EPISCHE ELEMENTE IN JAKOB MICHAEL REINHOLD LENZENS DRAMA DER HOFMEISTER Thesis for the Degree of Ph. D. MICHIGAN STATE UNIVERSITY FORD BRITON PARKES 1971 This is to certify that the thesis entitled EPISCHE ELEMENTE IN JAKOB MICHAEL REINHOLD LENZENS DRAMA DER HOFMEISTER presen e y Ford Briton Parkes has been accepted towards fulfillment of the requirements for Ph- 13- degree in ___mag_Ge ”Va/LI 0. Plaza Major professor Dateflwi lim/ 0-7 639 M». non-aw... .' fly.) ._ . W”; mere/my '- Michigan 3“ I Univem‘ty m A?“ ”I l"/r—.. I f " III N A h)” | ABSTRACT EPISCHE ELEMENTE IN JAKOB MICHAEL REINHOLD LENZENS DRAMA DER HOFMEISTER By Ford Briton Parkes Der Verfasser macht es sich zur Aufgabe, die epischen Elemente im Hofmeister zu ermitteln. Dieser Arbeit liegen die wertvollen Anregungen in Franz Hubert Crumbachs Buch Die Struktur des Epischen Theaters: Dra- maturgie der Kontraste zugrunde. Crumbach geht davon aus, daB es zwei Grundtypen des europaischen Dramas gibt: den herkdmmlichen, den er wegen seiner Grundstruktur der Steigerung als Spannungsdrama bezeichnet, und den epischen, den er kontrastierendes Drama nennt. Im Spannungsdrama gibt es auch einen Kontrast, z.B. zwischen Gut und Bbse. Hier ist jedoch der Kontrast ungleichwertig, wfihrend die Kontrastpole im epischen Drama gleichwertig sind. Der Vorgang im kontrastierenden Drama, erklart Crumbach, "betrifft immer die Gespaltenheit der Welt”. Es ist ein unlbsbarer Gegensatz, der in einem solchen Stack zum.Ausdruck kommt. Im Hofmeister geht es um den Kontrast zwischen Privilegierten (Ausbeutern) und Nichtprivilegierten (Ausgebeuteten). Alle weiteren Strukturmerkmale sind nach Crumbach diesem Grund- muster untergeordnet: die Fabel, die Handlung, die Figuren, die Sprache und die Demonstration. Die Fabel demonstriert ”den Vorgang am Beispiel". Demnach IXBt up It. .1. .l-‘gq . l-.- “I. .‘g, O5. I.Al 0“ I .‘:~ 4 "J r l.- Ford Briton Parkes sich im Hofmeister die Lauffer-Handlung als Beispiel, d.h, als Beispiel- handlung erkennen. A15 Hofmeister steht Lauffer an exponierter Stelle, die es dem Dichter erlaubt, die Gegensatze zwischen Adel und Burger auf— zudecken. Wenzeslaus zeigt sich Lauffer gegenflber als Ausbeuter, nach- dem er durch schlaue Fragen die Ursachen seiner Flucht erfahren hat. Lise wehrt sich gegen Lzuffers Vertraulichkeiten, bis sie erfahrt, daB Lauffer sie heiraten will. Da willigt sie ein, denn sie kann durch diese Heirat standesmaBig avancieren. Aber das epische Drama "erschbpft sich” nach Crumbach "nicht in der Funktion des Bei-Spiels”. Denn neben dem Beispiel ist die Sinndeutung von Bedeutung. Es entsteht ein Ineinander von beispielhafter und sinn- deutender Handlung. Die sinndeutende Handlung errichte die MaBstabe far den Blick des Zuschauers, der die Geltung einer Hahrheit in zeitlich- raumliche Ewigkeit projiziere. Im Hofmeister ist es vor allem die Fritz-Nebenhandlung, die sich als sinndeutend enweist. Sie scheint zunachst wenig mit der Haupthand- lung gemein zu haben. Fritz weist keine Gespaltenheit auf wie andere. Er beutet niemanden aus und zeigt sich als ehrlicher, vernanftiger Bursche und treuer Freund. ‘Der Kontrast offenbart sich dadurch, daB Fritz trotz seiner guten Eigenschaften ebensowenig wie die anderen Figuren den herrschenden Zustfinden in der aus Ausbeutern und Ausgebeu- teten bestehenden Gesellschaft entkommen kann. Nur ein ”Wunder”, nam- lich Patus' Lotteriegewinn vermag ihn aus den Fesseln seiner Schulden zu befreien und ihm die Heimfahrt zu ermbglichen. Der positive Kontrastpol wird nach Crumbach in gescthchter Form gezeigt. Diesem geschwachten.Kontrastpol ”wenden die Zuschauer ihre Ford Briton Parkes ganze Sympathie zu.... Durch dieses 'Tfitigsein' des Publikums stellt sich automatisch das Gleichgewicht ... wieder her", d.h. die Zuschauer, die die Demonstration kritisch verfolgen, sind gezwungen, eine ”Gegen- fabel” zu entwickeln, die der Fabel zuwiderlauft. Auf den Hofmeister angewendet bedeutet das: der Zuschauer findet Lauffer lacherlich und als Mensch unzulznglich, Aber er stellt sich innerlich auf Lauffers Seite, weil diesem von der Welt abler mitgespielt wird als umgekehrt. Die Gegenfabel ist also auf eine Verbesserung in der Welt gerichtet, die es Lauffer erlaubt, ein natflrliches Leben zu fflhren. Auch verden gemfiB Crumbachs Behauptungen die Figuren und die Sprache voleontrast geprfigt. Die Figuren leiden an dem unvereinbaren Grundkon- trast. Das zeigt sich darin, daB auch sie in sich gespalten sind. In der ersten Begegnung zwischen Gustchen und Lzuffer z,B. zeigt sich Gust- chen von ihrer ausbeuterischen Seite, indem sie sich als Kokette an Lfiuffer erprobt. Er ist far sie nicht mehr als ein bloBer "Gegenstand", wie er sich bezeichnet. In der Liebesszene hat jedoch Lauffer die Cele- genheit, sich Gustchens Schwangerschaft zunutze zu machen. Er will sie dazu bringen, ihn zu heiraten. Deswegen sagt er, er "mmB quittieren". Die Gespaltenheit der Figuren findet ihren Ausdruck in der Sprache, die uneinheitlich ist. Die Figuren im Hofmeister legen "die Maske der Konvention" an und sprechen im ”unecht-gekflnstelten Tonfall der Verbil- dung”. Tritt jedoch eine schwere Erschfltterung ein, dann sprechen die Figuren unbewuBt im "unverstellt-natdrlichen Tonfall". Der Kontrast er- weist sich also als grundlegendes Strukturelement in Lenzens Drama. Da- mit ist das Drama nach Crumbachs Definition als ein episches anzusehen. EPISCHE ELEMENT!) IN JAKOB MICHAEL REINHOLD LENZENS DRAMA DER HOFMEISTER By Ford Briton Parkes A TIME Suhitted to Michigan State University in partial fulfill-eat of the requirenents for the degree of MTG! (I? PRIMEG’BY Depart-eat of German and Iranian 1971 miner lieben Mutter und neineu lieben Veter eeligen Angedenkens ii Fur die air bei dieser.Arbeit zuteil gewordene Unterstfltzung anchte ich den Beratern, meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Mark 0. Kistler, unsereIHAbteilungschef Berra Professor Dr. William N. Hughes und den Berren Professoren Dr. Stuart A. Gallacher und Dr. Heinz J. Dill aufrichtig danken. Ebenfalls bin ich folgenden Personen far ihre wertvollen Hin- weise sowie flr ihre.Aufk18rung strittiger Fragen verpflichtet: Berra Professor Dr. Kurt It. Schild, neineu Kollegen Herrn Professor Dr. Rudolf Dozauer, Herrn.Andrew Moskovits und neiner Frau Corinna Parkes. iii INHAL‘I‘SVERZEICHNIS Kanitel EINLEITUNG l. DER VORGANG 2. DIE FABEL 3. DIE HANDLING Der Begriff der'Zeit Der Begriff des Raules Der.Aufbau der’Bandlung Die Einheit der Handlung 4. DIE FIGUREN 5. SPRACBE 0ND DEMCNSTRATICN 6. SCHLUB mam LITERATURVERZEICHNIS iv Seite 19 29 29 39 49 66 83 108 163 165 176 EINLEI‘I'UNG Bret in diesel Jahrhundert ist die Forschung auf epische Zflge in der Iansschen Drenatik aufnerksan gevorden. Dabei warden sie jedoch neist als Zeichen drenetischer Unzullnglichkeit beanstandet. Als I erster Kritiker neldet sich H. N. Rosanow in seiner 1909 in deutscher Ubersetzung herausgegebenen Biegraphie des Dichters. Seine eigent- liche Beurteilung der epischen Elenente in Hofneister findet sich nicht in den dafflr vorgesehenen Kapitel, sondern in den fiber Lenzens drantische Theorie. Ir befaBt sich darin nit den Stir-er und Drlnger als Verfasser der Amery“ fibers Theater, d.h. als Theoretiker und nicbt als Dre-etiker: “In eigentlichen Sinne gesprochen, vervischte Lens dutch seine Lehre den Unterschied svischen Epos und Dre-a”. 1 Eine Versehlrfung seiner Stellungnehne ist en Ende desselben Absatses nicht zu verkennen, ve er davon spricht, dab Lens die Bandlung den Charakteren untergeerdnet babe. Dadurch 'vernichtete er das Hesen des Dre-s, das sich ver ellea durch die nandlung von der Epopbe unter- scheidet'. 2 0nd kurs darauf schreibt er: Aber diese charekteristieche Beruflung auf die Praxis neier epischer Dichter @ante und Klopstocfl bei der Ver- verfung der Theorie des Aristoteles deckt uns Lenzens Karten auf and dient uns sun Denise, daB der Verfesser der anaer- %n lbers Theater den Grundunterschied swischen Epopla und c as t.. .. Lens fordert fir den drentischen Dichter dieselbe Freiheit, die der epische Dichter hat. So verschvand den Vesen nach der Unterschied svischen Epopbe und . Dre. and als ligenert des letsteren blieb nur die Porn aux-net. 3 Rosana" Kritik besehrlnkt sich billigemise euf Lenzens Theorie. 1 2 Br hut jedech in fibernfichsten Absats auf das Drana der 'Theoretiker der'Sturnp‘und.Drangperiode' su sprechen: Inden sie in.sogenannten 'bfirgerlichen.Drann' die Unter- schiede zvischen Tragfidie und Kenndie in hohen Grade aufhoben, vernischten die Stfirner und Drfinger die Elenente der*Epopfie und des Dranas.4 Geneint ist such Lens, dessen Herke er dort 'handlungsarn! nennt. 5 So enthfilt Resanovsixritik in.theoretischen Teil seines Duches ein zienlich verdannendes Urteil fiber das dranatische Kfinnen des Dichters. aufgrund von.Elenenten, die er als episch beseichnet. fin so erstaunter ist der Loser, wean er Resanovs Benerkungen in denilbschnitt ver- gleicht, der den Boheister geridnet ist; dort ko-t kein einsiges Hal der Degriff episch.vor, obvehl er die gleichen.Punkte uieder aufninnt, die er vorher so tadelnsvert fand: Er sfihlt das Stfick an den "sage- nannten bfirgerlichen.Dranen'. 6 Binsichtlich darin vorkonnender tragikcnischer moments ke-entiert er lediglich, daB eine derartige Vernischnng gens unkfinstlerisch erscheine. 