 Sogenannts Augenmenschsn werden sich nicht untsr den Zu- hBrern befindan. Ffir die anderen wird immer das Problem ba- stehsn bleibsn, dass das HBrSpiel mit ihrer wirhlichsn Umwelt in keinam Zusammenhang steht und ob sis sich von ihr lfissn und dsr Welt des HBrspisls folgsn annsn. Dis Vorgangs im Hfirer Ein weiteres Problem bestsht darin, dass das Radio als Schallquelle fest steht und nicht, wie im wirklichen Laban, dsr SChall von mehrarsn Richtungen kommt. Wolfgang Metngr hat Porschungsn darfibsr angestellt und gefundsn, dass das 0hr ohne Mithilfs dsr anderen Sinns die Schallrichtung nicht be- stimmen kann. Im Studio gibt es begranzte Mfiglichkeitsn, rfiumliche ngebenhsitsn darsustellen. Nahe unf Ferns, gs- schlossansr und offensr Raum kbnnsn untsrschieden werden, nicht absr oben und unten oder links und rschts. Eine Tail- lfisung wurde durch die StereOphonie geschaffen, die zu dsr Zeit, als Mstzgar sein Bush schrieb, noch in den Anfangsgrfin- den steckte. Er zieht sis in Betracht, kommt aber zu folgen- dem Schluss: "Auch bei vollkommsnstar Wiedergabe des Rflumli- chsn, das dsr Schall unmittalbar aufzubausn ffihig ist, bleibt die Hfirwslt im Vsrgleich zur gesehenen arm und bruchstfick- haft."1O Disses Ergsbnis wars dann ffir das Hfirspisl negativ, wenn disses versuchte, "die Rsproduktion von realer Erfahrung- ‘0 Wolfgang Mstzgar, Das Raumlicha dsr Hfir— und Sshwalt bei der Rundfunkfibsrtra un , (R. v. Decksr's‘Verlag; Berlin, 19525. 92 ~ 14 wirklichkeit, dis dss Optischan bedarf,"11 zu sein. Ffir sins kfinstlsrisch-manschliche Aussags ist es sicher nicht von Be- deutung, dass die Rundfunkfibertragung ksin dreidimsnsionalss Hfirsn vermittelt und dass dsr Schall von einer feststshenden Quslle kommt. Wis spdtsr noch gszsigt werden soll, spielt bei dsr Darbistung von Irrealsm und Irrationalem der Raum sine ga- ringa Rolls, ist gsradszu dis Unmfiglichkeit, rsala Umstfinde dss Hfirens zu schaffsn, sins Voraussstzung daffir. Demzufolgs verlisrt auch dis Frags nach rdumlichsm Vor- stsllsn hier an Wichtigkeit. Es wurdsn Forschungen darfibsr angestellt, ob bei akustischsn Eindrfickan optischs Vorstel- lungen aufsteigen, ob sich bei einem Hfirspiel dis Bildar dss Dichtars mit denen dss Zuhfirers decken und auf welche Weiss die grbsstmfigliche Annfihsrung zustande kommt. Die srste Mfig- lichkeit bastsht; sis kann aus parsfinlicher Erfahrung bestfl- tigt werden. Dis zwsits klingt unwahrscheinlich; ebenso un- wahrscheinlich ist es, endgfiltigs Forschungssrgsbnisse zu er- warten, dsnn wie andere Eindrficka auch, lfist das Hbrsn indi- vidusll untsrschiedlichs psychologischs Akte aus. Gedacht- nis- und Erfahrungsinhalta, Assoziationsn und Phantasia sind Besitztum dss Einzslnsn, dsr sich dieser Krafts in ihrem Aus- mass meistens nicht bswusst ist. Worte und GerAuschs bringsn Tails von ihnen ins Bswusstsain, die sich dort zu etwas Nsuem zusammsnffigsn. Das Bawusstwsrdsn kann, muss aber nicht an- schaulich sein. Einzslne inhaltsreiche Worts, Zusammenhangs, 1‘ Rsallsxikon dsr dsutschsn Litaraturgsschichte, 2. Aufl., {Walter De Gruyter & 00; Berlin, 195 , I, 4 15 Szenen oder sin ganzes HBrSpiel kfinnen diess VorgAngs auslfi- sen. Dis Untsrschisde dss individuallen Bswusstwsrdsns und seines Ursprungs ffihren zu dsr Frags, wie sich dsr Dichter fiber das Hfirspiel mit dem Zuhfirsr vsrstAndlich machan kann. Dis Antwort darauf kfinnte sein, indem er zuweilen ohne Zuhil- fsnahms dsr Vernunft und dss Vorstellungsvermfigens, das zu einem gswissen Teil auch Eindrficke von Realsm voraussetzt, das Unbswussts, das als "die psychische Urwirklichksit, dsr Quellgrund dsr den Msnschsn gemeinsamen Grundmotivs und Ur- "12 definiart wird, und formen, dsr Archetypan dss Erlebens das Untsrbewusstsein anspricht. Diese Art menschlichsn Varstehsns macht Jewsils nur sinen Tail eines HfirSpiels aus, as wird vielleicht innsrhalb dsr Fabal oder dss gegsbenan Problems zuweilen anklingan. Der Zuhfirer wird die verschiedensn psychologischsn Akts mehr oder wsnigsr in Anspruch nehmen, gleichzsitig oder nachsinandsr. Zu wslcher Zsit und in walcham Ausmass ar seine Krfifts bai- trfigt, ob und wann er sich angeSprochan ffihlt, sind wichtige Faktorsn, die zur Vollendung dss Hfirspisls beitragen. Die Idea des Dichtsrs gab das Gsrfist, ngisseur und Darsteller schufen mit Hilfe dsr Tschnik die akustische Ganzheit, der Hfirsr erlebt das HfirSpiel in seiner Gasamtheit. Dis Art dss Erlebens aber ist ffir Jades Individuum sinmalig. Dahar sagt Wicksrt: "Die Handlung dss Hfirspisls spielt auf einer innersn Bfihna."13 12 PhiIOSOthschss Wfirterbuch, 16. Aufl., (Alfred Krfinar VerIag; Stuttgart, 1951), 595 Erwin Wickert, "Die innsrs Bfihne," Akzents, Heft 6, (1954). SOs/'14 ' 16 III. Dis Stellung dss Hfirspiels in dsr Literatur Um dis Stellung dss Hfirspisls in dsr Literatur festzulagen, muss as erst als Tail dsr Literatur anerkannt werden. Diese Arbsit sstzt dies voraus, Jadoch vials Kritiksr und Schrift- stellar stellen as hauts noch in Frags. Die Ursacha daffir be- stsht oft darin, dass andere "Hfirwsrks" fdlschlicherweise als "Hfirspiale" bezeichnet werden, dass sins kungsfassts, allga- maingfiltiga Definition kaum zu finden ist und dass seine Dau- erhaftigkeit angezweifalt wird. Man hfilt das HBrSpiel oft ffir sine Abart dss Dramas, oder ffir dramatisierte Epik; auch werden ihm lyrische Bestandtsile zugabilligt. In diesem Gs- wirr von Meinungen ist man sich nur einer Tatsache sicher, nfimlich dsr, dass das Hfirspial untsr Betsiligung von funktech- nischsn Vorgfingen zustandekommt. Anders Meinungen hfingen wait- gshend davon ab, zu wslcher Litaraturgattung dsr Betrachtende Jewsils neigt. Ja stArker er in seinem Metier vsrwurzelt ist, umso mehr geganteilige oder fibsrainstimmands Eigsnschaften wird er davon im HBrspial finden. Im Vsrgleich mit den drei Hauptgattungen dsr Literatur soll das Hfirspisl keinsr bestimmten zugeordnet werden, sondern es sollen ainige seiner Hauptcharakteristika herausgehoben war- den. Es ist srwiassn, dass es Elements allar drsi Gattungen besitzt. Das kfinstlsrischs Originalhfirspiel aber ist sin Gen- re ffir sich, das seine eigensn Stilmittel und Formsn ent- wickeln muss. "Es gilt auch hier wisdsr, dass das Schfipfe- 17 rische sich seine Gasstze schafft, und nicht umgskahrt."14 Dis Eigsngasstzlichksit dss Hfirspials lshnt vor allem Gott- friss Mueller ab, dsr sich als Dramaturg besonders mit der praktischsn Saits dss Hfirspiels bsfasst. Er sagt: "Dis dra- maturgischsn Gasstze sind swig. Sis sind nismals an sine ba- stimmte Ausdrucksform gsbundsn..."15 Damit Spricht er dem Hfirspiel sine smpirischs Dramturgie ab und es ware somit sine auf das Akustische beschrankta Form dss Dramas, die gewisse tschnische Einrichtungsn bsnfitigt. Muellers Ansicht basisrt auf seiner Theoris, dass dsr Inhalt dss Wortes nichts zfihls, und dass nur dsr Inhalt dsr Wortreihs und die sich daraus er- gebendsn dramatischsn Warts zfihlten. Damit disnte das Hfir- spiel dsr blossen Unterhaltung; sine spannsnds Kriminalgs- schichts z. B. lissse sich mit diesen Grundsfitzen darstsllsn. Viellaicht passsn sis auf ainige dsr frfihsren Hfirspisle, abar salbst in denen finden sich schon Andautungen daffir, dass die vordergrfindige, apannande Dramatik nicht das Wesentlichs ist. Musllars Behauptungen, dis er 1954 machte, kfinnsn nach Bor- cherts "Draussen vor dsr Tfir" und nach anderen Hfirspielen, die as zu dieser Zeit schon gab, nicht bestshen. Einige Regsln dss Dramas wandslt Mueller so ab, dass sis auf das Hfirspisl anwsndbar sind. So sagt er 2. B., dass as 14 Otto Heinrich Kfihnsr, Main Zimmsr grenzt an Bab lon, (Albert Langsn - Georg Mfiller; Mfinchsn, 19545, 203. Im weitsren als Kfihner, Babzlon bezeichnet. ‘5 Gottfried Mueller, Dramatur is dss Theaters, dss Hfir- s isls und dss Films, (Konrad TrIItscE VerIag; Wfirzburg, 19 .93- 18 nicht in Ahts, sondern in Szenen eingsteilt sein soll, dass diess kurz, pragnant, konzentriert und ohne Unterbrechung ab- laufsn sollen, dass die Charaktsrisisrung dss Sprachsrs in Text und Ausdruck geschshsn mfisse und dass zwischen ihm und dem Gssagten keina Diskrepanz harrschsn dfirfs. Ein Grossteil seiner weitsren Regaln ist entwsdsr unwessntlich ffir das dich- tarische Hfirspisl oder befasst sich zu sshr mit formalsn Ein- zelheiten. Eine dirskts Ubsrnahme von ngaln dss Dramas ware sine Ein- schrfinkung ffir das Hfirspiel, die nicht gsstattete, seine Mfig- lichksiten auszunfitzen. Schon seine kurze Form untsrscheidst die Gesamtkonzaption dss Hfirspiels von der des Dramas. Das Drama kann sich sins ausffihrlichsre EXposition srlaubsn, dis beim Hfirspiel in wenigan Worten nur, innerhalb eines GesprAchs, oder von einem Erzahler bsrichtet, glsich in medias gag ffihrsn muss. Wahrand dis Spannung beim Drama allmfihlich anstaigt, sollte sis in Hfirspiel von Anfang an vorhanden sein, beibe- haltsn und nur von Paussn ffir den Zuhfirer untsrbrochen werden. Auch dis Notwendigkait einer Peripetie und der Auflfisung dss Konflikts ist in HBrspisl nicht gegsben. 