7 Offenbar var Rosana! nicht gerillt, hinsidhtlich des Bofheisters die notvendigen Schlfisse aus seinen eigenen.flber1e¢ungen su siehen. Den.Htierstehen auf’Seiten.Rosanews entspricht gerissernaben jenee von Oskar Gluth, der in seiner in.Jahre 1912 erschienenen.Dok- torarbeit feststellt, daB sich in.Hofneister sin e p i s c h e s E 1 e:n e n t breit naehe: Das Stfick ist vie ffir einen.2nnan, nicht ffir ein.Drana angelegt. Daren ist nieht nur'Shakespeare, daran ist vor alle- des Dichters Neigung sun 'fornlgeen.SchIeifen' und seine Freude an.der einselnen.Ssene sohuld. Den eben.angeffihrtendlritikern.kfilnte Berta.luber-Dindschedler sur’Seite gestellt warden, dean sie findet, dab Lens in seiner 'ersten lpoehn ... theeretisdh nach epischen Gesetsen! netiviere. 9 Sie ffihrt 3 als charakteristisch daffir "die Nebenhandlungen' an, die 'breiten Raun" einnehnen, und konstatiert, diese hfitten in Hofmeister “nit der inneren Bandlung kaun nehr etwas zu tun”. 10 Die bisherigen Zitate entstannen alle den Schrifttun des ersten Viertels disses Jahrhunderts. In einer 1957 verfiffentlichten, deut- schen Literaturgeschichte steht der folgende lapidare Keenentar zu Lenzens Dram: "Das Ganze ist ein Roman, kein Drama". 11 Der Verfasser dieser Arbeit macht es sich zur Aufgabe, die epischen Elenente in Jakob Michael Reinhold Lensens Drana Der Hof- neister 12 an ernitteln, aber nicht als Beveis dranatischen Unver- nfigens, sondern als Beweis dranatischen Kannens. Dieser Arbeit liexen die vertvollen Anregungen Franz Hubert Crun- bachs augrunde: Die Struktur des ischen Theaters: Drena ie der Kontraste. 13 Crunbach unterscheidet sich von anderen Kritikern vor allen Dingen dadurch, dab er nicht Bertolt Brechts Theorie fiber das epische Theater als Ausgangspunkt vfihlt; sein Bauptanliegen ist das Phlnonen epischer Dranatik an sich. 1‘ Se gehbrt es auch su seinen Aufgabenbereich zu aeigen, daB die "epischen“ Elenente in dranatischen Kunstverk nicht 'Insidensien des Unvenfigens su klassisch drantischer Porn“, 1'5 sondern eine eigene dranatische Struktur ergeben. Neben theoretischen und fisthetischen Erfirterungen legt er die Ergebnisse seiner Untersuchungen anhand von Interpretationen dar, die von Aristo- phanes bis lhrceau reichen. Aufier den beiden letstgenannten Drana- tikern behandelt er Kunstverke von Shakespeare, Gryphius, Holitre, Calderon, Delberg, Goethe, Tieck, Strindberg, Apellinaire, Pirandello, Claudel, Brecht, Iilder, lliet, Obey, Willie-s, Aneuilh und Killer. Dazu schreibt er: 4 Das uns fiberlieferte Erbe ist der Boden, aus den die Leistung der Jetztaeit ervuchs; der Schlufl auf ein Kontinuun in Wechsel der Erscheinungsfornen nuB also unser Ziel sein. 16 So vird es verstfindlich, daB es nicht Brechts Theorie ist, von der er ausgeht. Der dchtige Antrieb, den die Theorie des epischen Theaters vie auch das praktizierende Theater selbst durch Brecht er- fuhr, ist jedoch nicht su leugnen. So setzt sich Crunbach i-er wieder nit Brechts Theorie und seinen dranatischen Schaffen auseinander. Trot: der oben angeffihrten, beachtlichen Reihe von Dranatikern erhebt Crunbach keinen Anspruch auf vollstfindige Erfassung von Dich- tern epischer Dranen. Unberficksichtigt bleiben in seine. Ierk 2.3. das asiatische Theater, Plautus, die Spiele des Hittelalters, die des Bans Sachs, das altenglische Theater, die co-edia dell'arte, Lena, wager, Buntano, Grabbe, Bfichner und Bauptnann. 1" Crunbach trifft also eine Ausvahl. Er versucht aber den Anforderungen seiner Unter- suchnng zu genfigen, indem er 'das Ausgesparte i-er in Blick" 18 bemt. Unter den von Crunbach nicht behadelten Dranatikern befindet sich also auch Lena. ls gilt nun nu untersuchen,‘ ob auch er in die Reihe der Drantiker des epischen Theaters einauordnen ist. 1. KAPI‘I'EL DER VORGAN G GenfiB Crunbaohs Gliederung der Nnktion epischer Elenente in Drana warden vir uns in diesen Kapitel zunfichst nit den Vorgang 19 in Hotneister befassen. Rosanow spricht von den 'sittlichen Ztteck'l des Dranas, der darin besteht, ”die Nachteile der Privaterziehung aufsudecken". 2° Er ko-t jedoch zu den SchluB, daB Lena nit seiner Aufgabe nicht aurecht- geko-en sei: "Er “to die Irfichte der schlechten Eraiehung an Zag- lingo infolge dos verderblichen Einflusses des Hofneisters auf ihn nachweisen. In Stfick ist nichts darfiber enthalten". 21 In der neueren Forschung wird von Paul BBcknann die Ansicht ver- treten, dab es in Bdheister nicht 'gelingt,... einen echten Bandlungs- vorgang ... su entwickeln'. 22 Er beaeichnet das Drana als sin "The- senstfick; es sollte keine Bauslehrer geben, sender-n nur fiffentliche Schulen". 23 find in der 1968 erschienenen Aufsatasa-lung Das deut- sche Lustsgiel schreibt Heine Otto Burger: flLens wollte die Privat- erziehung durch Botheister ... als abus anprangern'. 24 Venn Lena nur vorschwebte, "die Privateraietnzng durch Botheister" scharf su kritisieren, so hat er sich seine Aufgebe sehr sclnrer, wenn nicht gar unnfiglich gemcht, denn in III,l hfirt [Suffer auf, Bot-sister au sein: er flieht sun Dorfschulneister lenseslaus. Venn nan dennoch 5 6 gewillt ware, den Problenbereich des Hofneisterwesens auf die ganze Lfiuffer-Handlung auszudehnen, so wire das trotzden eine Einschrfinkung; nan mfiBte gut ein Drittel des Dramas streichen, und zwar die Neben- handlungen, die Fritz und Pfitus und von Seiffenblase beleuchten. Diese sprengen den Rahnen des Hofneisterproblens. Schon zu seinen Lebzeiten hat sich Lenz bffentlich gegen solche Feststellungen vervahrt. Seine KuBerung dazu findet sich in seiner 1775 geschriebenen Schrift "Briefs fiber die Horalitfit der Leiden des jungen Werthers": Han hat nir allerlei noralische Endawecke und philosophische Sfitze bei einigen neiner Kombdien angedichtet, nan hat sich den Kopf zerbroohen, ob ich wirklich den Hofneisterstand ffir so ge- ffihrlich in der Republik halte, nan hat nicht bedacht, daB ich nur ein bedingtes Genfilde geben wollte von Sachen wie sie da sind und die Philosophie des eheinen Rats nur in seiner Individuali- tat ihren Grund hatte. 25 Has interessiert hier die ffir Lena typisch unprfisise Ausdrucksweise: "Sachen wie sie da sind”. Hit Hinblick darauf wird der Versuch ge- nacht, den Vorgang auf eine andere Heise beizukonen. Auch soll der Geheinrat nfiher betrachtet werden. Der Vorgang in epischen Dran beruht nach Crunbech auf einen Kon- trast. 25 Besogen auf den Hofneister bietet sich die folgende Arbeits- hypothese an: den Vorgang des Dranas liegt der Kontrast awischen Privilegierten und Nichtprivilegierten in der Gesellschaft sugrunde. Einen aufschluflreichen, sues-engedrfingten Einblick in die gesell- schaftlichen Verhlltnisse gibt das Gesprfich in 11,1, das der Adlige, Geheinrat Berg, nit den flrgerlichen, Pastor Lluffer, ffihrt. De- trachten wir die gegensfitalichen neinungen und Verhaltensweisen der Sprachenden, die sich darin enthfillen, und erwfigen wir, ob beide - nicht allein der schnrotserhafte Adlige oder der unterwfirfige 7 Bfirgerliche - instande sind, sich von ihren Gesinnungen freisunachen und zur Verbesserung der gesellschaftlichen Ordnung zusamnenzuarbeiten. Dieses Gesprfich wird nur als ein Beispiel unter vielen in Stfick her- ausgegriffen, in denen sich eine vbllige Unvereinbarkeit der Welten des Privilegierten und des Niehtprivilegierten offenbart. Es ist jedoch in besonderem MaBe dazu geeignet, weil es eine grundsfitzliche Kon- frontation der Vertreter der beiden damals naBgebenden Stfinde dar- stellt. Es sei auBerden an Lenzens Feststellung erinnert, dab "die PhilosOphie des geheinen Bats nur in seiner Individualitfit ihren Grund hatte". Den Verfasser ist nur eine einzige Arbeit bekannt, Elisabeth Gentons Doktorarbeit, in der der Geheinrat nicht fast ausschlieBlich positiv - weil er entweder als Sprachrohr oder als Verkfinder der These oder des Pregrannes Lenzens gesehen wird, - sondern auch nega- tiv beurteilt wird. 27 Fir vollen sehen, was ffir sine Bewandtnis es nit den Geheinrat hat. Der Geheinrat tadelt Lfiuffer, weil er die Behandlung durch die Fanilie des Majors so lange hinninnt; er sieht Lfiuffers Situation als Angelegenheit der nensohlichen Freiheit. Nach langen, nit vielen Kraftausdrficken gespickten WorterguB fiber die sklavenartigen Lebens- bedingungen eines Bofneisters, konnentiert er: (line Freiheit geht das Leben bergab rfickwfirts, Freiheit ist das Elenent des Menschen wie das Hasser des Fisches, und ein Mensch der sich der Freiheit begibt, vergiftet die edel- sten Geister seines Bluts, erstickt seine sfiBesten Freuden des Lebens in der Blfite und ernordet sich selbst. Der Pastor teilt nicht die Dedenken des Geheinrats, and hier aeichnet sich sein entgegengeeetster Standpunkt ab. Ir ist entrfistet darfiber, dab sein Sohn i-er schlechter beaahlt wird. Dee erscheint in wich- tiger als die Art und Ieise, in der die Panilie des Majors nit seinen 8 Sohn ungeht. Den, was der Geheimrat fiber die Freiheit sagt, kann der Pastor nicht zustimnen, denn ein Hofneister mfisse sich ja das alles gefallen lassen, man kbnne nicht inner seinen Hillen haben. Der Geheimrat findet es me so schlinmer, wenn Lfiuffer es sich gefallen 13M; or habe den Vorrechten eines Menschen entsagt, 'der nach seinen Grundsfitzen muB leben kfinnen", sonst bleibe' er kein Mensch. Und wenn man dazu Gelehrter ist, 'ein Mensch, der den Adel seiner Seele ffihlt", so obliegt einen eine noch hfihere Verpflichtung. Ffir ihn wfire der Tod selbst nicht so sehr su scheuen wie eine Handlung, ”die wider seine Grundsfitze nuft'. Von Pastor erfolgt sofort eine Entgegnung, die den Appell des Geheinrats an die freiheitliche Gesinnung nfichtern entkrfiftet: "Aber was ist zu machen in der Welt? Was wollte nein Sohn anfangen, wenn I Dero Herr Bruder ihn die Kondition aufsagten?" Zu der Situation Lfiuffers ist zusannenfassend zu sagen: Der Pastor betrachtet sie konkret und prinfir von der praktischen, wirt- schaftlichen Seite; der Geheinrat hingegen an erster Stelle abstrakt, als Sache der Freiheit. Hit anderen Norton: Die Gesprfichspartner reden aneinander vorbei. Fir wollen zunfichst die Ausffihrungen des Geheinrats untersuchen. DaB er nicht von Lfiuffer, sondern von den Hofmeistertun als Einrich- tung sprechen will, ist schon bedeutsan; er nag nit seinen Benerkungen fiber das Hofneisterwesen recht haben, jedoch nutat das Lfiuffer nicht, den or war ja Ausgangspunkt ffir die Auseinandersetzung, nicht das Botheistertun. SchlieBlich nacht er aber beafiglich Lluffer einen Vor- schlag; auf die oben angeffihrte, letate Frags des Pastors erwidert er: "LaBt den mrschen was 1ernen, daB er den Staat nfitaen kann". Danit 9 laBt er den eigentlichen Sachverhalt einfach auBer acht, obgleich diese Frage um so dringlicher erscheint, da ja Lauffer schon studiert hat und auBerdem vom Geheimrat als Stadtschullehrer nicht angenommen worden ist. So gesehen entbehren die KuBerungen des Geheimrats jeg- lichen Hirklichkeitswertes ffir Lfiuffer. Der Vorschlag des Adligen, der Mensch solle dem Staate von Nutien sein, ist auch ffir diese Unter- suchung von besonderem Interesse; in ihm entpuppt sich die eigentliche, konkrete Vorstellung von der Freiheit, wie sie vom Geheimrat verstanden wird. Spfiter kommt er darauf zurfick: "Lernt etwas und seid brave Lent. Der Staat wird euch nicht lang am Markt stehen lassen. Brave Leut sind allenthalben zu brauchen”. Damit drfickt er am konkretesten seinen Freiheitsbegriff aus, der eher nach dem aufklarerischen Nfitz- lichkeitsprinzip aussieht. Verlangt werden auBerdem nur “brave Leut”. Die Einstellung des Pastors zur Freiheit lth sich mittelbar aus seinen Morten, unmittelbar aus seinem Verhalten schlieBen, sie wird also vornehmlich demonstriert. Wenn ihm vorgehalten.wird, daB sich Hauslehrer wenig von Sklaven unterscheiden, behauptet er: Aber Herr Geheimer Rat - Gfitiger Gott! es ist in der Welt nicht anders: man muB eine Harte haben, von der man sich nach einem bffentlichen Amt umsehen kann, wenn man von Univer- sitaten kommt; wir mfissen den gBttlichen Ruf erst abwarten, und ein Patron ist sehr oft das Mittel zu unserer BefBrderung: wenigstens ist es mir so gegangen. Angesichts der Lage, in der sich Lfiuffer befindet, und die ja an dieser Stelle das Gesprachsthema ist, lfiBt sich aus der Aussage des Pastors die folgende Position erkennen: wer es sich sonst nicht leisten kann, muB sich solange unterwfirfig verhalten, bis es ihm ge- lingt, ein freier Mensch zu werden. Wir mfissen uns fragen, ob diese Rechnung: Freiheit plus Unfreiheit, im positiven Sinne , 10 aufgeht. SchlieBen sich nicht vielnehr beide Kategorien aus? Wird das nicht buchstfiblich an diesen Gesprfich exemplifiziert? Denn der Geist- liche nimmt gegenfiber den adligen Geheinrat vorwiegend eine krieche- rische Haltung ein. Seine Gesinnung hat sich wohl keinen Deut ver- andert, wenn er auch jetzt nateriell besser gestellt ist, und zwar ursprfinglich aufgrund seiner Ehe. Demnach mt sich der hier vorge- ffihrte Gegensatz von Freiheit und Unfreiheit nicht vereinbaren. In diesen Zusammenhang soll hier kurz die Rolle des Geldes er- brtert werden. Das Geld ist ja ffir den Pastor in Gegensatz zu den Geheimrat ein ausschlaggebender Faktor ffir die weitere Tfitigkeit seines Sohnes als Hofneister bei der Fanilie Berg. Danit hat er auch nicht ganz Unrecht, betrachtet nan die fortlaufenden Gehaltsverkfirzungon, die Lfiuffer hinnehnen muB. Wegen Lfiuffers inner geringer werdender Ent- lohnung bittet Pastor Lfiuffer den Geheinrat, seinen zweiten Sohn 'nur auf ein halb thrchen" Lfiuffer in den Unterricht su geben, denn sein Sohn ware zwar nit 80 Dukaten, aber nicht nit 60 zufrieden. Venn or such hier den Geheinrat anbettelt, klingt sein Hunsch nicht vfillig un- berechtigt. Das sticht etwas ab gegen den Vorwurf seines Gesprfichs- partners, daB er Augen, Mund und Caren mr die ganse Glfickseligkeit seines Sohnes zuschlieBe. Man m5 sich fragen, ob diese Beschuldigung begrfindet ist. Zunfichst entspricht die erste Angabe des Pastors fiber Lfiuffers Gehalt ("Dreihundert hatt er @er MajoB ihn ... in ersten Jahr versprochen") nicht ganz der Uahrheit. Ursprfinglich war war von dieser Su-e die Bede, aber nicht der Major, sondern seine Frau und der Pastor selbst hatten 150 Dukaten als Jahresgehalt vereinbart. So belfigt er den Geheinrat und ist selbst ffir den ersten, festgesetzten Jahresbetrag nitverantwortlich. In der ersten Szene des Dranas hatte ll sich Lfiuffer fiberlegt, warum sein Vater ihn nicht ffir tauglich "zum Adjunkt”, d.h. zum Privatdozenten, hielt. Er war zu dem SchluB ge- kommen, daB der Grund des Ubels in Geldbeutel seines Vaters liege: "Er will keinen bezahlen”. So wird es klar, daB der Pastor finan- ziellen Erwfigungen den Vorrang vor anderen, wie z.B. Freiheit, menschlicher Behandlung und dem allgemeinen Hohlergehen seines Sohnes, gibt, vor allen Dingen, wenn es sein eigenes Geld angeht. Die Einstellung des Geheimrats zum Gelde ist vallig anders; ffir ihn ist das ja kein Problem. Darum stfirt ihn Lauffers Lage nicht so sehr, denn er hofft, daB dieser zumindest dadurch endlich einmal auf den Gedanken kommt, den Dienst zu kfindigen. In der Erfirterung fiber Lfiuffers Gehalt offenbaren sich in bei- spielhafter Heise die tatsfichlichen Gegebenheiten der Gesellschaft. Der bfirgerliche Pastor zeigt sich eigensfichtig und kriecherisch. Der Major und seine Frau, von denen hier gesprochen wird, sind schmarot- zerhafte Wesen. Der Geheimrat mag seine Verwandten kritisieren, doch ffillt seine Gleichgfiltigkeit Lfiuffer gegenfiber auf. Kennzeichnend ffir die Gesprfichspartner ist letzten Endes, daB sie ihren gesell- schaftlich bedingten Gesinnungen verhaftet bleiben, so daB niemand eine Lfisung, nicht einmal eine schlechte, ffir Lfiuffer zu finden ver- mag; Lfiuffer bleibt weiterhin der Leidende. Der dem Vorgang zu- grundeliegende Kontrast kommt an diesem Beispiel in besonderem MaBe zum Vorschein. In den Gesprfich werden auch noch andere Themen behandelt. Pa- stor Lfiuffer ist, wie wir schon wissen, der.Ansicht, daB man einen "Patron" braucht, um im.Leben vorwfirtszukommen: man mfisse eine Harte haben, von der man sich nach einem Uffentlichen.Amt umsehen kanne, 12 won man von Universitfiten kome. Das ist seine Erklfirung daffir, daB er seinen Sohn die Hofneisterstellung besorgt hat. Auch war der Pa- stor selbst einst Hofneister. So grfindet sich sein Standpunkt hin- sichtlich Aufstiegsnfiglichkeiten in der Welt auf praktische Erfah- rung. Etwas spfiter spricht er noch deutlicher: nicht jedernann kbnne gleich Geheiner Rat werden, and won er gleich ein Hugo Grotius ware. Gesucht werden heutzutage "andere Sachen ... als Gelehrsan- keit". Aus seiner herablassenden und gesellschaftlich beschrfinkten Anschauungsweise heraus vertritt Geheinrat Berg eine gana andere Meinung: nan soll nur etwas lernen und brav sein, so wird nan es en etwas bringen. In Zusannenhang nit diesen Gesprfichsstoff werden noch andere Themen berfihrt, die anderenorts in Drana von groBer Bodeutung sind. Venn der Pastor von einen ”Patron" redet, Hubert er sich so: nan nfisse den gottlichen Buf erst abwarten, und ein Patron sei sehr oft das Mittel zu unserer Deffirderung: wenigstens sei es ihn so ge- gangen. Das provoziert die synische Erwiderung: Schweigen Sie, Herr Pastor, ich bitt Sie, scl'ureigen Sie. Das gereicht Ihnen nicht zur Ehr. Man weiB ja doch, daB Ihro selige Frau Ihr gfittlicher Ruf war, sonst sfiBen Sie noch itzt bein Herrn von Tiesen und dfingten ihn seinen Acker. Bier wird die Einrichtung der Vernunftehe ins Gesprfich eiabesogen und, in weiteren Sinne, die Beziehungen zwischen den Geschlechtern, was ffir das Drana von erheblicher Bedeutung ist. Gleichseitig wird es aufgefallen sein, daB der Pastor sein Argunent theologisch su ver- brfinen sucht, was sich aber nicht sehr fiberaeugend anhfirt. Hiernit fibt Lena sun ersten Mal in Hofneister Kritik an schiefen Vorstellungen von der Religion. 13 Auch werden die Gegensfitze zwischen der privaten und Offentlichen Erziehung erbrtert. Die Einstellung des Pastors zum Hofmeistertum ist hinreichend bekannt. Der Geheimrat hfilt es far eine vfillig un— terwfirfige, parasitfire und, in pfidagogischer Hinsicht, ungenfigsame Einrichtung. Er lobt die Bffentliche Schule, die er selber besucht hat, und sieht in einem gesunden Schulwesen die beste Mbglichkeit, den Adligen und Bfirgerlichen zusamnen zu erziehen. Der Pastor stimnt nicht danit fiberein. Er findet die Klassenlehrer zu langweilig und ihre Methoden zu pedantisch. Auch macht er die Schulen ffir die ver- derbten Sitten, die sich unter der Jugend verbreiten, verantwortlich. Die Entgegnung des Geheimrats ist fast unglaubwfirdig: "Wes ist die Schuld? Her ist schuld daran, als ihr Schurken von Hauslehrern?" Die einzige Reformmbglichkeit, die sich der hohe Staatsbeamte vor- stellen kann, soll in absolutistischen Staate von unten nach oben ge- schehen. Die Hofmeister brauchen nur en masse abzudanken; so wird alles dann seine Richtigkeit haben. In der betreffenden.Auseinandersetzung offenbaren sich viele Kontraste, z.B. in bezug auf Freiheit, Geld, Aufstiegsmbglichkeiten, Erziehungswesen. Von nicht geringerer Bedeutung als die Gegen- sfitze, an denen verschiedene Wertordnungen zu erkennen sind, ist das verbalten der beiden Gesprachsteilnehmer. Es geht Lenz darum, nicht nur die Gesellschaft, d.h. ihre Vertreter aus verschiedenen Stfinden, fiber ihre Herte unablfissig zu befragen, sondern auch diese Vertre- ter gleichzeitig in ihren Verhalten darzustellen. Der Geheimrat aeigt sich trots aller