0ft ist ksin sogs- nanntsr Konflikt vorhandsn und dsr Kernpunkt, um den sich das Gsschshen im Hfirspisl dreht, kann kaum "Einheit dsr Handlung" gsnannt werden. Dramatische Handlung ist im Hfirspisl oft vor- dsrgrfindig, stallvertrstend oder symbolisch ffir innera Vor- gangs. Leasing hat schon in seinem Wsrk Hamburgische Dramaturgis gesagt, dass Einheit dss Ortas und der Zeit im Drama nicht 19 strikt singshaltsn zu warden brauchsn. Aus bfihnentechnischsn Grfindan werden sis absr oft beachtet. Das Hfirspiel hat darin vfilliga Freihsit; sis bistet ihm dis Mfiglichksit, Irreales und Irrationalas darzustsllan. Die Bfihne vermag wohl heutzu- tags mit Hilfe dsr Tachnik mehr. Dis visuallsn Eindrficke ver- ringern Jsdoch beim Zuschauer die Aktivitat seiner Phantasia und seines Vorstsllungsvarmfigsns. Er vollzieht wahrschsinlich im Hfirspisl den Sprung von einem Schauplatz zum anderen willi- ger als bsi einer Bfihnendarstallung, bei dsr imaginfira Szenen nicht visuall gezeigt werden, bsi dsr er also seine Eindrficks vom Visuallen lfissn und seine Phantasia nur von dem Gshfirtsn lsitsn lassen mfisste. Dar wichtigste Untsrschisd zwischen Schauspisl und Hfirspisl bestsht wohl darin, dass das lstztars, losgalfist von der Realitat, grfisssrs Beteiligung von seali- ’ schsn und geistigsn Aktsn vsrlangt, wfihrend das srstsre sins gewisss Rsalitdt besitzt, die nicht Wirklichksit, sondern ihre Bedeutung ist. Wodurch das Hfirspisl den Verglaich mit dem Drama herausvor- dart, ist seine Ubsrnahms dsr dramatischsn Formen dss Monologs und dss Dialogs. Wfihrand abar dsr Dialog auf dsr Bfihns nicht unbedingt zum Verstfindnis dsr Handlung und ihrsr Bedeutung notwendig ist, -Mimik, Gsstik, Visuallss sind hier aindrucks- volle Mittel dsr Verstfindigung- ist er im Hfirspisl der allsi- nige Trager dsr Handlung. Da das Hfirspisl keins realen ngsn- stands zeigen muss, braucht sich auch dsr das Gsschshen aus- drfickende Dialog nicht mit realen Dingen zu bafasssn. Das H8rspisl hat dsr Bfihnsndarstellung auch voraus, dass es Stim- 20 man sprechen lassen kann, die ksinem Kfirper angehfiran, oder Dinge, die wedsr Stimme noch Sprache habsn. Das geSprochsna Wort salbst besitzt keins Rsalitfit. Dam Monolog hat das Hfirspiel wiedsr zu neuer kfinstlsrischsr Gsltung varholfsn. Von dsr Bfihne ist er ssit dsr Zeit dss Naturalismus fast vfillig varschwunden. Verstfindlichsrwsi- se: wo sin Abbild dsr Wirklichksit auf dsr Bfihna angestrsbt wird, muss sin laut dsnkander Mensch zumindest ungswfihnlich erscheinan. Bei einem Monolog handslt as sich Ja msist nicht um gesprochsna Reds, sondern um hfirbar gsmachts Ga- dankan, um sins Stimme dss Innsrsn.1 Diese Art von Monolog ist zu unterscheiden von dsr Reds eines Berichtarstattsrs, dsr in manchsn Hfirspielsn wichtige Informa- tionsn gibt. Absr vielfach wird dsr Barichtarstatter als un- organischsr Tail dss Hfirspiels abgslehnt. Der "innere Monolog" srhA1t im Hfirspial besonders Wirksam- ksit durch die grBssers Eindringlichksit und Intimitfit, die durch das Sprechsn in sin Mikrophon erzialt wird, und durch die allgsmeins Erfahrung, dass der Ausdruck innerstsr Empfin- dungan laichter ist, wenn Sprechsr und HBrsr einander dabei nicht sshen. Erzahler und "innarer MonolOg" lsitsn hinfibsr zur Epik, ins- bssondsre dsr lstztsra Eegriff, dsr vor allem in einer Analyse dss Ulysses von James Joyce Anwendung findet. Heinz Decker zitiert dort dia folgends Definition von Edouard Dujardin: Dar innere Monolog ist in Bereich dsr Dichtkunst dis nicht ausgeSprochens Reds ohne Zuhfirer, durch walchs sins Parson ihre intimsten und dem Unbewusstsn am nachstsn liegendan Gsdanksn ausdrfickt, Jsdsm logischan Ordnen vorausgesetzt, sozusagsn in status nascsndi.1 16 Kfihner, Babylon, 219 ‘7 Heinz Decker, "Dar innere Monolog", Akzente, VIII (1961), 100/120 "" """ 21 Dabsi ist "die nicht ausgsSprochsne Reds ohne Zuhfirsr" auf das Hfirspisl angewsndet wohl so zu vsrstshen, dass die betrsffsnds Person ihre Aussags macht, ohne an sin zuhBrendss Gegsnfibsr zu dsnken oder sinen bestimmten Eindruck arwecksn zu wollsn, wo- zu das Hfirspisl dis bestmfiglichs Prflmisss gibt. Mit dsr Epik gsmeinsam hat das Hfirspisl vor allem dis Spra- che dsr Prosa. Nur wsnigs Hfirspisls sind in Vsrsform gahalten, wennglsich die Sprache manchsr sinen bestimmten Rhuthmus auf- weist. Haufigsr finden sich Verse zwischsn den dramatischsn und spischsn Partien. In seiner Form hat das Hfirspisl wenig Ubsrsinstimmsnds mit dem Roman. Infolgs dsr Programmisrung beim Rundfunk und dsr begranztsn Aufnahmsfflhigksit dss Hfirsrs muss seine Dausr be- schrfinkt sein. Die Kfirzs dss Hfirspiels bringt as dsr Novella nfihsr. Seine Form braucht abar keiner Tradition zu folgen wie dis dsr Novella. Einige HfirSpiels lassen Jedoch dis strange- ren Zfigs dsr Novella srksnnsn: Sis behandsln sin sinmaliges, bedsutsames Ersignis, haben Hfihe- und Wendspunkt und sinen gut vorbsrsitetsn Schluss. Auch dis ffir dis Novella typischsn Mo- tive und Symbols finden sich in manchsn Hfirspialsn, nur kfinnsn sis hier akustischsr Natur sein. Ebenso ist sins Grundstim- mung, die sich durch dis Novella zieht, beim Hfirspisl durch andere Mittel als Worts gsschaffsn. Dis engsts Vsrwandtschaft besitzt das Hfirspisl wohl mit der Kurzgsschichts. Auch sis ist sins modarns Kurzform, die sich schwer in sins kungsfassts, sndgfiltigs Definition zwfingsn lasst. "Sis ist das Chamfilson dsr litararischsn Gattung, sin 22 ssnsiblas Rsptil, das sich in der Farba seiner Umgsbung t."18 Kungsschichte und Hfirspisl sind sich vor allem tarn darin glsich, dass sis sich nicht nach einer strengsn, tradi- tionSgebundsnen Form richtsn mfisssn und dass sis Elements al- lsr litararischsn Gattungsn snthaltsn kfinnsn. Ffir beids gilt, was Bender von dsr Charaktsrisisrung dsr Personsn in der Kurz- gsschichte sagt: "Schon sind die Figursn vorgestellt: wir ha- ben sis sprechen gshfirt und wir haben sin Bild ihras Ausss- hens und ihrer Bswsgung, ohne dass dsr Autor uns das Bild gs- zeichnst hatts."19 Im Hfirspiel charaktsrisisrsn sich die Per- sonsn salbst durch ihr Sprechsn und auch in dsr Kungsschichts, sagt Bender, lissse dsr Autor dis Figursn sprechen, ohne sich sinzumischsn. Er zitiert hier sogar Musil, dessen Satz "Sprich, damit ich dich sshs" Heinz Schwitzks als Titel ffir sein Bush gswfihlt hat, das sechs Hfirspisls snthfilt und sinen kurzsn Bericht fiber das Hfirspisl.2O Ahnlich wie dis Kungs- schichts muss das Hfirspisl ksin ausssrgswfihnlichss Ersignis zum Thema haben, sondern kann sin Stfick aus einem Laban zei- gen, das gar nicht besonders zu sein hat. Irgsndwo sstzt ss 18 Hans Bender, "Ortsbestimmung dsr Kurzgsschichts," Akzen- te, IX (1962), 205/‘25. Im weitsren als Bender, Ortsbs- Etimmung bezeichnet. 19 20 Bender, Ortsbsstimmung, 221 Heinz Schwitzks (Herausgsbsr), Sprich, damit ich dish ssha. Sachs Hfirs isle und ein Bericht fiber sins jufiés Kunstform, lPauI EIst Verag; Mfinchsn, 1961). Im we - tsrsn als Schwitzks, Sprich, damit ich dich sahs, be- zsichnst. 23 sin, lfisst uns sins Zeitlang mitarlebsn, sndst, gibt ksins L5- sung. Auch das Zitat fiber den Schluss dsr Kurzgeschichts, den Bender "vsrblfiffsnd" nannt, lasst sich auf das Hfirspisl anwsn- den: "Der Schluss ist offsn; d. h., sr hintsrlfisst sins schwe- bsnds, afunktionslls Dissonanz, dis noch lange nachklingt."21 Was fiber dsn "innersn Monolog" ausgesagt wurds, stellt glsichzsitig dis Varbindung zum lyrischsn Element im Hfirspisl her. Selbstaussprachs ist eines dsr Markmale dsr Lyrik, das man such in gutsn Hfirspiel findst. Bei dsr Lsktfirs eines Gs- dichts sisht sich dsr Laser dem gsdruckten Buchstaben gsgen- fiber, wfihrend dsr Hfirer beim Hfirspial von einer lsbsndigsn Stimme angesprochsn wird. Beide Male bsfindst sich das Indi- viduum in einem intimsn Kontakt mit dem Aussagendan. Beim Hfirspisl bestsht dis Gsfahr, dass durch falscha Akzentsstzung dss Akustischsn das urSprfingliche Vsrstshsn dsr Msnschsn unter- sinandsr basintrAChtigt wird. Der Anteil dss Lyrischsn ist in Ausmass und Art von Hfir- spiel zu HBrSpisl vsrschisdsn. Als schte Dichtung wird as dann betrachtst werden, wenn as dsr Anfordsrung Scholls ent- spricht, dass nfimlich hintsr dem Vorwurf "sine zsntrals Aus- sags fiber den Msnschsn und die Problematik seines Dassins in dsr Welt sichtbar"22 sein sollte. Diese Aussags soll absr nicht sins sinmaligs, subjektivs Situation dss Dichter zeigen, sondern "dis unmittelbars Darstellung zsntralar Sainsstruk- 21 Bender, Ortsbsstimmung, 206 22 Scholl, Unsichtbares Spiel, 357 24 tursn."23 Das Hfirspiel neiga umso mehr dsr Lyrik zu, 3e mehr es dam Kfinstslsr mfiglich ssi, "sinen neutralsn, gswisssrmasssn sinen geometrischen Ort aufzufindsn, von dem aus sin Einblick t."24 Es hat in sbandisss zsntrals Ssinsstruktursn mfiglich is den Anschsin, als ob ffir das HbrSpiel dsr Rundfunk dieser nau- trals Ort ffir dis lyrische Aussaga ssi. Reels und rationals Gegsbsnhsitsn sind dazu nicht unbedingt srforderlich. Dis lyrische Konzsption dss Hfirspisls, die den Msnschen im existentisllsn Augsnblick zaigt als individualls Aussaga dss Kfinstlsrs mit objsktivsm Gfiltigkaitswsrt, bsdisnt sich vor al- lsm Gfinter Eich. Als Lyriker vsrmochts er dam Hfirspisl Quali- tfitsn zu gsbsn, die as ffir immer in den Rang dsr Dichtung sr- hobsn.25 Der lyrische Gshalt eines Hfirspisls ist meistens nicht in dsr hsrkfimmlichan Form dss Gsdichts gegsben. wie as 3a auch bei dsr modernen Lyrik oft nicht mehr dsr Fall ist. Einige Hfirspiele sind jsdoch gsdichtAhnlich aufgsbaut und snthaltsn Wisdsrholungsn, Rhythmus, wisdsrkahrsnds, rhythmische Wort- odsr SatZgruppsn. Auch dis musikalische Qualitfit dsr Sprache 23 Scholl, Unsichtbares Spiel, 557 24 Scholl, Unsichtbares Spiel. 