Vernunft oft als Hitszpf. Seine Vorschlage verra- ten gesellschaftliche Beschranktheit und Weltfremdheit. Beispielhaft daffir ist seine Auffassung von der Freiheit — sie unterscheidet sich l4 kaun vom Utilitarismus. :Auch seine Ansichten fiber Erfolg im Beruf zeigen dieselbe Einstellung: er hat es wohl wegen seiner privile- gierten Stellung zum Geheimrat gebracht, ohne dabei irgendwelche be- sonderen Schwierigkeiten fiberwinden zu mfissen. Als ebenso charak- teristisch kann die Lbsung der Hofmeisterfrage angesehen werden: Geld existiert nicht als Problem ffir ihn. Was er sagt, nimmt er nicht zu ernst; das ist alles interessante Unterhaltung. Trotz seiner in Ge- sprfiche verkfindeten Gleichheitsgrundsfitze begegnet er dem Pastor arrogant und beleidigend. Je nach dem emotionellen Gehalt der Situa- tion redet er ihn mit Sie, Ihr oder du an. Pastor Lauffer schneidet auch nicht viel besser ab. Er sieht die Ungerechtigkeiten in der Melt viel klarer und schneller als sein Gesprfichspartner, aber er ist keinesfalls bereit, sich ffir ihre Ab- schaffung einzusetzen. Stattdessen ist er immer darauf bedacht, ge- sellschaftliche MiBstfinde zu seinen eigenen Gunsten zu gebrauchen. Das bestehende System hat ihn ja seinen eigenen.Aufstieg ermbglicht und es erlaubt ihn auBerdem, die schlechte Behandlung seines Sohnes zu rechtfertigen, denn auch er hat ja seine Hofmeisterzeit durch- machen nfissen. Obwohl er jetzt eine gesicherte Stellung hat, hat er sich sein unterwfirfiges Gebaren nicht abgewfihnt. In seinem Buche Brecht's Tradition bezeichnet Max Spalter als Lenzens Grundanliegen in dessen beiden Hauptdramen "the interrelationship of social organ- ization and human instincts". 28 Schon an diesem kleinen Beispiel machen sich diese Hechselbeziehungen bemerkbar. In den Gesprfich werden also die gegensfitzlichen Meinungen und Haltungen eines Adligen und eines Bfirgerlichen denonstriert. Das Ge- sprfich.war in Grunde keines, denn beide haben immer wieder aus ihren 15 verschanzten gesellschaftlichen Stellungen heraus aneinander vorbei- geredet. Sie sind zur gegenseitigen Verstfindigung, aur Zusanenar- beit unffihig. Lenzens Kritik richtet sich hier in engeren Sinne nicht gegen eine Klasse zugunsten einer anderen, wie wir gesehen ha- ben, sondern gegen beide und swar wegen ihrer verkehrten Werte und ihres verkehrten Verhaltens. In weiteren Sinne richtet sich seine Kritik gegen Privilegierte and Nichtprivilegierte, denn nicht nur Ad- lige und mrgerliche treten hier auf, auch der Bauernstand ist durch Lise vertreton. Gegenfiber diesen Stand genieBt der Mrgerstand be- sondere Vorrechte. Der Mittelstand, so wie er von Lena dargestellt wird, weist ebenfalls nannigfaltige Abstufungen auf. Innerhalb die- ser Gesellschaftsschicht gibt es auBer der Mitts auch Reprfisentanten dos GroBbfirgertuns (2.3. Pfitus und sein Vater) und des Kleinbfirger- tuns (2.3. die Fanilie Rehaar und Frau Blitaer). Kennaeichnend flfir diese weitere Abstufung innerhalb des Mittelstandes sowie awischen allen Stfinden ist das Verhfiltnis awischen Privilegierten und Micht- privilegierten - nan kann beide auch als Ausbeuter und Ausgebeutete bezeichnen. Auf diesen Kontrast boruht der Vorgang 1- Hodheister. "Die Ordnung, die der Mensch sich gab, hat versagt", schreibt Crunbach. Deswegen geht es in epischen Drana un einen "Neugebinn". 29 Jedoch gestattet die 'unbeirrbare Ehrlichkeit" des epischen Drana- tikers 'keine Orientierung nach neuen Zielen, bevor nicht die Hater- suchung verhfingnisvoller Abirrung abgeschlossen ist". 3° Der Zuschauer oder Loser wird nicht in Zweifel belassen fiber die AusnaBe der vfillig verpflusohten Ordmng der Welt in Hofneister. Des Vereagen in jeden nenschlichen Dereich, in fiffentlichen, in freund- schaftlichen, fanilifiren und privat-inthen, wird buchstfiblich auf 16 Schritt und Tritt in Drama vorgeffihrt. Epische Dranen ”sind ausnarmslos in Krisenzeiten entstanden, in denen das erstarrte Alto noch den Tag beherrschte, wfihrend das Neue erst chaotisches Worden zeigte und keine feste Porn besaB". 31 Diese allgenein-verbindliche Formulierung Crunbachs scheint ge- radezu auf den Sturn und Drang zugeschnitten zu sein. “Die lite- rarische Epoche, in der ich geboren bin", schreibt Goethe in Dicht_u£g und Hahrheit, 'entwickelte sich aus der vorhergehenden durch Wider- spruch'. 32 Er bringt danit sun Ausdruck, daB ein Xontinuun swischen den alten und den neuen Zeitalter des Sturnes und Dranges besteht und, noch wichtiger, daB sich nit den Sturn und Drang ein gewaltiger Unbruch vollaieht. Aber dieser beechrfinkte sich nicht nur auf das literarische Gebiet. Roy Pascal schreibt in 'Vorwort' zu seinen nach Der Sturn und Drag, es werde oft vergessen, fibersehen oder niBachtet, daB die dichterische Leistung des Sturnes und Dranges in einer Unfil- zung des ganaen Heltbildes und Wertsystens wursele, in einer neuen Art des Pfihlens, des Sehens und der Phantasie. 33 Hatte die Aufklfirung die Heltverbesserung gepredigt, so wollten die jungen Stfirner und Drfinger danit Ernst nachen. Die MaBnahnen, die die filtere Generation aur Erreichung ihres Zieles ergriffen hatte, sohienen ihnen nicht durchgreifend genug; auBerden lieB sich die Mehrzahl der nteren nit sunehnender Erstarrung nur von ZwecknfiBig- keits- und Vernunftgrfinden leiten. Erforderlich war also eine neue Haltung, and war eine kfinpferische, un klar au nachen, dab die alte Verfahrens- und Denkweise nicht nehr genfigte. Gena allein und auf sich gestellt waren sie auch nicht; fiegbereiter, Vorbilder und lebende Geffihrten fanden sie in In- und Ausland: in Frankreich z.3. dis VG? lat. «N: If 17 var allem Rousseau, aber auch Voltaire, Diderot und die EnzyklOpa- disten; in England Shakespeare, Locke, Hume, Richardson, Lillo, Fielding, Young, Gray, Sterne und Percy und in Deutschland Klopstock und mit Vorbehalt Leasing. Has die Stfirmer und Dranger von ihnen fibernahmen, war das Ergebnis einer.Auslese. Die Frucht all ihrer Be- mfihungen war trotz ihrer Unausgeglichenheit, Widersprfichlichkeit und Ubertreibungen ein neues Menschen- und Heltbild. Mir glauben, im Hofmeister eine krisenhafte Stimmung zu erkennen. In diesem Werk macht sich auch das Tasten nach einer neuen Form bemerkbar. Crumbach charakterisiert die zwei Mfiglichkeiten dramatischer Ge- staltung: die des klassischen Dramas, auch das Spannungsdrama ge- nannt, und die des epischen Dramas. Die Struktur des Spannungsdramas wird "durch das Element des Gespanntseins auf das Urteil, auf die Wiederherstellung des bedrohten Geffiges" zusammengehalten. 34 In weiteren Kapiteln dieser.Arbeit gilt es zu zeigen, daB das klassische Element der Spannung im Hofmeister fehlt. Dem Dramatiker epischer Auffassung geht es darum, "den Spalt, den Kontrast" in der Welt "bis zur Unfibersehbarkeit" zu demonstrieren. "So erhalten die Vorgfinge der Stficke des Epischen Theaters ihr Leben 35 vom Element des Kontrastes”. Hill der klassische Dramatiker "be- geistern und mitreiBen", so will der epische durch "das Baumuster ... der'Kontraste ... die Menschheit vor einer Gefahr” zurfickreiBen. 36 Lena will im.Hofmeister auf die Gefzhrdung des Menschen aufmerksam machen. Der Mensch wird von der Gesellschaft in seiner Entfaltung ge- hindert, was die Entstellung seiner ursprfinglichen Persfinlichkeit zur Folge hat. Man wird wohl einwenden, daB das Element des Kontrastes auch im 18 Spannungsdrana anzutreffen ist. Die Haltung ist aber eine gans an- dere: Hier ist 2.3. 'das BBse nur der Probstein des Guten, der sich an bewfihren hat”. 37 Der ungleichwertige Kontrast wird also an Ende des Spannungsdranas durch Aussfihnung aufgehoben. In epischen Drana wird die Gleichwertigkeit won Gut und Bfise vorausgesetzt. Des ffihrt zu der Konstellation von zwei gleichwertigen Kontrastpolen. Auf diese Gleichvrertigkeit soll spltereingegangen werden. Elisabeth Genton benerkt, daB Lens sich in seiner Theorie von Klinger and Wagner dadurch unterscheidet, dab or an! 'eine positive erzieherische Macht" hinweist, nfinlich "die drantischo Kunst". In den neuen, volkstfinlichen Drana sieht or die Mfiglichkeit der Yerwirk- lichung eines unfassenden Erziehungsprogramnes. 38 Sie sieht die 3e- grfindung daffir in seinen 'Gfitz'-Aufsatz: In der Einffihrung su seinen Aufsatz 'Uber Gfita von Ber- lichingen' kritisiert Lena die stereotype Erziehung und den dadurch nechanisierten Lebenslauf des Einzelnen. Der Loser, der ernsthafte Verbesserungsvorschlfige erwartet, findet sich fiberrascht, wenn diese Vorschlfige in nichts anderen als in einen Hinweis auf den Goetheschen Gfita bestehen. Seht Euch Gfitz an, ruft Lens seinem Publikun zu, und dann begreift, was Leben heiBt. 39 Elisabeth Genton hat nit dieser Feststellung einen sehr wertvollen Dienst geleistet. Spfiter findet sie es 'benerkenswert, dab Lens in seinen Drenen nichts von den behfilt, was or als positives Elenent in seinen theoretischen Schriften herausgestellt hat“. 4° Wir glauben, dab Lens in seiner Praxis su sehr Dranatiker war, als da3 er seinen Publikun nur lehrhafte Stficke geben wollte, su sehr Dranatiker, als daB er sich groBen EinfluB durch Dranea nit didaktischer Tendena hfitte versprechen kfinnen. 