357 25 Diese Feststellung beziaht sich auf Hfirspiele, dis er vor allem zwischsn 1950 und 1958 gaschriebsn hat. Davon wur- dsn elf gasammelt und in folgendsn Bfichern herausgsgsben, dis als Grundlags ffir dis Bstrachtung hier disnen: Gfintsr Eich, Stimmen, (Suhrkamp Vsrlag; Frankfurt am Main, 1962). in wsItarsn als Eich, Stimmen bezeichnet. Gfintsr Eich, TrAuma, (Suhrkamp Verlag; Berlin und Frank- furt am Main, 1959). Im weitsren als Eich, Trauma be- zsichnst. 25 wird im Hfirspisl singssstzt. Es kann durchaus die Form dsr lyrischsn Prosa besitzen, dis keins Neuhsit in dsr Dichtung ist. Auf dis "Weiss von Lisbs und Tod dss Cornsts ChristOph Rilke" von Rainer Maria Rilke soll als Vorlfiufsr und Beispiel dsr lyrischsn Prosa hier hingewisssn werden. Die msistsn Ubarsinstimmungan zwischsn Hfirspisl und einer Gsdichtform lassen sich im Verglaich mit dsr Ballade finden. Beide bsnutzsn den Dialog, um sin Ersignis zu bsrichten; in beidan kann dieser Bericht in lyrischer Stimmung umgswandslt werden; beids kfinnsn transparents Doppslszsnsn zeigen, vordsr- grfindige dar Handlung und parallels oder glsichnishafts auf anderen Bewusstssinsebanen dsr Sprechsndsn. Dis Ballads ver- wsndet absr mehr dis Stilmittsl dsr Sprache wie Endreim, Rs- frain, Allitsration u.s.w. Das Hfirspiel kann sis wohl sin- bausn, abar in dsr HBrspisllektfirs fand sich ksin Beispiel da- ffir, dass sis durchwegs angewsndet wordsn sind. Das Hfirspisl braucht sich auch keins dsrartigs Bsschrankung im Gsbrauch dsr Worta auferlegsn wie die Ballads oder das Gsdicht. Dis Spra- che dss Hfirspisls kann nicht so verdichtet sein, da es norma- lsrwsiss nur gshfirt wird, flfichtig ist, dam Hfirsr wsnig Zeit zum Verwsilsn gibt und keins Mfiglichkeit zu nochmaligsm Auf— nehmen. Seine Sprache sollte aus inhaltsreichen, trsffsndsn, ‘vor allem stimmungshaltigan Wortsn bestshen. 26 IV; Eigsnschaftsn dss Hfirspisls Dis rslativ kurzs Zeit seiner Existsnz, seine Vielseitig- ksit und seine Vialschichtigksit komplizisrsn dis Definition dss Hfirspiels. Die in dsr einschlfigigsn Literatur angestell- tsn Varsucha sind nur dann anwsndbar, wenn sis in ausffihrli- char Form gemacht werden. Auch hier soll keins Kurzfassung einer Definition untsrnomman, sondern es sollen aus dem bis- her Gesagten mfiglichst vials charaktsristische Msrkmals her- ausgsfasst und zusammengsstallt werden. Dis Tatsache, dass die Hfirspislform ohne dis technischsn Rundfunkvorgfings nicht sntstshen kann, untsrschsidst sis grundsfitzlich von allen anderen Sendsformen dss Rundfunks, dis, sofsrn sis nicht mit Hfirspislslemsntsn gsmischt sind, bloss Ubsrtragung, bloss Reproduktion darstsllsn.25 Dies nennt Schwitzke seine srste Definition dss Hfirspisls. Untarsucht man sis gsnauer, so kann man zwei wichtige Fest- stellungen fiber das Hfirspisl erkennsn. So untsrschsidet ss Schwitzks von anderen Rundfunkfibsrtragungsn und vsrlsiht dsr Tatsache Ausdruck, dass es die sinzige produktive Form dss Rundfunks ist. Zum anderen sagt er in obigem Zitat, dass bei der Entstehung das HfirSpisl auf die Technik angswisssn ist. Diese Aussaga kann sowohl auf den Ursprung dss Hfirspisls fiber- haupt, als auch auf die Jeweiligs Entstehung dss einzelnen Iifirspisls bszOgsn werden. Hier muss auch noch sinmal die In- anspruchnahme tschnischsr Mittel bei dsr Vsrmittlung dss Hfir- Bpisls betont werden. Der Hfirsr wird nur durch Manipulationsn 26 Schwitzks, Hfirspisl, 43 27 in die Lage vsrsstzt, stwas zu hfirsn, was durch Manipulationan andsrsr hBrbar gsmacht wird. Diese Tatsachsn untsrscheiden das Hfirspisl von den anderen Gattungsn dsr Literatur. Damit ssi abar nicht gasagt, dass andere literarische Formsn ganz ohne Tschnik auskfimsn, abar dem Hfirspiel allsin sind die Mit- tel dss Rundfunks vorbshaltsn. Dis von Schwitzks angaffihrtsn Msrkmals stshan also in einer Wschsslwirkung zueinandsr: Dis Rundfunktschnik produzisrt das HfirSpiel, glsichzeitig ist das Hfirspiel dis sinzigs kfinstlerischs Produktion dss Rndfunks. Wis sein Name sagt, ist as sin Spiel, das gshfirt wird. Al- so mfisssn alle seine Bestandtsile nur akustisch wahrnehmbar sein. Ssin wichtigstss Element ist das Wort, das besonders wirksam ist, da beim Sprechsn dis Intonation dss Darstellsrs hinzukommt. Dis Sprache, das urSprfinglichste Mittel dsr Ver- standigung dsr Msnschen, erlebt durch die Vsrmittlung des Rundfunks im Hfirspisl srnsuts Bedeutung. Ihrs Qualitfltsn, dis notwsndig sind, sind im Verglaich mit der Lyrik bersits betont wordsn. Schwitzks nsnnt das Hfirspisl in einer weitsren Defi- nition "dis sinzigs darstsllsnde Wortkunst, bei dsr durch die Darstellung keins fremds, keins kompakta Wirklichkeit in dis imaginfire Wirklichkeit aus Sprache hinsinkommt."27 Zu den von den Darstellsrn gssprochsnsn Worten dss Dichtsrs ffigt dsr ngisssur akustische Mittel, wie Musik und Gsrfiusch hinzu. Ihrs Rolls und Anwendungsmfiglichkeitan sollen Spfiter ‘noch beeprochsn werden. 27 Schwitzks, Harspiel, 102 28 Die kfinstlsrischs Ides, dis tschnische Zusammansstzung dss Hfirspisls srgsben in dsr Ubartragung durch dsn Rundfunk dis akustischs Gssamthsit, dis eines physiologischsn Vorgangss, dss Hfirsns, bedarf, um in den Msnschen einzudringsn. Dar Zu- hfirsr ist insoweit passiv, als er von sich aus den Zutritt von Schallwellen in sein 0hr nicht regulisrsn kann. Er ist abar imstande, sich nicht auf das Gehfirte zu konzentriersn. Dahar bedarf as einer gswisssn aktivsn Barsitschaft, eines Willans zum Zuhfirsn, damit er das Hfirspisl auch wirklich vsr- nimmt. Zum Gshfirtsn lisfsrt er dann salbst noch sinen Bai- trag, der aus Bswusstem und Unbswusstsm, Willkfirlichem und Unbeabsichtigtsm, Denken und Ffihlsn, Vorstellen und Assozi- iersn, Konzsntrisrsn und Phantasisren bastsht. Diese Akte geschehsn in seinem Innsren und gsbsn dem HfirSpiel sins sin- malige, lebsndige, individualls Vollsndung, lassen as auf einer "innersn Bfihne" abspielsn. Das auf diess Weiss erlebts Hfirspisl muss in seinem Ur- sprung nie real oder Abbild einer Rsalitfit sein, wobsi "Rsa- litfit" mit der Bedeutung von "Gegenstfindlichksit" und "Ding- haftigkeit" gebraucht wird. Es muss untsrschisdan werden, dass das HBrSpiel im Entstshen sinerseits nicht Darstellung von Rsalsm ist, was aus dem schon oben Gesagten abgsleitst werden kann, und dass andsrsrssits sein Handlungsablauf und seine Personen nicht den Gssetzsn dss Rsalsn untarworfen sind, was Spfiter noch ausgsffihrt werden soll. Das schlissst abar nicht aus, dass es ffir den Zuhfirer Wirklichksit besitzt und zwar sins Wirklichksit im phiIOSOphischen Sinn, in dem sis 29 das Wirken beinhaltst und in dem sis dsr Mfiglichkeit gsgen- fibsrgsstsllt wird. Das HfirSpisl ist daher keins "Abbreviatur dsr Wirklichkeit", 28 anffihrt. Die Abbreviatur besteht beim wie Schmitthsnnsr HfirSpisl in der Anschaulichkeit. Wahrnahmungsn werden zumsist mit mehrarsn Sinnsn oder allen Sinnsn zugleich gsmacht, wfih- rend das Hfirspisl nur sinen Sinn, das Gshfir, in Anspruch nimmt. Das Ausschlissssn aller anderen Sinne und dsr Umstand, dass die Wahrnehmungsn dss GahBrs salbst dsr Rsalitfit entbehrsn, verlangen gsradszu nach dem Gsbrauch von Irrealsm und Irratio- nalem im Hfirspiel. Wirklichkeit erlangt es beim Hfirer in einem ihm sntsprschsn- den Ausmass, das von seiner Aufmerksamksit und dem Einsatz ei- gsner innersr Akte abhAngsn wird und das es zu einem ihm gs- mASssn Gssamtsrlabnis machan. Dis vom Hfirer verlangts Konzentration und seine gsistige und ssslischa Aktivitat kfinnsn nicht fiber sine lange Zeitspanns bsibehalten werden, weshalb das Hfirspisl kurz sein muss. Die- se Kfirzs ist noch von anderen Ursachsn abhangig, von denen sine wohl auch in dsr Schnsllsbigksit unssrer Zeit begrfindet sein mag. Zu dieser Eigsnheit dss HfirSpisls als Kurzform kommt sins waiters hinzu, nfimlich dis Mischform. Beide Formsn gab es in dsr Gsschichts dsr Literatur schon vor dem Auftrstsn dss Hfir- spisls. In der Romantik wurde z. B. schon bswusst varsucht, 28 Hansjfirg Schmitthsnnsr (Auswahl und Nachwort), Draizehn Euro Hische Hbrs isle, (R. Piper & Co. Vsrlag; Mfinchen, 1962). 396. Im weitsren als Schmitthsnnsr, Hfirspisls bezeichnet. 