2. KAPITEL DIE FABEL Erforderlich ffir das epische Drana ist die Fabel, wie sie von Aristoteles, Lessing and Herder verstanden wird. 4'1 Lessing schreibt: Nichts enpfiehlt Aristoteles den tragischen Dichter nehr als die gute Abfassung der Fabel.... Denn die Fabel ist es, die den Dichter vornehnlich sun Dichter macht: Sitten, Gesin- nungen und Ausdruck werden sehen geraten, gegen einen, der in jener untadelhaft und vortrefflich ist. 42 Von Crunbach angeffihrt wird auch Herder, der ffir die Fabel das Wort Historie gebraucht: Jedes Stfick ist History in weitsten Verstande, die sich nun freilich bald in Tragedy, Comedy usw. nehr oder weniger nuanciert. - Die Farben aber schweben da so ins Unendliche hin, und an Ends bleibt doch jedes Stfick und m3 bleiben, -. was es ist. HistoriezHelden-und Staatsaktion...oder...einvfilliges GrfiBehabendeEreigniseiner Woltbogebenheit, eines nensch- lichen Schicksals.43 Der Fabel ko-t es also auf ein "GrfiBe habendes Ereignis', nicht auf 'Sitten, Gesinnungen und Ausdruck" an. Bruno Markwardt betrachtet es als Lenzens Yerdienst in der Dranaturgie, Borders 'GrfiBe habendes Ereignis' durch ”die Zentralstel- lung dor GrfiBe habenden Persfinlichkeit, und danit durch das Charakter- drana" ersetat zu haben. ‘4 Gegenstand eines Abschnittes in Lenzens Wu fibers Theater ist die Abgrenaung swischen der Konfidio und der Tragfidie: ”Die Haupt- e‘Pt‘indung in der Kmfidie ist inner die Begebenheit, die 19 20 Hauptempfindung in der Tragfidie ist die Person, die Schvpfer ihrer Be- gebenheiten”. 45 Es ware nicht verfehlt zu behaupten, daB Lenz seinen Begriff der Tragbdie von dem des Helden ableitet, wenn er schreibt: 'Im Trauerspiele ... sind die Handlungen um der Person willen da". 46 Uber den Helden heiBt es: "Denn der Held allein ist der Schlfissel zu seinen Schicksalen". 47 In dieser Forderung ware allerdings ein Grund ffir die fehlende streng kausale Entwicklung im Hofmeister ent- halten. Nicht eine fibersehbare kausale Motivationsreihe, sondern nur Lauffer selbst kann uns den Grund ffir sein Verhalten geben. Abge- sehen davon, wirkt Lauffer nicht fiberzeugend als eine GrUBe habende Persfinlichkeit. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet eine andere Stelle in den An- merkungen fibers Theater, an der sich Lenz mit der Fabel auseinander- setzt: Die Mannigfaltigkeit der Charaktere und Psychologien ist die Fundgrube der Natur, hier allein schlagt die Wfinschelrute des Genies an. Und sie allein bestimmt die unendliche Mannig- faltigkeit der Handlungen und Begebenheiten in der Welt. Nur ein Alexander und nach ihm keiner mehr. Vor allem im letzten Satz zeigt sich, daB es Lenz um die unverkennbare Individualitat geht. Von dieser letzten Forderung her — obwohl die Nonnung von.A1exander dem GroBen zu Lzuffers Sache schlecht paBt - und der ersten nach der ”Mannigfaltigkeit der Charaktere und Psycho- logien” kannte Lauffer mbglicherweise als GrbBe habende Persbnlich- keit verteidigt werden. Hier soll dieser Versuch nicht unternommen werden. In der Lenzschen dramatischen Praxis scheint es nicht nur im Falle Lfiuffers, sondern im Falle fast aller Holden anders auszusehen als in seiner Theorie. Da Lenzens Definition des Helden offenbar keine Anwendung im.Hofmeister findet, glauben wir, daB der Begriff 21 der Fabel, wie wir ihn an Anfang disses Kapitels finden, auch ffir den Hofneister Gfiltigksit besitzt. Herder mt seiner Definition dsr Fabel als "GrfiBs habendes Er- eignis" insofern Freiheit, als es sich um sine Weltbegebsnheit oder ein nenschliches Schicksal handeln kann. Herders 3egriff fordert sehr viel von der Fabel dos Dramas, wie Crunbach feststellt: Ihnslt die Ausmhrung des klassischen Dramas in Prinzip den Verlauf eines Ge- richtsprozesses, so ist das epische Drana mit der Untsrsuchung einer KatastrOphs, 2.3. eines Dambruches, eines Flugzeugabsturaes, einer Epidenie vergleichbar. Auch hier geht es un Zeugenvsrneh-xngen und fihnliche traditionslls Vsrhandlungsnethoden: gleichermaBen wichtig wird jedoch nun auch sine genaue Feststellung aller Fakten in Zusan- menhang mit der KatastrOphe, die auBerden anders betrachtet werden m3 als dis Tat eines Individuuns. Persfinliches Verschulden lfiBt sich in einen solchen Fall oft nicht feststellen. Der unhsilvolle Ausgang ist die Folge einer Ketts von Ereignissen, an denen keinsr der Charaktere wirklich schuld 2u lubsn braucht. ‘9 In der Fabel will Lens also seine drantischsn Figuren in ihrer gesanten Unrelt vorffihrsn und ent- hfillen. Er bedisnt sich bein 3au seines Stfickes einer Vislaahl von Episoden. Diese sollen 2eigen, daB dis Personen von der Unrelt der- art hin und her geworfsn werden, daB ihre Handlungen nehr und nehr von ihrer Ungsbung bedingt werden. Sis hfinnen nicht andere handeln. Ein derartiger Handlungsablauf vsrzichtst auf Spannung. Dis 3e- rechtigung dieser Feststsllung 113t sich viellsicht an der typischen nenschlichea Reaktion bei Naturkatastrophen naclnreisen. Unabhfingig von den Eindruck, den die Nachricht von einen Unglfick in uns erweckt, veniBt m jegliches Vorhandensein von Spannungselensnten in einer 22 Untersuchung dsrselben. Der Grund ffir sine derartige Heaktion beruht 2weifelsohns auf den Wisssn, dab dis Wirkung der Katastrophe auf tech- nische Ursachen, wie veraltets Deiche (bei Uberschwemngen zun Bei- spisl), surfickzuffihren ist. In einen Zustand dsr Spannung befinden wir uns nicht, es handelt sich vielnehr un sine Art gestsigsrtsr Neu- gisr, vergleichbar mit der Nervositfit eines Gelshrtsn, der sine wissen- schaftliche Ffihrte aufgenomnen hat, dis ihn sum Ort der Wahrheit bringen soll. 5° Verallgueinernd ausgedrfickt: die Fabel dss epischen Dramas ent- behrt wohl des Elenents der Spannung, wfihrsnd sis sin anderss drana- tischss Element gewinnt, das wir - da es von der Erregung bei der Gegsnfibsrstellung eimnder widersprechendsr Zsugnisse gespeist wird - den drana- ;ischen Kontrast nennen. Der Kontrasgi der potentisll in organg lag, ist ins Leben getreten. Crunbach ffihrt als bsispielhaft ffir die Spannungslosigkeit in epischen Dran Honors Epos an, an desssn Anfang schon der Ausgang angsgsben wird, nfinlich dsr EntschluB der thtsr, Odysseus heinzuffihrsn. 52 Den Zuschausr des epischen Dranas wird sbenfalls gleich an Anfang der Ausgang der Fabel nitgeteilt; gerade deswegen ist er auf viele fiber- raschungen vorbsreitet. In seinen am” fibers Theater spricht Lenz von einer 'Hsihe von Handlungen, die wie Donnerschlfige auf ein- ander folgen'. 53 An Anfang vu Hofneister weiB an gleich, daB es nicht gut aus- gshen kann. Lsn2 hat sich in der ersten Seens, d.h. in Lfiuffers Selbstgssprfich, einen nassiven Lacheffekt dadurch gssichert, daB nicht bloB erzfihlt, sondern won Lfiuffer selbst denonstriert wird, daB er sin unwiseender, sich selbst vsrkennender, stut2erhafter Kaua ist, den 23 man nicht 'ffir voll" nil-t. Nicht Spannung, sondern "die Lust an Miterleben" wird in uns er- regt. 54 Der Zuschauer hat gerade in Lfiuffers frappisrsnder Selbst- darstellung erlebt, was ffir sin Mensch er ist. Jet2t wird er nit Lfiuffers ”viel freundlichen ScharrffiBen" konfrontiert, und weiB nicht, was or denken soll, hat Lfiuffer doch gerade fiber den Geheimrat gesagt: 'Ich schsu ihn firger als den Teufel". In der darauffolgenden Ssene erffihrt dsr Zuschausr nunmehr von andsrer Ssits, nfinlich von Geheimrat und Major, daB nan Lfiuffer tatsfichlich nicht "ffir voll" ni-t; daB Lfiuffer auBsrden Hofneister bei der Fanilie Berg werden soll, und dab man dsr Meinung des Geheimts nach ksinen Hofmeister braucht. In der 3. Szene tritt Lfiuffsr gegenfiber dsr eitlen, koketten Majorin auf, macht ihr auf sehr servils Weiss Konplinsnte und wird alsbald als schlechter Initator adligsr Manieren von ihr entlarvt: So ist das Bild von Lfiuffer als einen lficherlichen Menschen bestfitigt. Doch gleichasitig deutet sich bei der Frags nach Lluffsrs Gshalt schon an, daB nicht alles in der adligen Welt in Ordnung ist. Dann wird Lfiuffer wie sin Bediensteter in ngenwart dss neu angsko-ensn Grafen Wer-ath gsdedtigt und auf sein Zi-er geschickt, weil er es gswagt hat, sich ins Gssprfich 2u nischsn. Noch nicht genug, so sieht dsr Zuschauer nach Lluffers Abgang, wie sich die Majorin lficherlich macht. In der nfichsten Ssene, in dsr er seinen Sohn niBhandelt, lernt nan den Major von seiner brachialen Ssits ~ ksnnen. Auch drfickt er [Suffers Gshalt weiter hsrunter und bfirdet ihn neue Pflichten auf. Und so geht es weiter in Dran: Der Gegsnsata swischen Privilegierten und Nichtpri- vilsgierten, d.h. swischen den herrischsn Adel und den kriechsrischsn urgertun, sowie dis Dnfiglichksit aller, sich voa den 24 gossllschaftlichen Konventionon zu befreien, wird inner wieder vorgs- ffihrt. Danit soll gssoigt werden, daB die Fabel dos epischen Dramas ”in solchen Rsichtun, in solcher Ffille' einsetzt, 'daB wir das Nous wittern und die Gior danach steigt: Es lohnt sich aufzupassen". 55 Die Fabel dos klassischsn Dramas hat sins vfillig andere Funktion.... Hier laBt der Dichter weder sich noch uns Zeit, ihre Einzelheiten zu gonieBen, da alles unaufhaltsam dem Ziele entgegendrzngt, mitleidend werden wir nitgorissen. 56 Spannung hfitts Lona gleich in dsr ersten Saeno srrogt, wenn den Loser odor Zuschausr darin nitgeteilt worden wfire, daB Lfiuffer Aus- sichten auf sins Hauslehrorstollung bei dsr Fanilis dos Majors habs. Dann wfiren seine kriecherischon Krataffifls vorstfindlich gewosen. Da dis Hofneisterposition ksine Exwfihnung in Monolog findet, errsgt Lfiuffors fibertriobens Unterwfirfigkeit Neugier. Die einilhrendon Worts, spfitestons die erste Ssene eines epischen Theaterstfickss, sind auf einen Zweck ausgerichtst: das Geset2 dsr Kontraste, das don Gssantstfick 2ugrunde1isgt, deutlich 2u nachen. 