30 Elements dsr verschisdsnsn Gattungsn in einem Wsrk zu vsrsini- gen und um die Jahrhundsrtwsnde und im 20. Jahrhundsrt scheint sich das Mischsn dsr Formsn besondersr Belisbthsit zu srfrsuen. Von vielen mfiglichsn Bsispielsn ssi hier nur auf das lyrische Drama Hofmannsthals verwiassn und an die lyrische Epik Rilkss srinnert. Als Vsrtretsr dsr Kurzform wurdsn bersits Novella und Kurzgsschichts angsffihrt. Das HfirSpisl wird stats dis bei- dsn besondersn Merkmals, dis Kfirze und das Vsrsinigen mshrsrsr Formsn, aufwsissn. Im Verglaich mit Drama, Epik und Lyrik wurdsn bersits gs- msinsams oder untsrschisdliche Zfigs dss Hfirspisls mit ihnen herausgsstellt. An dieser Stalls soll noch betont werden, dass nicht das Uberwiegen einer Gattung dsr Beurtsilung zu- grunds gelagt werden soll, sondern vielmshr dsr harmonischs Zusammsnklang aller Tails. Dis Ahnlichksitsn des Hfirspisls mit Drama, Epik und Lyrik kfinnsn sich sowohl in Form und Aufbau, als auch im Gshalt er- ksnnsn lassen. Ssin Gshalt beruht vor allem auf dsr Art und dsr Intensitat seiner Aussaga, dis der dsr Lyrik ahnlich sein sollte. Sis sollte das Innsrs dss Msnschen betrsffsn, abar nicht als subjaktivs Aussaga dss Dichters, sondern allgsmsin Msnschlichss anrfihrsn. Dis Anwendung mehrarsr Formsn und die Bsrficksichtigung dsr Rundfunktschnik kfinnten das Hfirspiel in den Vsrruf bringsn, Stfickwsrk zu sein, wenn as ihm nicht gelingt, alle seine Kom- Ponsntsn zu einer neuen Einheit zusammenzuffigsn. Als eigen- Btflndige Form mit einer gfiltigsn Aussaga darf ss sich bei dsr 31 Darstellung nicht an die ngsln dsr anderen Kunstformen hal- ten. Die Gestaltung dss Hfirspisls wird ststs von seinem In- halt ausgshen und ihm angsmsssen sein mfissan. Die kurze Zeit seines Bestehsns rsicht kaum aus, von einer Tradition dsr Hfirspisldramaturgis zu sprechen. Auch ist das Hfirspisl immer noch sntwicklungsfflhig, sodass dis Inszenisrung eines einzelnen keinsm fasten Schema folgen kann. Dam Ein- fallsreichtum dss ngisssurs sind nur Grsnzsn gssstzt von dsr Ides, dam Thema dss HBrspisls und von dsr akustischen Dar- stellbarksit. Die bestshsndsn ngsln ffir dis Dramaturgia mfis- sen mit Jsdem nsusn Hfirspisl variisrt und erwsitsrt werden. Nicht sis, sondern die Gssamtwirkung dss HfirSpisls wird als Basis ffir seine Beurtsilung in Frags kommsn mfissen. C. IRREALES IM HORSPIEL I. "Irreal" im Sprachgebrauch und in dsr Anwendung auf das Hfirspiel Im allgsmsinen und im philosophischen Sprachgebrauch gilt das Wort "irreal" als das Gegenteil von "real." Dsmnach muss bei seiner Definition die Bedeutung von "real" mit einbezogsn werden. Das Rsals wurde schon im Sinne von Dinghaftigksit und Gegenstfindlichkeit angewsndet. In dieser grundsfitzlichen Auf- fassung soll es weitsrhin gebraucht werden. Irreales ist also nicht dinghaft oder gsgsnstfindlich. Das Rsals umgibt den Msnschen, er salbst gshfirt ihm zum Teil an, und es wird von seinsn Sinnen erkannt. Die Bestand- tsile, die die Rsalitfit ausmachsn, sind mfiglichsrwsise sinmal sntstandsn, haben sich im Laufs dsr Zeit verandsrt, verlisrsn vielleicht sinmal ihre gsgsnwartige Form und auch an Substanz- haftigkait. Diese Vorgfinge geschehsn im natfirlichsn Ablauf dsr Zeit, in dem dsr Absnd dem Morgen folgt und das Hsuts dam Gsstsrn. Im Bereich dss Irrealen ist diess zsitlicha Folgs nicht notwsndig; das Irraals braucht keins chronologische Zei- tsnfolge ffir Entstshen, Vsrfindsrn und Vsrgshsn sinzuhaltsn. Auf das Hfirspisl fibsrtragen bedsutst das, dass es durch ssinsn Antsil an Irrealsm in dsr Lags ist, Zeit willkfirlich zu handhabsn. Es braucht Vorgange nicht in ihrem normalsn zsitlicdisn Ablauf zeigen. Weitsrhin bedsutst es, dass es Var- 32 33 gangsnes und Zukfinftigas in das Gegsnwfirtigs sinblandsn kann. Das gsschisht z. B. in Gfintsr Eichs Hbrspisl "Dis Anders und ich" auf sins Weiss, dass ngsnwart, Vergangsnhsit und Zukunft nicht aussinandsrgshaltsn werden kbnnan. Auch kann das Hfir- spiel die Gsschshnisss dss Rsalsn zsitlich raffan oder aus- dshnsn. "Dis ffinf Sskundsn dss Mahatma Gandhi" von Walter Erich Schfifsr ist ein Beispiel ffir Verlfingsrung dsr Zeit. In "Dis Hsimkshr" von Pater Hirchs dagsgsn wird das Laban sinsr Flfichtlingsfrau aus Schlesisn innerhalb einer relativ kurzsn Zeit dargsstsllt. Von diesen drsi Hfirspislsn wird an andersr Stella noch die Reds sein. Ahnlich wie bei dsr Zeit setzt sich das Hbrspisl auch fiber dis realen ngsbenhsitsn dss Raumss hinwsg. In dsr Realitat haben ngsnstands und stswessn ihrsn bestimmten Platz. Der Mensch kann sis darin wahrnehman, und wenn sis sinen anderen Platz einnshmsn, wird sr diess Bswegung wahrnshmsn und ihre Mittel srksnnsn, wennglsich nicht immer wisssnschaftlich er- klarsn annsn. Gewohnhait und Erfahrung rsichsn meistens aus, Mittel und Gsschwindigkeit dsr Fortbswsgung oder Ortsverfinds- rung beurteilsn zu kfinnsn. Ungswfihnlich wird as sein, wenn Dings nicht ihrsn angsstammten Platz sinnshmen und wenn zwsi ngsnsténds plfitzlich vsrsint sind, die nach msnschlichsm Er- mssssn vonsinandsr gstrsnnt sein mfisstsn. Jedoch das Irreals_ srmfiglicht es und das HBrSpiel bedisnt sich dessen. Aucli das Vsrhaltnis zwischsn Zeit und Raum folgt im Hfir- Spiel rricht den Gesstzsn dss Rsalsn. Hisr werden Fortbsws- Sung unxi Ortsverandsrung stats mit einer bestimmten Zeitdauer 34 in Vsrbindung gsbracht, dis meistens auch auf Grund von Erfah- rung mehr abgaschAtzt als gsnau bsrschnst wird, dort wird dsr Wag nur mit Hilfs von akustischsn Mittaln zurfickgelsgt. Da- har stimmt dis dazu bsnfitigts Zeit nicht mit dsr in der Reali- tfit gsbrauchtsn fibersin, und die Bswsgung kann also ungswfihn- lich schnsll oder langsam vonstattsn gehsn. Das HfirSpisl kann Szenen, die in vsrsshisdensn Rfiumsn apislsn, glsichzeitig oder unmittelbar nsbsnsinandsr darstsllen und den Schauplatz ohne Rficksicht auf Zeit wschssln. Von diesen Mfiglichksitsn machan visls HfirSpisle Gsbrauch. Ein Beispiel, "K10pfzeichsn" von Heinrich Bfill, zsigt sin standigss Wschseln von einem Raum zum anderen. Dar Hbrsr wsiss zwar, dass die Zuchthausszsnsn nur in der Erinnsrung dss Mannss vor sich gehen, abar sr erlebt sis mit ihm, als ob sis Gegen- wart und Wirklichksit ssisn. Dis Erinnsrung fibsrkommt den Mann am Absnd vor dsr Erstkommunion seiner Tochtsr besonders lsbsn- dig, da er im Zuchthaus die Bskshrung und Beichts eines ur- sprfinglich Unglaubigsn durch Klopfzsichsn vermittelt hat. Ssi- na Zslls lag zwischsn dsr dss unglaubigsn Julius und dsr eines Prisstsrs. Alla rsligiBssn Handlungsn waren von dsr Zuchthaus- vsrwaltung vsrbotsn wordsn. Dis Bestrsbungsn dss Julius wur- dsn bekannt, und bsvor sr noch kommuniziersn konnte, wurds sr hingsrichtst. Dis Ewan trifft Vorbsrsitungsn ffir das Fest dsr Erstkommu- nion und.dis aus dsr Kfichs kommsndsn Gsrfiuschs werden ffir den Mann zu ‘bedautungsvollsn KIOpfzsichsn. Manchmal hfirt er das Klofen aaich, WQhrsnd er mit seiner Frau spricht, sodass dis beidan Imakailtdten glsichzeitig gsgsnwértig sind. 35 II. Die irraalan Median dss Hfirspiels Irrealitfit dsr Sprache Es kfinnts singswandst werden, dass die Msrkmals dss Irrea- len, dis Zeit und Ort betrsffsn, auch ffir Drama und Buchlek- tfirs Gfiltigkeit bssfissan, dsnn bsi beidan sntSpricht dis Zeit dss Eindrucks und dss Wahrnshmsns nicht dsr Zeit, die die rea- len Dings zum Verfindsrn oder Fortbewagsn tatsfichlich bsnfiti- gen. Wahrsnd im Theater vsrsucht wird, sis sichtbar darzu- stsllsn, und im Bush, sis spisch zu bsrichtsn, kann das HBr- spiel Assoziationsn beim Hfirer srwarten, dia dsrartigs Mittel srfibrigsn. Seine Szenen kbnnsn Sprunghaft, ohne Ubergang oder skizziert nsbsnsinandsrgssstzt werden und dsnnoch verschmelzsn sis beim Hfirsr zu einem Ganzen. Ohne zu vsrsuchsn, sin gs- trsuss Abbild dss Rsalsn zu schaffen, vsrmag das Hfirspisl durch ssins irraalan Mittel zu wirksn: Sprache, Musik und Gs- réiusch. Dis Sprache ist an sich nicht Realitfit in dsr hier gebrauch- tJen Auffassung. Sis wird von realen Dingen srzsugt und das Ge- szirochsns kann sich auf Schildsrung von Rsalsm bszishsn, dem sisne spischs Beschrsibung am nachsten kams. Sowohl beim Spre- cnzeri, als auch beim Hfirsn wird Individuallss hinzugeffigt, so- dass das Rsals, worauf sich dsr Sprechsr beziaht, nicht mit der‘ karstsllung dss Hfirsrs fibersinstimmt und zwsi verschiedene Wirklichkeitsn in ihrem Innsren bestshsn. Disss Unmfiglichksit einsr' ZYbsrsinstimmung gibt dem Hfirspisl sins natfirlichs Grund- 36 lags, sins dem Rsalsn am nachstsn kommsnde Darstellung nicht erst anzustrsben. Es sollte vielmshr ausnfitzsn, was Sprache von sich aus vsrmag: Vorstsllungsn zu srwscksn, Assoziationsn, Phantasia, Erfahrung und Dsnkkraft in Anspruch zu nehmen. Disssr komplsxs Vorgang, den dis Sprache auslfist, schliesst such msnschlichs Ffihigkeitsn mit sin, dis dem Irrationalsn an- gshbrsn. Musik und Gsrfiuschs im Hfirspisl Noch mehr als dis Sprache wsndst sich die Musik an die ir- rationalsn KrAfts im Msnschen. Dsnnoch hatts sis in den frfi- hersn Hfirspislsn oft konkrsts Funktionsn zu srffillen, wie z.B. einzelne Szenen vonsinandsr zu trannsn. Wsnn Musik sins Grund- stimmung im Hdrspisl ausdrfickt, kommt sis ihrem sigsntlichsn Wsssn nfiher, so lange sis nicht konstruiert wirkt. Auch in ihrer Anwendung eines Motive oder eines Lsitmotiva sollte Mu- sik im Hfirspiel sublim sein. Gerflusche kbnnsn sbsnfalls sine Grundstimmung angsbsn oder lsitmotivischen Charaktsr im Hfirspiel besitzen. In den msi- stsn dsr frfiheren Hfirspislsn disnsn Gerauschs Jedoch vor allem dsr Ortsbestimmung. So sind z. B. in "Vsrwahte Spursn" von Hans Roths dis Sirens eines Dampfsrs, die Schifnglocks und sins Trillsrpfsifs diejsnigsn Gsrfiuschs, dis den HBrsr darfibsr aufklarsn, dass sich die sprachenden Psrsonsn auf sinsm Schiff befindsn. "Pfiff dsr Lokomotivs" und "RAdsrgsratter"29 bedsu- 29 Schwitzks, Sprich, damit ich dich sahs, 35 37 ten, dass die Sprechsndsn nun mit dem Zug rsissn. Roths lfisst hier das Gsrfiusch dss Zugss abklingsn und die Musik einer Tanz- kapslls find verschiedene Stimmen sinblsndsn, dsrsn Gssprfichs sindsutig das Trsibsn in einer Hotslhalls realisisrsn, bsvor er dis handslndsn Figuren wisdsr mit ihrer Stimme in Erschsi- nung trstsn lasst. Wahrsnd dss gssamten Hfirspisls wird diess Methods bsibshaltsn, dass Gsrfiuschs und nicht zur Handlung gs- hfirsnds Stimmen den Jewsiligsn Ort angsbsn. Roths tut noch sin fibriges und lfisst dis Konvsrsation dsr Psrsonsn auf den Ort bszishsn. Als Beispiel sollen die folgenden Ausschnitts aus Gesprfichsn disnsn, die nach dem Anlsgsn dss Schiffss in einem franzfisischen Hafsn und vor dsr Abfahrt dss Zugss nach Paris gsffihrt warden: Matross: Sis wollsn auch nach Paris? ... Den Nachmittagszug haben wir schon vsrsfiumt... Hoffsntlich wartst dsr Absndzug. Verschisdsns mannliche Stimmen: Zum Ausstsigsn bsraitmachsn! Sind Sis GspAthrfigsr? ... Nicht drangen1 Der Zug wartst... Mutter: Komm, sonst werden unssre Plfltzs im Zug besetzt. Stimme: Zum Zug nach Paris bitts basilen! Igna: Nummsr drsi - das ist unssr Wagen.... O Produzsntsn frfihsrsr Hfirspisle mussten sich, da ihnen dsr Gsbrauch von Bandaufnahmsn versagt war, mit dem Problem aussin- andsrsstzsn, wie sis sine mbglichst naturgstrsue Ubsrtragung von Gerfiuschen zustande bringsn kfinnsn; d. h., sis mussten sin Gsrfiusch erzsugsn, das dem am nfichstsn kam, wslchss beim rea- lsn Gsschshen sntstand, und das dis grfissts Wahrschsinlichksit bot, dass sich die Vorstsllung dss Hfirsrs mit der Rsalitfit dsckts. Darin lag schon sins gewisss TAuschung, sin Abdndsrn dss Rsalsn. Darfibsr hinaus bastand dis Schwisrigkeit, dass 3O Schwitzks, Sprich, damit ich dich sshs, 34 38 sich diess vorgstAuschtan Gsrfiuschs nicht sindsutig identifi- zisrsn lisssen. Ein hfiufig gebrauchtss quisit, das Raschsln von Staniolpapisr vor dem MikrOphon, kann z. B. als Feusr oder als Rauschsn dss Wasssrs vernommsn werden. Es muss also durch waiters Gsrfiuschs oder durch srklarands Worts gsksnnzsichnet werden, wie Roths es mit anderen Gsrfiuschan in dem oben gs- nanntan HfirSpial durchffihrt. Absr das Bsstrsbsn war, dem von den realen ngenstfindsn srzsugten Gsrfiusch mfiglichst glsichzu- kommsn. Hsuts sind diess Problems weitgshsnd gslfist durch die An- wendung von TonbAndsrn, die in den Archivan dss Studios bersit- lisgsn. Vom tschnischsn Standpunkt aus ware also sin gstrsues Abbild Jsdss Gerfiuschss dss Rsalsn mfiglich. Es schsint abar, dass guts HfirSpislautorsn und Produzsnten immer weniger von dieser Mfiglichksit Gsbrauch machan. Dis Hfirspislmusik hat sich inzwischsn von aller Stimmungs- malsrsi, das HBrspislgsrAusch vom Realistischen wsgsntwik- kslt. Das absr bedsutst, dass beids sich in gswissar Wai- se aufeinandsr zu sntwickeln mussten, dass das Gsrfiusch sich zur Musik hin sublimisrt, dis Musik sich zum Gsrfiusch hin konkrstisisrt hat. So hslfsn sis beids zum Wort hin, das ja sublim und konkrst ist, gswinnsn atwas wie "Wort- Charaktsr."31 Disses Zitat kfinnte lsicht den Eindruck srwacksn, dass sich Schwitzks besonders mit dem lstztsn Satz von seiner immer wis- dsr bstontsn Auffassung vom HBrSpisl als Wortkunstwerk sntfsrn- ts. Indsm sr Gsrfiuschsn und Musik Wortcharaktsr beimisst, rfiumt er ihnen glsichwsrtigs Aussagekraft wie dem Worts sin; diess Auffassung ffihrts in letzter Konssquenz zu Knillis For- fi— 31 Schwitzks, HBrspisl, 222 39 dsrung an das Hfirspisl als totalss SchaIISpisl. Schwitzks lshnt dies Jedoch mehrfach ausdrficklich ab. Dis Sprache beanSprucht dis Krfifts dss Vsrstandss und ragt glsichzeitig Vorgange im Untsrbswusstsn dss Msnschen an. Was bei dsr Sprache mitschwingt, was dsr Zuhfirsr mehr erpfirt als mit dem Vsrstands srfasst, das soll also such in Gsrfiusch ent- haltsn sein. So annts z. B. in dem Hfirspisl "Der Narr mit dsr Hacks" von Eduard Rainachsr das andauarnds Hacksn dss Mfinchs ankai als sein Kampf mit seinem Gawissen, als Abtragsn seiner Schuld, aufgefasst werden. Oder das KlOpfsn in Bfills "Klopfzsichsn" kann als Vorhandsnssin einer Macht gsdsutst werden, dis den Einzslnen in seiner parsfinlichsn Frsihait bs- drohsn, sis sinschrfinksn oder ihn ihrer beraubsn will; hier ist as dis Freihait dsr Glaubsnsausfibung. Dsr Vsrstand dss HBrsrs folgt wahrschsinlich in diesen beidan Hfirspislsn dem DialOg, wfihrsnd das Hackan und das KlOpfsn ihn an etwas ands- res srinnert, was sr wahrschsinlich nicht bswusst dsfinisrt. Hisr srhfilt das GsrAusch sins Eigsnschaft, die die Musik aus- schlissslich und die das Wort tsilwsise besitzt. Dsnnoch soll- te von dsr Musik nicht srwartet werden, dass sis den Vsrstand anSpricht, und sins Trennung zwischen Musik und Gardusch soll- te bestshsn bleibsn. Das Gsmsinsame, das beids mit dem Wort haben, sollte nicht "Wortcharakter", sondern vielleicht "Aus- sagskraft" gsnannt werden. Das Sublimieren von Gsrfiuschsn und das Konkrstisiersn dsr Musik im Hfirspisl muss nicht unbedingt als Bewsis daffir gal- ten, dass modsrns HBrspisls diess beidan Faktorsn nicht mit 4O dem Zwsck einer Ubsrtragung dss Rsalsn anwendsn. Sis haben vielmshr sins andere Bedeutung gswonnsn. Aus weitsren Ausffih- rungsn lasst auch Schwitzks spatsr srksnnsn, dass er dem Wort den arstsn Rang im HfirSpisl einraumsn will, dass Musik und Ge- rausch ihm untsrstsllt sein sollen, dass sis ssins Wirkung un- terstfitzsn, vsrstfirksn oder transponiarsn sollen. Um diesen Zwecksn zu disnsn, mfisssn Gerfiuschs nicht den realen Vsrhfilt- nisssn entsprechsn, kfinnsn sis sogar anderen als denen dsr Je- wsiligsn Situation dss Hfirspisls zugehbrigsn Bsrsichsn snt- stammen, sis kfinnsn elsktronisch srzsugt oder durch tschnische Mittel vsrfindsrt sein. Hisr soll noch darauf hingswisssn warden, dass im Grunds dis akustischsn Bestandtsile dss Hfirspisls infolga seiner Har- stsllung und Ubsrtragung durch dis Tachnik sine Verandsrung sr- fahren und somit schon von dsr Rsalitflt abwsichsn. Diese Ab- wsichungsn kfinnen von den Tachniksrn auch noch vsrstfirkt wer- den, wis aus den Ausffihrungsn fiber dis tschnische Produktion dss HBrspisls zu entnahmsn ist. Es lfisst sich annshmsn, dass im Hfirspisl im allgsmsinen und in dsr Anwendung von Gerfiuschn im besondersn sins stfindigs Aussinandsrsetzung dsr Autorsn und Produzsntsn mit dem Rsalsn stattgsfunden haben muss, die sich insofsrn vsrfolgsn lfisst, als sis sich immer waiter vom Rsalsn sntfernsn. Diese Tsndsnz steht in rsziproksm Verhfiltnis zur Entwicklung zum Kfinstlsri- schsn hin. Gelichzaitig srhisltsn dis Gsrduschs im Hfirspisl sins bestimmta Aussagskraft, dis Musik wurds auf sins verandsr- ts subtilsrs Weiss angewsndet. Beide Mittel kfinnsn glsichzei- 41 tig mit dsr Sprache auftrstsn, sis kfinnsn die Darstellung ir- realsr Zeit- und Raumvarhflltnisss srmfiglichsn und damit srrsi- chsn, was dsr Mensch in Wirklichksit auch vsrmag, nflmlich'mah- rere Krdft glsichzeitig bsanSpruchsn, srksnnsn und vsrstshsn, nicht nur mit Sinnen und Verstand allsin. Das glsichzeitigs Einsatzsn dsr vsrschisdsnsn Hfirspislsls- msnts birgt Gefahrsn in sich. Es muss vsrmiedsn warden, dass sis den Hbrsr vsrwirrsn. Dahar sind dsr Darstellung von Irre- alsm gewisss Grsnzsn gssstzt, dis darin bestshsn, dass oft glsichzeitigss Gsschshen im realen Nachsinandsr gsbracht war- den muss, oder absr mfisssn dis Mittel so gswfihlt werden, dass sis auf sinmal wahrgsnommsn werden kfinnsn. III. Brecht - Borchert - Eich Dis Aussinandsrsstzung mit dem Rsalsn und die Abkehr davon lassen sich kaum chronologisch oder systematisch verfolgsn, da dis positive aufstsigsnds Entwicklung dss HfirSpisls ssit ssi- nsm Bsstshsn bis stwa 1930 zum Stllstand kam und durch den Bs- ginn dss zwsiten Weltkriegss vfillig abgsbrochsn wurds. Eines dsr lstztsn bsmsrksnswsrtsn HBrSpisle war "Das Varhfir dss Lu- kullus" von Bertold Brecht, das 1940 von Radio Bsromfinstsr gs ssndet wurds. Vials dsr VorkrisgshfirSpiels bsmfihsn sich, dramatischs Wirk- lichksitstrsus zu bringsn. Einzslne abar badisnsn sich schon dsr Elements dss Irrealen und Irrationalsn und manchs von 3e- nsn HbrSpislsn srlangten kfinstlsrischs Qualitét und Bestandig- 42 ksit. Irreales soll in "Das Vsrhfir dss Lukullus" nun aufgs- zsigt und glsichzeitig damit dis Vsrbindung zur Hfirspislsnt- wicklung nach dem Krisge hsrgsstsllt werden. Der im sten so srfolgrsichs rfimischs Fsldhsrr Lukullus wird vom Totsnrichtsr vsrhfirt. Er muss srksnnsn, dass er im Totsn- rsich nicht so rsspsktiert wird, wis er as zu stzsitsn auf Erdan gswohnt war. Die Toten, "dis Schattsn", zeugsn von ssi- nsn Tatsn, dis plfitzlich vor dem objaktivsn Richter alles Hal- dsnhafte verlisrsn. Es gilt nicht mehr sein Ruhm als Fsldhsrr, gswogsn warden nun ssins menschlichsn Taten. Absr wenig Gutss wird zugunstsn dss Fsldhsrrn auSgssagt, sodass dsr