57 W1:- wissen schon aus Lfiuffors ersten Horton, deB er Lehror werden will, was 2u jener Zoit sin nornlor 3oginn ffir don fertigsn Theologie- Studenton war. Glsichsoitig ffillt uns seine Unfortigksit, seine Un- tauglichkeit auf. Fast unbewuBt drfingt sich die Frags auf: Der soll Lehror werden? Wer wfirds ihn schon anstellen? Die Fabel dos Epischsn Dre‘s 2eigt uns die Widorsprfich- lichksit dos Vorgangs in einer so gestoigerten Ffille dos Sehens- werton, daB wir in sine lustvoll srhfihte Aufnahnsboreitscgaft, sogar in sine Bereitschaft nitzuhandeln vsrsetzt werden. Trot: aller Wucht dsr ersten Sssns bleibt dis Fabel nicht dabei stshen; ihre Ffills, die sich nicht knapp wisdsrgeben mt wie in klassischen Dran, 59 drlngt auf Entfaltung. Versucht nan, sis kurz 25 zusamsnsufasson, so stht nan alabald auf Schwierigkeiten. Cohen wir von den Eindruck aus, don dis erste Szono in una erweckt hat. Iat die Fabel dos Drama die Goschichto eines Ignoranten, dsr Ersieher werden will? Nein, das wsiB dsr Loser. Wis steht es danit, da3 dsr Major Lfiuffors Anstollung als Hofmeistor orwfigt? Entfaltet sich also die Fabel als dsr Lebenslauf dos Hofneisters Lauffsr? Auch nicht. Absr schon die Erfahrung, dab Lfiuffer nbglichorwoiss die Position bsko—t, errogt unseren Widerapruch, kennsn wir ihn doch schon als einen etwas vsrwundsrlichen jungen Mann. Eine derartige Kontrastierung snpfindon wir als widsraprfichlich. Und diese Mtion hat dis Fabel dos epischen Dramas: sis will nach Crunbach oine solche Hsaktion dsa Widorspruchs, dsr Bhpfirung, dsr Rebellion in uns horvorrufsn. 6° Und wir bogegnen Widerapruch auf Widerapruch in Hofneistor. Noch in der- solbsn Saono offenbart sich, daB Major Berg sich gar nicht fibsrlogt hat, was dsr Hofmeistor aeinen Sohn 1ehren soll: 'Daa word ich ihn alles schon 2u seiner Zsit sagsn", was dis folgende Entgegnung dos Geheimrats provosiort: 'Das hsiBt: du willst Hofmeistor doines Hof- noistsrs sein“. Sodann werden die Weichea nsu gestellt. Lfiuffers Behandlung, Aufgabon und Gshalt sind niserabel. Er wird also von Adligen ausge- beutot? Das allein wfiro dio Fabel? Warun bleibt er dann nehr als 2woi Jahro bei der Fanilie? Er hat Heiratsabsichten auf die Fanilien- tochter. Warun 2eigt er sich absr so ninosonhaft ihr gegenfibor? Warun hat Lona die dranatische Figur Fritz oingeffihrt? Welchea Bild hat an von Gustchen in dsr Liebosassne, da wir ja wissen, daB sis ihren Frit2 einen Liebeseid geschworen 2u haben noint? Welchen Zweck erffillon die neuen Figuren Wenaeslaus, Lise, Hehaar st al.? Und so 26 geht es woitsr in Drona. Dis Fabel woicht jsglicher kur2en Zusanon- fassung aus. Wsnn wir nicht wfiBtsn, daB es die Funktion dsr Fabel ist, die ganse Widorsprfichlichkeit dos Vorgangs 2u dononstrioren, so wfirde uns die groBs Stoff'fillo dos Dramas in Verwirrung vsrsetzsn. Welchs Wirkung haben dis stnen in Drama aus der privaten Sphfiro dsr Menschon auf uns, etwa die Liebesszene 2wischen Lfiuffor und Gust- chen, dis Kastrationss2sno, dis Szone, in der Lfiuffer Lise seine leidonschaftlichs Liobe orklfirt? Worden sis uns auch nicht noch nehr in einen Zustand von hfichstsr Neugier, in sine “lustvoll erhfihto Auf- natnsbereitschaft" versetsen? Wir konaen 2u dsr letzten Funktion der Fabel in epischen Drana, die Grunbach als "den Auftrag zur Bildung einer G s g s n f a - b s l " 61 charaktsrisisrt. Crunbach ffihrt aus, daB nicht nur die Fabel selbst, sondern auch dis Vsrtsilung dsr Akzsnts heftigsn Widerapruch srrogo, da dsr Zu- schauor dis Parteinahne dos Dichtera etwarte. Er wells die Urgsgsn- sfitso der Welt als ein Spannungsfsld erleben; dabei halts or Objekti- vitfit ffir Selbstnord. “Yon Dranatiksr fordert or sntschiodsnss Ur- tsil'. 62 Bsi den Dranatikern dos epischen Theaters ist es andere: Ihnon geht ss darun, den Kontrast in hbchstnbglicher Boinhsit darau- stsllsn. So orstrsbsn sis sins objsktive Haltung. 63 Die objoktive Haltung dose allsrdings erklnpft werden; denn dsr Dichter nshns ja in summon individuell Stellung. 5‘ Leson m- hisr2u als ran-ant», was Lenz 1775 an die Grfifin La Roche schrieb: 'fl'berhaupt wird neins Dedhung dahin geben, dis Stlnde darsustellen, wie sie sind; nicht, wie sis Persouon aus einer hfiheron Sphlro sich vorstsllsn". 65 “In seiner Bedhtheit un ... Distana wfihlt" dsr epische Dranatiksr 27 deshalb, je klarsr or die Struktur der von ihn gewfihlten Form srkannt hat, um so entschiedener die Methods, dis den eigenen Herzsn nahestohendo Sache als dis achwfichero 2u demonstrieren. Stets wird er das starkere Goschfitz dor Gegenaeite zuteilen, wird die Vsrtreter seiner Intoreasen oft nit fast fibertriebenen Schwfichon behaftot zeigen und seine ganze Kunst daran wenden, dsr bfison Ssits liobens- odor doch anorkennenswsrto Zfigo zu verleihen. Ala echter Domonstrant woiB er um die 'Psychologie dsr Maass', die stets die Partoi dss Scl'ancheren ergreift; will or einen solchen Effekt srzielsn, m3 all seine Kunst darauf gorichtet sein, den positiven Pol seines Kontrastes viellsicht aogar offonkundig ungerocht zu benachteiligen. 66 So ist die den positiven Kontrastpol vertretonde Figur Lfiuffer fir don Zuschauer von Anfang an als sin unwisssndor, sich selbst ver- ksnnsnder, geckenhafter, nicht 'ffir voll" zu nehnendsr, jungsr Mann abgestempolt. Zweifellos wird mancher auch behaupten, or sei durch und durch sin Bbsowicht, weil or die gan2 unschuldige Faniliontochter verffihrt habe, und dazu noch wohl porvsrs, weil or vorauche, sich an den huornmfidchon am Ends dos Dramas zu vergreifen und es auch hoi- raton wolle. GemMB don Forderungsn Crunbachs erscheint dsr Gegsnpol in groBon und ganzon gar nicht unsympathiach. Der Major ist sun Bsi- spiol trots golegsntlichor, gewalttfitigsr Anwandlungsn, die durchaua 2n ihn in seiner Eigenschaft als poltriger miles gloriosus paassn, sin hsrzenagutsr Mensch. Seine Frau wirkt ungsffihrlich, weil sie sich so llcherlich-du-a benimnt. Wsnzoalaus 2eigt sich moist als schrullig und psdantisch und dsr Gohsinrat tritt an vsrschiedonsn Stellen als Verfochtor notwondigor Refornsn auf. Damn wird es den Zuschausr nicht leicht fallen so orraten, ffir welcho Figur odor Figuren dsr Dichter oingsno-on ist. "Die Fabel wirkt" also "in Zuschauer so, den or gsswungen ist, sich seine Meinungaubilden". 67 Der Richtung dsr dra-tischen Fabel entgsgongesetat 'wfichst also in ms etwas gens Selbstfindiges": 68 Der Zuschauer lacht Lfiuffsr swar 28 aus, aber or stellt sich innerlich auf seine Seite. Obwohl sich Lfiuffor namlich als lzcherlicher und unzulanglicher Mensch erweist, wird ihm von dor Welt fibler mitgespielt als umgekohrt; d.h. in Innern dos Zuschauors spiolt sich oine Art Richtigstellung ab: or erkennt don Mangel und gleichzoitig daa Bedfirfnis nach Verbossorung in der Welt. Dieser ProzeB ist die "Gogonfabel'. Der Zuschauer dos epischen Dramas wird ... in seinem.privaton Bereich sein Verhalten Hndorn und seine Mitmenschon eines ochton Anschauens ffir Wort halten. Wie lango daa Erlebnis nachwirkt, hfingt von der Potonz des orkennenden Geistos ab. DaB die Dramon des Epischen Theaters auf unser Tun einen starkeren EinfluB gewinnon, liegt daran, daB w i r - ohne die Hilfo dos Dichtors — entscheiden mfiason. Ein letztes Problem in Zusammenhang mit der Fabel bleibt noch zu erfirtern. Die Kontrastpole im.epischen Drama sollen gleichwertig sein. 70 Durch daa doppelte Ends im.Hofmeistor wird jedoch der posi- tive Pol geschwficht: Lfiuffor bekommt zwar voraussichtlich oine Frau, aber wir wissen schon, daB daa keine richtige Ehe sein kann. Und der zwoite, forciert glficklicho Ausgang in den Familienszenen erregt auch unsor MiBfallon. :Aber gerade dadurch werden wir angerogt; durch unsero aktive Boschaftigung wird die Gloichwortigkeit der Pole wieder- horgestellt. ”Die Gegonfabol, die sich der wirklichen zuwidor in dsr Sselo dos Zuschauers gebildot hat, ist auf oine Weltverbessorung gorichtot”, 71 die es Lfiuffor erlaubt, in dieser Welt zu oxistieren und sich natfirlich zu entfalton. 3. KAPITEL DIE HANDLUNG Der Begriff dsr Zeit In klassischan Drama ist die Zsit sin Batman, in den sich die Handlung vollsioht, dis nach einer in dsr Zukunft lisgsndsn Ides, den Ende dos Dramas, ausgerichtet ist. Die Zsit ist also auf die Zukunft gespannt und ist folglich sin Element dsr Goapannthsit in klasaischsn Drana, nit anderen Horton: 'Das Spannungsdrama ist ... teleologisch orientiort, vsrachtet die Vorzoit und sieht daa Hail in dsr Zu- . kunft". 72 In epischen Dram hat dis Zoit als sin strukturbildendos Elsnent oine dsr Handlung untergsordnete Funktion: Ala Fomgessta dsr linearen Handlungserstrockung arksnnsn wir die Polaritfit swischsn den 'Jatzt und Vorboi' and dsr Mg- keitsdausr, daa hoist, as wird die gezeigte Linie als Teilatfick mitsant ihrer gedachten Verllngsrung in dis Unendlichksit er- kannt. GenflB ihrer fragmentarischsn Qualitfit ist sis weder in Anfang noch im Ends festgelegt, doch wird dsr Anfang sorg- ffiltig gewfihlt, um ihre Tendenz 2u offenbaren; das Ends absr nuB, soll daa Forngeaetz intogriert werden, in dis Unendlichkeit weisen, sin AbschluB in der Zeit ist unmbglich. Manches wird schon an diesen Begriff aufgefallen sein, was nicht nur dsr Funktion dsr Zeit, sondern auch den Wesen daa Spanmngadramas widorspricht. Zunfichst hat das epische Drama kein Ends, d.h. keinon 'Absch1u3 in der Zeit'. Nun wird auoh in Spannungsdrana nit den Mittsl dos Kontrastse gsarbeitet, 2.3. swischen Gut und Bass, Himnsl 29 30 und Hfillo, Gott und ATeufol. Abor diess Gogensfitzo werden - setzt man don Begriff dsr Spannung voraua.