Totsnrich- tsr ihn ins Nichts vsrdammt. Dis Begrfindung disses Urtsils, "denn immer mit all dsr Gswalt und Erobsrung wachst nur sin Reich an: Das Reich dsr Schattan,"32 lasst ksinsn Zwsifel dar- fibsr, dass Brecht damit dis politischsn Zusténda Jensr Zeit an- prangsrts. Ubsrhaupt schsint dis gasamte Tsndsnz darauf aus- gsrichtst zu sein. Trotz dieser Bszfigs zur Rsalitét kann dsr Wahl dss Schau- platzes und dsr Handslndsn - Schattan im Totsnrsich - als Bs- wsis ffir das Irreals in diesem HfirSpisl angsffihrt warden. Lu- kullus vsrlangt als FfirSprachsr den Fries auf seinem Grabmal, auf dem sein Triumphzug dargsstsllt ist. Sklavsn, von dsnsn gasagt wird, dass sis nur wsnig von den Toten trsnnt, bringsn ihn. Sis wartsn mit dem Fries an dsr Mausr bis sis dsr Totsn- richtsr ruft, und durch sein "Kommt!" werden auch sis zu Schat- 32 Schmitthsnnsr, HBrSpisls, 148» 43 tan. Nun trstsn die abgsbildstsn Figuren aus dem Fries und gsbsn Zsugnis. All dies ist mfiglich im irraalan Totsnrsich. Dann abar srschsint sins Rfickkahr zum Rsalsn, dis Mfidigksit dss Schattan Lukullus, dis Erschfitterung dss Schattan Fisch- weib, Mutter eines gsfallsnsn Kriegsrs, wie sin Kunstgriff, um sins Pause oder sinen stnsnwschssl zu begrfindsn. Odsr abar wird dadurch sins doppslts Irrealitat errsicht, indem das Rsale in das Irreals sinbricht. Eins Wisdsrgsburt, dis zugleich als Naugeburt aufgsfasst werden kann, srlsbts das HfirSpisl im Jahre 1947 durch Wolfgang Borsherts "Draussen vor dsr Tfir." Nsu war as insofsrn, als sich Borchert wedsr an Vorbildsr hielt, noch unmittelbar an das Vorkrisgshbrspisl anknfipfts, sondern mit diesem Hfirspisl etwas Eiganss und Einmaliges schuf. Dis hfirspisltypischsn Merkmals und Vorzfigs sollen hier nicht untarsucht werden. Wichtig ist nur, dass Irreales wisdsrum einer seiner Bestand- tsile ist. Backmann kshrt nach dem Krisgs und nach drsijfihrigsr Gsfan- gsnschaft in Sibirien nach Dsutschland zurfick. Er wsiss nicht, wo er bleibsn soll. Da Beckmann als vsrmisst gsgoltsn hat, lsbt seine Frau nun mit einem anderen Mann zusammsn. Ssin Kind kam bsi einem Bombsnangriff ums stsn und auch ssins El- tsrn sind tot. Das Hfirspisl beginnt damit, dass sich Bsckmann in dis Elbe stfirzt. Dis Elbe abar spricht zu ihm. In rscht dsutlichsn und dsrbsn Wortan macht sis ihm klar, dass sr noch nicht reif ssi ffir sins Selbstmord, und sis schwsmmt ihn wiedsr an Land. 44. Dan Sturz ins Wasssr beobachtst dsr "Besrdigungsuntsrnshmer mit dem Schluckauf," derSpfiter von dem "altsn Mann" als dsr Tod srkannt wird, dsr ssinsrssits in dem "altsn Mann" Gott sr- ksnnt. Spatsr srschsint dsr Tod noch sinmal, ffir Bsckmann in dsr Gestalt dss Strassenfsgars. Auch mit Gott spricht Beck- mann sinmal, dsr nur hilfloses Bedausrn fiber Krisg und Elsnd zeigen kann. Dis Elba, Gott und dsr Tod sind als Psrsonsn nicht real; dis Aussinadersstzungsn, dis Bsckmann mit ihnen ffihrt, gshsn abar manchmal um rsals Problems. Eins andsr Gestalt, die dsr Rsalitfit entbshrt, ist dsr "An- ders, den Jsdsr ksnnt," mit dem Bsckmann lange Dsbattsn ffihrt. Bsckmann ist vsrzwsifslt, Hunger, Kalts und Mfidigksit bsdrfik- ken ihn. Dazu kommt noch dis Schuld, dis sr sich gibt, an dem Tod von elf Soldatsn, woffir sr sich vsrantwortlich ffihlt. Sai- ne vsrgeblichsn Vsrsuchs, sins offene Tfir ffir sich und seine Problems zu finden, entmutigsn ihn und lassen ihn am Laban vsr- zwaifsln. Dar "Anders" ist es, dsr immer wisdar varsucht, ihm das Guts in den Msnschen zu zeigen und ihm Sinn im Lebsn fin- den zu lassen. Dar "Anders" kann srklfirt werden als die posi- tive Saits Bsckmanns, als dsr jsdam Msnschen sigsns Wills und Instinkt zum Weitsrlsben. Real wird diess Gestalt durch diess Erklarung Jedoch nicht. Von den anderen Gsstalten im Hbrspisl, die nicht visuall dargsstsllt werden kfinnsn, ist noch dsr "Einbsinigs" anzuffih- ran. Das "Tack-took" seine Krficken und seine dumpfs Art zu sprechen wirksn starksr als dsr Inhalt seiner Worts. Back- mann sisht ihn stats als Risss. 'Damit schsint sin waitersr 45 Bswsis daffir gsgeben, dass er nur in seiner sigsnsn Vorstsl- lung lsbt. Spfitsr, wenn Beckmann nach all ssinsn vsrgeblichsn Versu- ehsn, Anschluss an das normals sten zu finden, auf der Strasss sinschlflft, srschsinsn ihm im Traum alle Gsstalten dss Hfir- episls wisdsr. Alls sind nun nicht mehr real, und ihre Ge- sprachs sind nicht immer lOgisch auf die realen Bsgsbsnhaitsn bszogsn. Auch dsr Traum von dem blutigsn General und dam Kno- chsnxylophon, den er jade Nacht traumt, und den er dem Obarst srzahlt, ist in dem lstztsn grossen Traum vsrwobsn. Bsckmann bsschuldigt dis dsr Rsalitfit angshfirsndsn Psrsonsn, den Obarst, den Zirkusdirsktor und Frau Kramer, dss Mordss an ihm salbst. Von dieser Schuld auSgsschlossen ist die Jungs Frau, dis sich seiner annahm, als er nass und wsgsn seines stsifsn Bsinss hilflos am Ufsr dsr Elbe lag. Absr immer srschsint in ihrer ngsnwart dsr sinbsinigs Risss, dsr dann im Traum Bsckmann dss Mordss und dsr glsichsn Schuld bszichtigt wie dieser dis ands- ren. Ssin Schicksal glsicht dam Bsckmanns so, dass dsr "Ein- bsinigs" als Sinnbild ffir dis Schuld Bsckmanns angesehen wer- den kann. Dis Thematik disses Hfirspiels bshandslt dis menschlichsn Problems eines Mannes, dsr dis Krisgssrlebnisse nicht verges- ssn und nicht vsrarbsitsn kann. Nur sin Tail dsr Problems sntSpringt realen Vsrhaltnisssn. Disssr Mann steht in krasssm Gegsnsatz zu anderen Personsn wie zum Obarst, dem Zirkusdirsk- tor und Frau Kramer, die allem Anschein nach wsder materiells noch menschlichs Problems haben, dis dsr Krisg nur an dsr Obar- 46 flfichs berfihrt hat. Ihrs Glsichgfiltigksit, Satthsit, Zufris- dsnhsit und Ichbszogsnhsit scheinsn einem Wohlstand zu snt- springsn, den as im Jahre 1946, als disses HBrSpisl entstand, noch nicht in diesem Ausmass gab. Zu dieser Zeit warsn dis Eindrficks dss Krisgss noch frisch und Spfirbar. So srschsint dsr ngsnsatz zwischsn Bsckmann und den anderen Psrsonen wie sins PrOphstis von Zustfinden, dis sich erst nach dem Jahre 1948 immer starksr abzsichnsn. Und so ist das gssamts HBr- apisl such in Bszug auf jsns Zeit irrsal und bshAlt trotz dsr rsalistischsn aktuellsn Problematik durch dis irreale Darstel- lungswsiss seine Gfiltigksit. Nach diesem Hfirspisl konnts as keins kontinuisrlicha Weiter- sntwicklung gsbsn. Dis Autorsn mussten sntwsdar Borchert nach- ahmsn oder ihren sigensn Stil finden. Erst in den Jahrsn 1950 bis 1951 gslang dies Gfintsr Eich. Er hatts zwar schon vor dem Krieg Hbrspisls verfasst, da abar wsdsr Drucks von Jensn frfi- hsn HBrSpislen noch Kritiksn darfibsr zur Vsrffigung standen, kann hier ksin Urtsil gsbildst und sins avsntuslls Weitsrsnt- wicklung in Eichs Hfirspislsn nicht beobachtst werden. "Gah nicht nach El Kuwshd" und "Trauma" warsn dis beidan Hfirspisls von Eich, dis Pragsr veranlasstsn, von dsr "Gsburtsstunds dss HfirSpiels"33 zu Sprechsn. Tatsfichlich folgta dann sins Rsihe von kfinstlsrischen und literarisch bedsutsaman HBrSpislsn. Neben Eich bafasstsn sich auch noch andere Autorsn mit dem Hfirspisl, von denen ainige in dieser Arbsit angsffihrt werden, dsnn Irreales und Irrationalss machan sinen bsmsrksnswsrtsn 33 Schwitzks, Hfirspisl, 500 47 Bestandtsil in ihnen aus. Es soll absr erst vsrsucht warden, den irraalan Bestandtsil an sinigsn von Eichs HfirSpielsn her- auszufindsn. IV. Irreales in Hbrspislsn von Gfinter Eich Fastianus, Martyrsr Beim Lsssn von "Fastianus, Martyrsr" wird man zunfichst an Brechts "Das Verhbr dss Lukullus" srinnert. Hier ist dsr Schauplatz ein nichtchristlichss Totsnrsich, dort ist es dss Reich dsr Toten in christlichsr TerminOIOgis: Himmsl und Hfills. Ausser diesem irraalan Schauplatz und den irraalan Personsn haben dis beidan Stficka aber kaum noch etwas gsmsinsam. Der Mfirtyrsr Fastianus vsrmisst im Himmsl ssins Eltsrn und seine Freunds aus dem irdischsn Laban. Durch die Hilfs dss Hsiligsn Laurentius srhfilt er von Petrus dis Auskunft, dass sis alle in der Hfilla ssisn. Fastianus sucht sie dort, trifft sis an und srfahrt, dass sis, von ihm nicht bsmsrkt, auf Erdan Sfindsr warsn. Er will ihre grossen Leiden lindsrn und da er allsin und wahrend eines bssuchswsisen kurzsn Aufenthaltes ws- nig vsrmag, bsschlissst er, zu bleibsn. Seine Barmhsrzigksit vermindsrt dis Schmsrzsn dsr Vsrdammten nicht, abar sein frai- willigss Mit-Lsidsn ist schtss Martyrartum, das er auf Erdan nicht vollbracht zu haben glaubt. Dis Gsstalten disses Totenrsiches Sprechsn in Dialogsn, dis SiCh durchaus auf das Rsals bszishsn. Es klingt konkrst absr grotesk, wenn dsr Tsufsl sagt: "Rsvisr wars das gsnausrs Wort. 48 a Wie ss Rehbficks und Jagdpdchtsr haben. Auch Ansmonan."34, wéhrend es bsi Fastianus um den Entschluss gaht, ob er in dsr Hfills bleibsn oder in den Himmsl zurfickkshren soll. Dis Hfills ist in einer fiberstaigsrtsn Realitat dargsstsllt. Sis ist mit irdischsn Einrichtungsn vsrsshan, dis keinen prak- tischsn realen Zwsck haben. Es gibt z. B. Maschinsn, dis nur Lflrm und damit Qualsn arzsugsn. Das Hfirspisl arwsckt den Ein- druck, als ob Eich den Zuhfirsr in sins irreale Welt ffihrts, um ihm damit das Schrecklichs dsr realen Walt zu zeigen. "Dann war mfissta dis Erds vsrlasssn, um die Hfills kannsnzulsrnen?"35 Durch die Wahl dss Schauplatzss hat Eich die Voraussstzung dazu gsschaffsn, dass dsr natfirlichs Ablauf dsr Zeit keins Rol- ls spielt. Sis ist auch nicht von unmittelbarsr Bedeutung ffir das Gsschshen in diesem Hfirspiel. 0ft finden darin Auseinan- dsrsstzungsn mit menschlichsn Problemen statt, dis an keins Zeit gebundsn sind. Mit dsm Schauplatz in diesem Hfirspiel wird auch gszsigt, dass Zeit an sich nichts Rsalss ist und dass sis erst durch das Mssssn mit Instrumentsn und durch dis Wichtigksit, dis ihr dsr Mensch beimisst, ffir ihn sins gewisss Rsalitat erlangt. Er will bestimmta Lsistungsn in einer ba- stimmtsn Zeitdauer vollbringsn, abar im HBrSpisl heisst as: "... gibt die Zeit und gibt sis nicht. Paussn und keins Pau- n36 sen. Un dsr Tsufsl sagt, dis Hblls ssi ohne Dauar und meint 34 Eich, Stimmen, 323 35 Eich, Stimmen, 295 36 Eich, Stimmen, 301 49 damit, dass sis sndgfiltig ssi. "Zeit ist sin Irrtum"37 ist sins waiters Bsmsrkung dss Tsufsls, dsr damit deutlich gsnug sagt, dass nur dsr Mensch ihr Rsalitfit zuschrsibt. Die Brandung vor Satubal Ein anderes Stfick Gfintsr Eichs, "Dis Brandung vor Sstfibal," befasst sich, wie auch das vorharige, mit historischen Psrso- nan. Obglsich dsr portugissischa Dichter Luiz Vaz ds Cam6ss nicht auftritt, Spialt er sine wichtige Rolls in diesem Hbr- spiel. Wdhrsnd das vorhsrigs Hfirspisl Jsdsrzait nach dem Tods dsr Heiligen handsln kbnnts, also zsitlich zismlich unbsstimmt ist, liegt bei diesem die Zeit fest. Cam6as lsbts von 1524 bis 1580, das Datum seines Todss ist im Hfirspisl als dsr 10. Juni angsgsbsn und beruht auf historischer Richtigksit. Dis Handlung beginnt zehn Jahre nach dem Tods dss Dichters. Seine einstmalige Geliebte, Donna Catarina, war frfihsr Hof- dams und ist nun schon ssit 27 Jahren in dsr Verbannung in Se- tfibal. Sis lsbt in einer besondersn, nur ihr eigenan Welt, die mit dsr realen Welt ihrer Umgsbung nur gsrings Vsrbindungsn hat. Dis Stadt Setdbal liegt am Atlantischsn Ozsan und es wa- rs mfiglich, dass Donna Catarina das fortwfihrsnda Rauschsn dsr Mesresbrandung tatsfichlich hfirt. Ihr Disnsr Pedro und die Zo- fe Rosita abar hbrsn sis nicht, sodass es sich bei dsr Harrin wahrschsinlich nicht um sins akustische Wahrnshmung handslt. Vialmehr ist sis nur in ihrer Vorstsllung und soll wohl symbo- lisch sein ffir sin Gsffihl Catarinas. Visllsicht ist as such 37 Eich, Stimmen, 301 so 1 sins Ahnung von dsr Ndhs Gottss, dis sis, ohne as zu wisssn und zu wollsn, mit dem Gerausch vsrbindst. Wsnn sis spfitsr von ihrer Raise nach Lissabon psstkrank zurfickkshrt, bsmsrkt sis, dass man dis Brandung schon hBrs, bsvor man nach Setubal komms. Mit Rosita, dis sis baglsitst, ist inzwischsn sins Vsr- finderung vorgsgangen und sis antwortst darauf, man hfirs sis schon lange vorhsr. Sis haben beids srfahrsn, dass es Wahr- hsit und Lisbs wirklich gibt. Vor ihrer Raise zwsifslt Donna Catarina am Tod dss Dichtsrs Camfiss, von dem es heisst, dass er an dsr Pest gsstorben ssi. Sis hat diess Kunds hingsnommsn, ohne sis in ihrer objsktivsn Rsalitfit zu srmssssn und sis nur als psrsbnlichs Wirklichksit zu srlsbsn. Sis trank ladiglich Rotwsin, lisss sich von Rosi- ta Gedichts von Cam6ss vortragsn und lauschts dam imaginfirsn Rauschsn dsr Brandung. An dam Morgan, an dem dis Handlung dss Hfirspisls sinsstzt, srksnnt Catarina ihre wenigan Bszishungsn zur Rsalitfit. Anlass dazu gibt dis Tasss mit dem Lilisnmustsr, aus dsr sis taglich ihrs Morgsnschokolads trinkt, obwohl sis stats nach dsr Tasss mit dem Rossnmustsr verlangts. Nun sr- ffihrt sis, dass diess schon ssit sieben Jahren zerbrochsn ist. Daraus folgsrt sis, dass sis auch hinsichtlich dss Todss ihrss Gslisbtsn gstduscht wordsn ist. Von nun an glaubt sis daran, dass er am stsn ssi, und sis baschlissst, ihn zu suchsn. Mit dem Disnsr und dsr Zofs bricht sis zu sinsr Raise nach Lissa- bon auf. Untsrwsgs srfahrt sis von einem Wirt sinigas fiber Camfiss, dsr sinstmals sein Rsisskumpan war. In dsr Stadt spricht sis mit seiner Mutter und mit seinem frfihsren Disnsr. 51 Die Aussagsn dieser Psrsonsn gsnfigsn Catarina nicht als Bswsis ffir den Tod dss Dichters, abar vorlaufig akzsptisrt sis auch dis Mfiglichksit noch nicht. Nun baut sich Catarina sins ande- rs, absr wisdsrum sigsns Welt auf, die wiedar dis rsale nur tsilwaise sinbszisht. Dass Cam6ss dis Past hatts, genfigt ihr nicht, und sis ist sich sicher, dass er noch lsbt. In dsr rs- alsn Walt gibt es den Tod, dem Catarina noch nicht bagsgnst ist, und vor dem sis noch Angst hat. Erst nachdsm sis den to- tsn Kfinig gssshsn hat, dsr an dsr Pest gsstorbsn ist, und sis in Lissabon, wo wiedar sins Psstspsdsmis ist, salbst an dsr Past srkrankt, glaubt sis an die Existsnz Gottes, an den Tod und verlisrt glsichzeitig dis Angst vor ihm. Catarina hat nach CamBss gssucht und sis findet zu ihm, indem dis Rsalitat ffir sis zur Wirklichksit wird. Mit ihr findst sis auch die Wahrhsit. "War mit dem Entsstzlichsn gut Freund ist, kann ssi- nsn Besuch in Ruhs srwartsn."38 Allah hat hundert Namsn Ebsnfalls auf dsr Suchs sind die Msnschen in einem weitsren Hbrspisl von Gfintsr Eich, nfimlich in "Allah hat hundert Namsn." Bishsr sind 99 Namsn von ihm bskannt, gesucht wird nach dem hundertstsn Namsn Allahs, dsr an sich nichts Rsalss ist und dam Wisssn dss Msnschen ffir immer vorsnthaltsn bleibsn soll. 38 Gfinter Eich, "Batrachtst dis Fingerpitzsn," Botschaften dss ngsns, (Suhrkamp Verlag; Frankfurt am Main, 1955), 46. Im weitsren als Eich, Botschaftsn bezeichnet. 52 Eins Stimme schickt sinen Jfingling zu Hakim, um nach diesem Namsn zu fragsn. Hakim bsrichtst von ssinsr Suchs, als er sslbsr sin Jfingling war. Er und seine Frau wurdsn dabei eben- falls von einer Stimme gslsitet. Sis nahmsn an, dass as dis Stimme dss Pr0phstsn war, die zu ihnen Sprach. Dsshalb folg- tsn sis ihren Anweisungsn, die sich meistens auf rsale Dings bszogen, ohne sich zu vsrwundsrn, sins kfirpsrloss Stimme zu h8- rsn. Diese lsnkta das Laban Hakims und seiner Frau Fatima. Sis bswirkts, dass sich die Ehslsuts fanden und hairateten; dass sis sinen Fischhandsl betrisben, dsr sich zu einem gut gshanden grossen Gsschfift sntwickslts; dass sis dadurch rsich wurdsn; dass Hakim merkwfirdigs Absntsusr in Paris erlebts; dass sis allen Bssitz vsrlorsn und zum Schluss als Hausmsister und Putzfrau in dsr figyptischsn Botschaft arbsitstsn. Eins Stimme, die von einer nichtsxistsntsn Person kommt, ist irreal, 3a sogar irrational. Der Jfingling, Hakim und ssi- ns Frau folgen ihr trotzdsm. Sis suchsn zwar etwas Irreales abar sis finden nur Rsalss. So bskommt Hakim z. B. in Paris sin Paar grfins, handgsmachts Schuhs, Fatima kauft Kfihlautos und Flugzsugs ffir den Fischhandsl und anderes mehr. Den Namsn dss Pr0phstsn srfahrsn sis absr nicht, auch nicht in dem lstz- tsn Satz, dsn seine Stimme zu Fatima spricht: "O, Wundsr aller Wunder, das nis Gehfirts ist sins Dattslpalms."39 Hakim dsutst dem Jfingling an, was dsr hundertsts Name Allahs ist: Er ist nicht aussprschbar, sr ist keins Bszsichnung ffir sinen realen Gegenstand, die realen Dings dsr Welt halfsn Jedoch, ihn zu 39 Eich, Stimmen, 107 53 sshsn, hfiren und zu varstshsn: "Im Ruf eines Vogsls und im Blick dss Kindss, in einer Wolke, einem Zisgslstsin und im "40 Sslbst aus dem Glanz dsr Trappe, dis Schrsitsn dss Kamsls. Hakim fegsn muss, fibersstzt sr den hundertstsn Namen Allahs. Ein Gsdicht von Gfintsr Eich gibt waiters Aufklarung darfibsr: Nachts hfirsn, was nis gahfirt wurds: den hundertstsn Namen Allahs, den nicht mehr aufgsschrisbsnsn Pauksnton, als Mozart starb, 41 im Muttsrlsib vsrnommsns Gssprfichs. Disses Hfirspial ist typisch und sin gssignstss Beispiel ffir das frfihsr Erwfihnts, dis ffir Hfirspisls im allgsmsinen gsltsn- dsn Bsobachtungsn, die das Irreals in Bszug auf Wschsel dss Schauplatzss, Bszishungsn zwischsn Raum und Zeit bstrsffsn. Auffallsnd ist das unbekfimmsrte Vsrlsgsn dsr Handlung von einem Schauplatz zum anderen. Hakim srzahlt, auf dsr Trapps dsr Bot- schaft in Damaskus sitzsnd, dem Jfimgling sein Laban. Diese spischsn Passagen werden ohne Ankfindigung von meistens durch den Bericht singslsitstsn dramatisch dargsstslltsn Szenen un- tsrbrochsn. Bevor dsr Bericht fortgesetzt wird, verlangen dis ngisanwsisungsn Jewsils "Raumwschssl." An diesen Stellsn soll dis Akustik stats die glsichs sein. Sis ist nicht gsnausr ds- finisrt und es bleibt dem ngisseur fibsrlassen, auf wslche Wei- ss er beim Hfirsr akustisch dis Vorstsllung dss Treppsnhausss in dsr Botschaft bswirkt. Ganz vsrsinzslt sind in diesem Hfir- spiel Gsrfiusche vorgsschrisbsn, dis von rsalsm Gsschshen sr- zsugt warden: Wenn Hakim den Laden dss Schuhmachsrs in Paris “0 Eich, Stimmen, 110 41 Eich, "Nachts,9 Botschaftsn, 62 54 betritt oder vsrlasst, klingslt dis Ladsnglocke; in Restaurant tritt dis dicks Kfichin Janina auf: "Sis betritt prustsnd und fichzsnd dis stns. Ihr Auftritt glsicht dam eines asthmati- schsn Elsfantsn."42 Das Aufstosssn und Zuschlagsn von Tfirsn sind waiters Angaben, die das