- im.Enda auagoabhnt, d.h. ea wird sin Ziel orreicht. Wail absr die Handlungsorstreckung in epischen Drama sine "in die Unondlichkoit" woisende, ”linoaro” ist, kommt die Gs- apanntheit nicht zur Gsltung. Daa bedingt sin weiteres Problem, daa Crumbach mit dsm‘Ausdruck ”fragmentarischs Qualitfit' kennzsichnot. Wonn dem so ist, scheint oine Auflfisung dor Handlung in sine Motto von Episodsn und der Eindruck epischer Breito unvermsidbar. Ein solchea Drama ware durch daa Fehlsn dor'Kausalitfit gskonn- 2sichnet. Dieas macht sich schon gleich in dsr ersten stne dos Hofmeisters bemerkbar. Fritz Bosttger schreibt: An Stelle dos strong kauaalen Handlungszusanmenhangs, in dem koin Glisd fshlsn darf, gibt or dramatisch bewegto Aus- schnitts aua dem Leben, wichtigs Augenblicke eines Gsachshniasss, Komplexea in dor Erwartung, daB sich die wssentlichen Bildor, gleichsam.Aufnahmen dsr Hauptmomente einer Goschichto, in dsr Phantasio dos Losers oder Zuhbrsrs von selbst zu einer zusammen- hingendon Goschohniareihs verknfipfen. So mfisssn solche Erwfigungsn nicht nur bei dsr Untorsuchung dsr Zeit an sich, sondern auch bei dsr Gosamthandlung in epischen Drama nit borficksichtigt werden. Sis haben auBerdem konkroto Bedsutung ffir den Hofmeistor; mancher Laser wird sich dos Eindrucks nicht erwehren kfinnen, daB daa Drama aus gar zu vielen.fiborflfissigon.Episoden besteht. In Lenzens theoretischen Schriftsn findet sich ksine solche Definition dsr*Zeit wie die von Crumbach. So wollen wir uns jetzt dam Hofmeistor zuwendon. Ffir dis Behandlung dor’Zeit sind imtDrama.Anfang und Ends beson- ders aufschluflroich. Daher gilt as an zeigen, da3 dis lineare Hand- lungserstreckung in Drama “weder in Anfang noch in Ends festgelegt" ist, und dab ”derrAnfang sorgffiltig gewfihlt" ist, um die Tendenz dsr Handlungserstrockung zu offenbaren. 31 Wir gehsn zunfichst von den rein zeitlichen Verhfiltniasen aus. Der Vsrauch, den zeitlichen Ralunen daa 3sginna zu bestimmen, achlzgt fshl. Dis Anfangsszons gibt ksins Auskunft darfibor und die 2weite erschwert dis Aufgabe eher, denn die Frags, die sich dort srhebt, lautet: Hat Lfiuffsr schon an Anfang von seiner neuen Position gowuBt? Und in den rsstlichen Szenon dea 1. Aktes verhfilt es sich nicht andere. Alloa, was man bezfiglich dos Zeitablaufes vemtsn kann, ist, daB die Zeitabstfinde zwiachen don Szenon kurz sind. Waiters Hinwoiso biston sich nicht an. Die gloichs Erscheinung zeichnet sich absr such an Ends, also vornehnlich im 5. Akts ab, wfihrsnd die dazwischenlio- gondon Akts andere zeitliche Vorha’ltnisse aufwsisen. In ihnen finden sich viele aus dem Zusamonhang 2u achlioBonde Zeitangaben. In 2. Akt ist die Zeitspanns rslativ fiberschaubar. Zweimal wird von den 'Hunds- tagsn" gssprochen, d.h. von der Zeit zwiachen den 24. Juli und den 24.‘ August (3. und 6. stns). Es kann angonommsn werden, daB die beiden ersten Szenon den weiteren Szenon in Akt nahs stshen; in der 1. Szens, den Gesprfich zwiachen Pastor Lfiuffsr und Geheimrat Berg, wird Lfiuffers Brief erwfihnt. In der 5. Sum teilt Lfiuffsr Gustchon dis Antwort dos Geheimrats auf den Brief mit. Dis 7. and lotzto S2ana (Goffingnisszene) hfingt zeitlich insowoit mit dem rsstlichen Akt ong 2usamnen, als wir wissen, daB Pfitus in dsr 3. stns groBes Pech nit seiner Wirtin gshabt tut. In 3. Akt findet alles an aslbsn Tag statt. IV,1 aetzt sin Jahr nach den 3. Akt sin. Szenon 2 bis 5 spielen sich 2woi Tags spfitsr ab, wfihrend dis 6. und letsts Szons und der game 5. Akt zeitlich unbsstimmbar sind. Wohl sehen wir, daB dis zeitlichen Umrisss an Anfang und Ends vorwischt sind. Folglioh erhabt sich die Frags nach dem Zweck dieser 32 zoitlich nicht festgelsgten Endpunkte dos Drama. Ala Antwort bioten wir die folgsnds, noch unbewissens Annahms: Hauptgrund ffir daa Fohlen eines Anfanga und Endea in Hofmeistor ist, daB sich die Figuren darin nicht von den Vsrhaltnisson in dsr Gessllschaft 2u befrsisn vormfigon. Es ist dies die Tondsnz dsr Handlungasratreckung, dis den Anfang dos Dramas bedingt und sich bis zum Ausgang dos Handlungsverlaufos mani- fostisrt. Gelfinge den Figuren sins Bsfrsiung, so ware danit don dramatischsn Work sin Ends gssetzt. Ebsnfalls wfirs dsr Grundkontrast in Hofmeistor aufgshobsn; sin solcher Durchbruch aus den gogsbonen gssallachaftlichen Vorhfiltnissen heraua brfichte dis Mfiglichkeit nit sich, sich als Mensch zu sntfalten und so auf sine bssaere Gossll- schaft hinzuarbeitsn. Wir wondsn una zunfichst dem 3oginn dos Dramas 2u. Laut Crunbachs Bohauptung 2oichnet sich wahrhaftig in der 1. stne ksin Anfang ab. Es ist orsichtlich, daB Lfiuffer sich nach einer Stollung unsisht, absr aus asinan Monolog geht hervor, dab or arbsitalos ist. Wir hfirsn nur von asinan wsnig fruchtbringsndsn Rsflexionen. Man fragt sich, was soll daa ganza Gorede, as gaschieht ja nichts. Es sind absr seine Dstrachtungen, in denen seine vsrwiokelte Lage erfirtort wird; u.a. kann or nicht nit finanaisller Hilfo von asinan Water rschnon und dsr Geheimrat will ihn nicht als Stadtachullahror annetnon. In Laufe dieser Selbstbotrachtungsn Lfiuffsrs tritt seine Ratlosigksit klar zu- tags. Diesel deutet die Tondsnz dsr Bandlungserstrsckung an. Die 2., provokatorisch wirkendo Szons, dis wonig Handlung bringt, erscheint episodsnhaft, was fibrigens auch bei dsr 1. zutrifft. Dis Kmbinationsffihigkeit dos Zuschauors wird stark strapaziert. Er wsiB, daB Lfiuffor vorher kain Interesse an den Tag gelsgt hat, 33 Hofmeistor 2n werden, ja, diess Mbglichksit nicht oinmal erwogsn hatto. Hior wird jedoch von seiner Anstollung als von einer vollendstsn Tat- sache gosprochan. Und wann den so ist, warum sprschen dann dsr Major und der Geheimrat ihn nicht an? Was ffir sin Verhaltsn wfirs daa, den neuen Hofmeistor gar nichts von seiner Stellung 2u sagen? Oder, so wird man sich fibsrlegsn, weiB Lfiuffer fiborhaupt davon? Darauf lieBs sich freilich koin Rein nachen. Erat die 3. Sasns vsrachafft Klarhsit darfibsr. wuffsr wird Hof- meistor, weil sein Vatar sich daffir entsohisdon hat. So ist es wohl mfiglich, daB Lfiuffsr vorhor darfibor nicht informisrt war. Inden er sich jedoch ffigt, offenbart er — was sich bei ihn wisdsrholt - sein Unvsrmbgen, sich von den gssollschaftlichen Gogebsnhsiton, in diesem Fall dem auf oigsner Erfahrung beruhenden EntschluB seines Waters, au distanzioren. Hisr wie in dsr 4. Sum wird ohne viel Unschroife deutlich, daB Lfiuffor die Mbglichksit dsr Persfinlichkoitsentfaltung durch seine adligen Herran genonon wird. Auch in dsr 5. und 6. Ssene dos 1. Aktos manifestisrt sich diess Tendenz dsr Handlungserstreckung. Betrachtst man jedoch den 1. Akt in Zusammenhang mit den Akten 2, 3 und 4, so scheint sich etwas su orgsben, was als sin spanmngs- drantischos Elenont anzusshen ist: in diesen Akten bildsn sich zeit- liche Gruppiarungsn herons, and 2war dorart, daB dsr l. Akt hauptsfich- lich als Einffihrung in dis bosagten Akte 2u disnsn scheint. Des 1ie3s auf Ziolstrebigkeit dos Drama schlieBsn. Sshen wir uns daa Drama unter diesen Aspskt an. Ist dsr l. Akt ainffihrend, so hat dis mnmehr einsstssnds, zeit- liche Anordnung dsr Szenon in 2. Akt den Sinn, die 2woi Jahre dauern- don, sich sntwickelndon und sich auspitaondsn Ersignissa seit Lfiuffera 34 Anstollung vorzuffihron: Lfiuffor hat soinen Heiratsplan ausgesonnsn, dsr zu einer Liebesafffiro ffihrt, weil es Gustchon so will. Fritz und Guatchen hatten in 1,6 den Geheimrat voraprochsn, sich nur offene, nicht heimlichs Briefs zu schreibsn. Fritz schreibt jetzt einen Brief an asinan Vatsr, weil daa die sinzige Mbglichkeit ist, nit Guatchen in Ysrbindung zu bleiben. Gustchon hat absr von diesem Zeitpunkt an wohl diesen und auch alle weiteren briefs von Fritz nicht zu lsaen bo- kommsn. Pfitus gerfit in geldliche Schwierigkeitsn und nuB die Flucht orgrsifon, wfihrond Fritz ffir ihn ins Gofangnis geht. In 3. Akt begognot sin ganz andsrss Zoittenpo. Gustchon und Lfiuffor werden entdsckt. Sis fliohon und werden vorfolgt. Der Gs- heinrat srhfilt von won Seiffenblase einen falachsn Boricht fiber seinen Sohn und Pfitus. Ein tatsfichlichsr Zeitablauf von nehr als 2woi Jahron wird also an einem oinzigen Tag zoratbrt. Wsnn sich auch noch in 4. Akt in Untsrschied zum 5. sins zeit- liche Anordnung foststellen lfiBt, so ist das nunnehr in Hofmeistor vorhfiltnismfiflig bolanglos gowordon angosichts einer neuen Erscheinung, die sich schon in 3. Akt abzsichnst und in 4. und 5. Akt den Auaschlag gibt: dis dramtischsn Figuren fangsn wisdsrholt von neuen an. In Uboroinsti-Iung mit der Tondenz dsr Handlungserstrsckung bokunden dis Figuren in ihren Nsuboginnsn ihren Glauben daran, daB aie sich von den tatsfichlichon Verhfiltnisson in dsr Gsss11achaft lbaen kannen. Daa golingt ihnen absr nicht. Zieht man dis SchluBfolgsrung daraus, so into sis lautsn, daB koin hide in Drama stattfindot; sin solchea Vor- Inlton dsr Figuren 1ie3s sich als oine bis ins Unondliche rsichondo Handlungskotte beechrsibsn. Dis Zoit bfiBt ihre in Sinne dos klas- sischen Drama orfordorliche zielstrsbigs Qualitfit sin, wenn in ihr 35 dauernd nou begonnen wird. Dieser Eindruck wird dadurch verstfirkt, daB in 5. Akt Zeitangabsn fehlsn. In 3. Akt ist sin Nouboginn oder zumindest dsr Wills dazu bei Gustchon, Lfiuffsr und den Geheimrat deutlich sichtbar. Ubor Guatchen orffihrt man in diesem Akt nichts Nfihsrss, aio nuB absr aufgrund ihrer Lage nou beginnen. Lfiuffor frsut sich fiber seine nous Freiheit und bekomnt auch sins Stellung als Hilfslshrer. Nachdsn dsr Geheimrat dis vsrlsumdorischs Nachricht fiber Fritz gshfirt hat, ontschlieBt or sich zu "fasten und beten", d.h. or will sich als BHBsr einen neuen Anfang aotzen. In 4. Akt ist as such nicht andere. In IV,1 hbrt man, daB Fritz aus dem Goffingnia ontkommsn ist. Er beginnt also auch wieder sin neues Leben. In dsrselbsn Szene sagt dsr Major, or wolla seine Frau vsrlaaaen, um auf russischor Ssits gegen dis Tfirken zu kfinpfen und zu stsrbsn. Guatchen bricht auf, um Verzeihung von ihren Vater zu erbittsn. Rehaar achickt seine Tochter nach Kfinigsborg, weil ihr Buf zuhauss hin ist. In 5. Akt will Lfiuffer nach seiner Selbstent- mnnung “wieder anfangon zu leben". In doppelton Ends dos Drama ist disses Phfinmon ebonfalls anzutreffen. Lfiuffor will Lise hoiraton, was als neusr Anfang gilt. In den hmilienszsnon kehrsn Fritz und Pfitus zurfick und fast slntlichs Mitglisder dsr Familis Berg kommen zu- sanmsn, um nou anzufangon. Der Geheimrat und der alts Pfitus vsrgobon den Sfihnsn, den alten Pfitus wird von seiner Mutter verziehon, dsr Major hat zusanmen nit Gustchon nabs gotan und Fritz und Guatchen wollen zusamsn das Sfihnchen aufziehen. Des Ends dos Dramas bringt also keinsn AbschluB, sondern einen Anfang; dis Figuren halten inner noch an den Irrglauben fest, dab sis sich von Gssollschaftssystem frsimchsn kfinnsn, und beginnen also wieder von neuen. Des Dram 36 hat absr schon die Nichtigkoit eines solchen Glaubsns wiedsrholt or- wioson. So bietsn dis Fanilienszenon einen potsntioll rsichen Nfihr- bodon ffir den unaufhfirlichen Weiterverlauf dsr Handlung. Bsi dem Aus- gang dsr Lfiuffer-Handlung war as nicht andsrs. Was ist von einer solchen Eho zu erwarton? Gorade die Tatsachs, dab es dazu geko-an ist, 2oigt, daB dis Handlung fortgosetzt werden kann. Wir glauben, in diesen Zuga dos Nichtendenkbnnsns die ErDfillung dsr Bshauptung zu sehen, nach dsr daa Ends dos epischen Drama “in die Dnendlichkoit' weist. 