Akustischs bstrsffsn. Sonst wird dsr jeweiligs Ort nur auf allgsmsins Art angsgabsn, wie z. B. "Im Zimmsr" odsr "In dsr Herbsrgs." Um sins Vorstsllung von "Haus in Damaskus" oder "Strasss in Paris" akustisch zu bswsrk- stelligsn, wAren wahrschsinlich zu visls rsale Gsrduschfibsrtra- gungsn srfordsrlich, sodass dsr Hfirsr dem Vsrlauf und dam Sinn dss Hfirspisls nicht mehr folgen annts. Dsrartigs GerAuschs sind absr gar nicht notwsndig, dsnn dsr Schauplatz ist stats im Bericht oder in den Sfitzsn dss Dialogs geschickt singsflochtsn, und an manchsn Stallsn ist es auch nicht nfitig, sich sin Gs- sprfich an einem bestimmten Ort vorzustellsn. Dis MAdchsn aus Vitsrbo Umgekshrt ist das nAChsts HfirSpisl von Eich aufgsbaut, "Dis MHdchsn aus Vitsrbo." Eine rsale Handlung, deren Ort und Zeit angsgsben sind, wird untsrbrochsn von imaginfirsn Handlun- gen. Dis rsale Handlung dss HfirSpisls beginnt im Jahre 1943. Der Jude Goldschmidt und seine sisbzshnjahrigs Enkslin Gabriele haltsn sich schon ssit drsi Jahren in einem Zimmsr in Berlin vsrsteckt. Die Witws Winter vsrmistst es ihnen und vsrsorgt 42 Eich, Stimmen, 84 55 sis. Dis sinnlichsn Wahrnshmungsn Gabrislss bsschrfinksn sich auf die Wohnung dsr Witws Winter, in der sis sich nur am Absnd bswsgsn kann, nachdsm dis Bssitzsrin von dsr Arbsit nach Hausa gskommsn ist, hauptsAChlich abar auf ihr Zimmsr. Sis ist ausssrdem noch zu jung, um von Erinnsrungsn lsbsn zu kfinnsn. Dahar fibsrkommsn sis oft Zweifsl an einer Welt ausssrhalb ihres Zimmsrs und an deren Wirklichksit. Ohne sinnlichs Eindrficks fdllt ss Gabriele schwer, an die Rsalitdt ausssrhalb dss Zim- msrs zu glauben und sis wsiss nicht mehr gsnau, ob es dort "Baums" gibt und sin Tier, das den Namen "Maulwurf" trfigt. Dis imaginfirs Handlung wird von einem Bericht in einer al- tsn Zsitschrift ausgslfist, dsr besagt, dass sins Klasss von Schfilerinnsn aus Viterbo mit ihrem Lehrer sinen Ausflug nach Rom machts, die Katakombsn aufsuchts, sich darin vsrirrts und nicht mehr gsfundsn wurds. Grossvatsr und Enkslin arlebsn nun das Schicksal dsr Mfidchsn in den Katakomban. Dis srste Versi- on wird von Gabriele zu einem glficklichsn Ends gsbracht, indem dis Mfidchsn gsfundsn werden infolga sinsr fibersinnlichen, sug- gestiven Gsdanksnvarbindung, die die Frau dss Lshrsrs und dsr Freund eines dsr MAdchsn aufnehmsn. Es ist bsinahs sin Wundsr, und Gabriela scheint sich durch diess irrationals Wendung fiber ihre sigsns rsale Situation und fiber dis daraus srwachssnds Angst wsgtauschsn zu wollsn. Trauma und Vorahnungsn dss Grossvatsrs werden durch den Bs- richt dsr Frau Winter zur Gswisshsit. Sis hat namlich srfahrsn, dass andere Juden, die die Goldschmidts ksnnan, in dis Schwsiz flfichtsn wolltsn, aufgsgriffsn wurdsn und nun in Berlin in 56 einem Gsffingnis sind. Es besteht dis Gefahr, dass dsr Aufant- halt dsr Goldschmidts bskannt wird. WAhrsnd Frau Winter nach einem anderen Untsrschlupf sucht, arlebsn Grossvatsr und Enks- lin dis zwsits Version von dem Geschick dsr Mfidchsn und ihres Lshrsrs. Disses Mal bringt sis dsr Grossvatsr zu sinsm Ends: Dis Madchsn werden nicht gsfundsn. Wfihrend dis beidan schon Tritts gsnagsltsr Stisfsl auf dsr Trapps hfirsn, lsrnt Gabriele durch das Vsrhaltsn eines dsr Madchsn in den Katakombsn, ihr Schicksal anzunshmsn und die Angst vor dem Tod zu fibsrkommsn. Mit dem unglficklichsn Ausgang seiner Gsschichte vermochts dsr Grossvatsr, Gabriela dis ihr nicht vertraute Rsalitfit dss Ls- bsns zu zeigen und sis damit auf die Nfihs dss Todss vorzubs- rsitan. In diesem Hfirspisl sind wisdsr dis Szenen dsr realen und dsr imaginarsn Handlung unmittelbar nsbsnsinandsr. Ohne ba- sondsrs Ankfindigung wschssln die Schauplatzs. Einmal brschsn dis Gsrfiuschs, dis von einem Luftangriff harrfihrsn, plfitzlich ab, wenn dis Handlung in dis Katakomben verlegt wird. Damit stellt sich dsr Hfirsr mBglichsrweiss auf das Nsus sin. Ein ortsbsstimmsndss GsrAusch, das den realen Gagsbsnhsitsn dsr Katakombsn sntSpricht, wird kaum mBglich sein. Also muss dis- ssr Ort andsrwsitig akustisch angadsutst werden, sventusll durch sins besonders Qualitat dsr Akustik, dis sich auf alle FAlls von dsr dss Zimmsrs untsrschsidsn wird. Eine nochmaligs Verandarung dsr Akustik ist notwsndig wahrand dss Monologs dss Lshrsrs, dsr in den Katakombsn sein Laban trdumt oder fiber- dsnkt. "Raumlos" verlangt dsr Dichter und vsrlsgt damit dis 57 stns wisdsr in sinen irraalan, 3a sagar irrationalsn Bereich, den, wie apfitsr noch ausgsffihrt werden soll, unssr Vsrstand nicht srklfirsn kann. D. IRRATIONALES IM HORSPIEL I. Definition dss Irrationalsn Dis bishsr angeffihrtsn Hfirspiels von Gfintsr Eich gsbsn dis Vsrbindung zum Rsalsn nismals ganz auf, ihre Bedeutung beziaht sich abar meistens nicht darauf. Darstellung dss Rsalsn liegt auch gar nicht in seiner Absicht. Was dsr Dichter fiber seine sigsns Lyrik sagt, lfisst seine grundsfitzlichs Einstsllung sr- ksnnsn und ist auch auf das HfirSpisl anwendbar: "Ich schreibs Gsdichts, um mich in dsr Wirklichksit zu orientisren."43 Mit dieser Wirklichksit kann nicht das Rsals allsin gamsint sein, dsnn Eich fiusssrt in diesem Zusammenhang auch Zsifsl an dsr Glaubwfirdigksit dsr sinnlichsn Eindrficke dss Msnschen. Das Rsale wird absr von den Sinnen aufgenommsn, also muss diess Wirklichksit mehr als nur Sinnsssindrficks beeinhaltan. Eich sagt weitsrhin, dass ffir ihn dis Dings erst durch Schrsibsn Wirklichksit srlangten. Ausssr den Sinnen beansprucht sr also noch andere Qusllsn dss Wissans und Erksnnens, um sein Zisl, dis Wirklichksit, zu errsichen. Dsnkkraft und Vernunft sind sicherlich nicht aus diesen Mittsln auszuschlisssen, sin grfi- sssrsr Tail davon wird wohl mehr von den irrationalsn Kraftsn vollbracht werden. Wsnn nun dsr Dichter diess Krafts beim Schrsibsn bsteiligt, so werden sis beim Lsssn und Hfiren seiner Wsrks ebsnfalls in Anspruch genommen warden mfisssn. 43 Gfintsr Eich, "Einige Bsmsrkungsn zum Thema Literatur und Wirklichksit,” Akzente, III (1956). 313/‘15. Im weitsren als Eich, Literatur und Wirklichksit bezeichnet. 58 59 Diese irrationalsn Krfifte im Msnschen sind vislffiltigsr Na- tur und es wfirds zu wait ffihren, sis sinzsln anzuffihran und genau zu bsstimmsn. Zu den wichtigstsn Gruppsn gshfirsn ohne Zweifsl, Gsffihl, Instinkt, Intuition und angsborsnss Wisssn. Ihnan allen ist gsmsinsam, dass sis den Gssetzsn dsr Logik und dsr Vernunft nicht untsrworfsn sind. Darfibsr hinaus snthalt "o o 0 var- dis Definition von "irrational" untsr andsrsm such: nunftwidrig, unvernfinftig... Aus dam Dsnksn dsr Vernunft nicht ableitbar, keinsn ngsnstand dieser bildsnd, dem Bsgrifflichsn, dem Logischsn vorangshsnd, dissssits oder Jenssits dsrsslbsn stahsnd..."44 Es bedarf wohl ksinss weitsren Bswsisss, dass das Irratio- nale sin bedsutsndsr Faktor bei der Entstshung und beim Auf- nahmen eines jsglichsn Kunstwsrkss ist. Darin ist das Hfirspisl keins Ausnahma, man kann abar bei ihm noch waiter gshsn und bs- hauptsn, dass es infolga seiner irraalan Mittel noch mehr das Irrationale im Msnschen anspricht. Dis gsringsn Bszishun- gsn, die das Hfirspisl in seiner Harstsllung in in seinem Gs- halt zum Rsalsn hat, gsbsn ihm ausssrdem dis Mbglichksit, das Irrationale mehr als andere Kunstwsrka zu seinem Bestandtsil zu machan. So bshandsln vials dsr modernen HfirSpials Trauma, Mfirchenhaftss und flhnlichs Themsn, wie noch gszsigt werden soll. In dem Kapitel fiber das Irreals im HfirSpisl fanden sich ab und zu Hinweise auf das Irrationale und such in diesem Kapitsl 44 Rudolf von Eislsr, Wbrtsrbuch dsr philosgphischsn Bs- griffs, (E. S. Mittlsr und Sohn; Berlin, 1927). 780: 6O wird das Irreals nicht vfillig ausssr acht gslasssn werden. Dsshalb soll hier dsr Vsrsuch untsrnommsn werden, dis Bszis- hung zwischsn den beidan Bsgriffsn hsrzustsllsn und die Aus- wahl dsr Hfirspisls zu bsgrfindsn. 0ft ist es schwierig, oder sogar unmfiglich, diess beidan Begriffs klar vonsinandsr zu trannsn. dsnn dem Irrationalsn gsht meistens das Element dss Irrealen voran. So snthaltsn z. B. Borcherts "Draussen vor dsr Tfir" und andere im vorhsrgshsnden Kapital angaffihrts Hfir- episls visl Irrationalss. Worts, dis von sinsr Gestalt gs- sprochen werden, dis wadsr kfirpsrlich sxistiert, noch visuall dargsstsllt werden kann, sntbshrsn dss Rsalsn und kfinnsn oft glsichzeitig nicht mit dem Vsrstand srklfirt warden. Psrsoni- fizierts Begriffs wie Tod, Gott und "dsr Anders", erhalten plfitzlich Rsalitét, was an sich nicht srklfirbar ist, abar ihre Aussagsn kbnnen als verschiedene Meinungen und Gedanksnstrfi- mungsn Bsckmanns von dsr Vernunft bewfiltigt werden. Eine Zuordnung von Msrkmalsn sntwsdsr zu dem Irrealen oder dem Irrationalsn kann nur davon ausgshsn, von wslchsm Gssichts- punkt aus sis betrachtst und wslchsm dss jaweils gsgsntsiligsn Begriffs sis gsgsnfibsrgestsllt werden. Das Irreals srgibt sich aus dem ngsnsatz zum Rsalsn, wfihrsnd das Irrationale nur durch dis ngsnfibsrstsllung zum Rationalsn srkannt werden kann. Bei dsr Auswahl dsr HBrSpiel war das Jewsils stflrker Hervortrstsn- ds in Thematik, Aufbau oder in beidsm dsr Anlass dazu, sis in