'Ein AbschluB in der Zait" findet nicht statt. Noch haben wir uns nicht nit dsr zeitlichen Polaritfit twischsn den 'Jstzt und Vorbsi" und den Ewigsn bsfaBt. In dsr Vorffihrung dos Mgen, das oft blitzsohnoll auftaucht, 75 will der epische Dram- tiksr die Bsschrfinktheit dsr Jstztzsit zum Ausdruck bringen. "BewuBt- mchen will or den Punkt Null dsr Alltagszsit, unnatfirliohss Vsrbrb- seln dsr uns von Gott gogsbonen Spanne'. 76 Das erste Bsispisl ffir diess Haltung findet sich in 111,3. Wenn den Geheimrat vm vsrlsum- dsrischen von Seiffenblase und dessen Komplicsn und Hofmeistor mitge- teilt wird, was sein Sohn angsstellt haben soll, woiB er nichts andsrss zu tun, als zu bfiBen. Durch seine sigene Aussage (“Essen Sie: ich will fasten und baton“) gibt er zu erksnnsn, daB or in den Gswohn- heiten dos Alltags ksinen Trost nehr finden kann, und daB er sich dsswegsn den Brigen zuwondst. Des BswuBtmachen des Punktes Null dsr Alltagszeit bsdsutst absr nicht, da3 den Figuren in epischen Dram sine solche Einsicht and vor allen deren Verwirklichung gelingen wird; sin solcher Vorgang liefe auf sine Entschsidung fir einen dsr Pole and also einen 'AbschluB in der Zeit' hinaus. Disses Anlisgen des epischen Dramtikers richtet sich an die Zuschauer. Als Nfiohstss 37 erhsbt sich die Frags, woran nach Crunbach Jetzt und Mgkoit zu sr- kennsn sind. "In Jetzt ... ist es unaer Alltag, in der Ewigkeit ... sind es unsore Gedanken und Trfiuns, dis sich in ihrer Gospaltsnhsit mnifsatieron". 77 Mr sich gsnomen bodoutet dis Beaktion dos Gs- hoimrats, daB or sich dsr Boschrfinkthsit dsr Jetztzsit und der Baden»- tung dos Ewigen bowuBt gswordsn ist, d.h. dis beiden Kontrastpols sind deutlich zu orksnnon. In dieser Erkenntnis kbnnts sins Entscheidung ffir das Ewige liegsn. Wis sieht sis absr aus? Der Mann dsr unbo- dingtsn Freiheit, ffir den or sich in Gseprfich nit Pastor Lluffer aus- gab, findet, dab sin 'Gericht Gottes fiber gswisss Familisn" ssi, "dis Vfitsr ntsn tun, was sis wollen“. Auch fiberlegt er sich, ob or diess bounruhigende Nachricht nicht durch die Ausschroifungon seiner Jugsnd verdiont habs. Hior zeigt sich die Gospaltsnhsit in seiner Dsnkweise. Dioss Gospaltsnhsit liegt absr vial tisfer. Fasten und baton bssagt eigsntlich, dab man We tut, wisdsrgutmacht. Der Geheimrat bleibt absr bis auf das Ends dos Dramas trots seines lfiblichen Vorsatzos dsr nifilichsn Lage seines Sohnes gegsnfiber hart: Obwohl er nfimlich seine Mgkoitserkenntnis in dis Tat ungosetzt hat, indem or bstots und faststs, kann das allein nicht gsnfigen, eolange er asinan Sohn nicht vergibt. Dis Gospaltsnhsit bezfiglich dos Kontrastes zwiachen Jetzt und Mg weist also linear ”in dis Unendlichkait'. In IV ,2 hatte Gustchon in Traun .f- Einbruch der Mgkeit - gesehen, wie ihr Vater ”sich die woiBen Haars ausriB", or hatte ”Blot in den Augsn', wankto, 'warf sich auf die Brde und blieb tot lisgon". Gust- chons Gospaltsnhsit offenbart sich in ihren Entschlnn, sofort zu ihren Water zurfickzukshren. Dis alte Marthe ist dagsgen, dafl Guatchen in so scl'stachon Zustand daa Woohenbatt und den Sfiugling vsrlfiflt. Schliofilich 38 will sis selbst ffir Gustchon ins Dorf. Das Mldchen sieht absr dis Bichtigksit disses Vorschlagss nicht sin. Auch vsrmag die Entgegnung der alten Frau, daB Trfiuno ”grade daa ngsnteil bedoutsn", sie nicht 2u fibarzeugen, dab sis dort bleiben soll. Und tatsfichlich ffillt sis auf den Bsi-regs armattst nieder und wirft sich nit ihren letzten Krfiftsn in den T'sich. Ihr Vater, dsr zuffillig vorbeikumt, rettet sis. Dis beiden obigen Beispisls lassen ebsnfalls erksnnen, dab dis Polaritfit zwiachen Jetzt und brig sich oft zeigt, wenn sins dram- tischo Figur nou beginnsn will. Auch andere solche Ffillo kfinnen ange- mhrt werden. In V,10 botst Lluffsr auf Wsnzsslaus' GeheiB um Er- lsuchtung, wfihrond Lise hereintritt. Die ersten Worte, die or an sis richtst, als or sis sieht, lautsn: "Du hast sine Seals dem Himsl gs- stohlan". Danach mcht er ihr einen Hoiratsantrag. In der letzten Familisnszsne spricht dsr Major viel von dsr Bubs. Man fragt sich je- doch, wiswisl Wort diess Me hat, denn dsr Eindruck, den die Batons- rungon dos lbjors hinterlassen, ist, den or BuBo getan hat, um Gust- chon Gesellschaft zu lsistsn. Fsrner scheint or dis Bubs als solche infrags zu stellon, wenn er versichsrt, daB Guatchen ”wie keine Nonns und ksin Boiliger' bereut habe, und denn hinzuffigt: "Abor was ist zu mchen? Sind dooh die Bagel aus dem Himsl gofallan". For allen die letzte Szene in Hofmeistor verdeutlicht dis Polari- tfit zwiachen Jetzt und lwig und dsrsn Erstrsckung in die Unendlich- ksit. Die Menschen bleiben, trotz ihres Strebens nach Erfassung dos brigen, dsr Jetztzeit verhaftet, weil ihre Gospaltsnhsit sich in alle Zoitsn, jetzt und in Bwigkeit, projiziert. 39 Der Begriff dos Haumss ”Dis Funktion dos Bnunes ist untrennbar nit jener dsr Zeit ver- bundon"; 73 dsr Baum dient also such der Vorffihrung dsr Polaritfit in epischen Dram. Nur handolt as sich bsin laumbogriff um den Kontrast zwiachen "Engs und All”. 79 Mit "All“ wfire die angsstrsbts Lbsung, d.h. daa harmonischs Ganze, gemoint. Beim All - Crunbach spricht oigsntlich von dsr 'Ewigkeit dos Alls' 80 and bringt danit dis Untrsnn- barksit von Ewigksit und A11 zum Ausdruck - vsrhfilt es sich jedoch wie bei dsr Ewigkeit: die 'Gsdanksn und Trfiuns' dsr Menschsn 2sigsn sich ”in ihrer Gospaltsnhsit”. 81 So woitst sich die in» wieder vorgs- ffihrts Engs dos Hiar “zum Aspskt allumfassondon Schicksals', 82 d.h. zum All aus. Eine Sichtung dos Hofmeistsrs ergibt, daB das aus 35 oft sehr hut-zen Szenon bestshonde dramtischs Work 31ml den Schauplatz wech- salt. Nur visr Szenon finden auf dsr StraBo (1,1 und 2, 11,1 und V,4) und droi Szenon in dsr Hatur (IV,4 und 5 und V,2) statt. Sonst stellt die Mme ausschliefilich Bfiumlichkeiten dar. Welche Bedsutung sine so gsartste Haumausstattung hat, gilt es in Varbindung nit Crunbachs Bshauptungsn zu untersuchen. Der Zuschauer lernt Lfiuffer in der Anfangsszene auf der StraBe kennen. Wir glauben und hoffen zu zeigen, diess Baumboaondsrhoit will ausdrficksn, dab Lluffor nirgendwo hingehfirt. Er hat ja zu diesen Zeitpunkt kein oigentlichss Zuhauss nehr und auch noch keins Position. Der erste Versuoh, einer Lfieung ffir Lfiuffsr, d.h. daa ersts- Mal, daB sich daa All in Drama offenbart, ist in dsr Familis des Ihjors dargestsllt. Hisr hat or sins feats Anstollung und die Gslogonheit sich zu sntfalten, indsn or in seinem Bsruf aufgeht und sich mit dem 4O Leben in der adligen Welt vortraut macht, wie es sein Vatsr gemacht hatte. Man wsiB jedoch, daB solche Erwartungon nicht dsr Wirklichksit in Hausa Berg antsprochsn. Lfiuffsr hat weder in goistigen noch in physischsn Sinne Freiheit; die zur Persbnlichkeitssntfaltung erforder- lichon Voraussstzungen fohlsn. Die Mhnonbildor und -anwoisungsn sowie dsr Text in den bei dsr Familis Borg sich abspislenden Szenon lessen dis Funktion dos Baumos deutlich hervortrstsn: Engs, Ausbleiben einer Lbsung ffir Lfiuffer, werden denonstriert. 1n 1,3, dsr ersten botreffsnden Szene, hat man sich don wohl roich und rokokohaft ausgestattoten Baum, "Der Majorin Zimor', groB zu dsnkon. Dieser SchluB ist aus einer Bsgiebsnsrlrung fiber den Auftritt dos Grafen Warmth zu zishsn: “nach einigen stu-sn Komplimsntsn". Das mshrmlige Vsrbeugon aetzt einen 2ionlich groBsn Baum voraus, falls nicht sine andere dichtsrische Intention wie Rodi: odor Ironie danit verbundsn ist. Das ist an dieser Stelle nicht sr- aichtlich. Graf Warmth schrsitot wohl fiber dis ganze Mme, um an daa Kampoe zu gslangsn, auf den dis Majorin sitzt. Das Gsffihl dsr ptwsischon Engs ontwickelt sich sofort in den jungon Hofmeistor, weil dsr Graf asinan Plats auf dem Sofa oinni-t. Er bleibt laut den Bfih— nonamroisungsn ”vsrlsgen stehen". Kurz danach fertigt ihn seine Herrin schroff ab und boordort ihn auf sein Zimmer. Es gibt keinsn Platz mr ihn in dsr groarfiumig angologtsn, adligen Welt. Der Schauplatz dsr darauffolgondsn Szene ist Lluffers Zi-sr. Hier warden - laut don Mnemnwsisungsn - or .und dsr Familienaohn Leopold von Major Borg fibsrrascht. Lstztsres Zoitwort mcht Blar, daB man sich Lfiuffers Baum als sehr kloin vorzustsllsn hat, sonst wfiro die Mfiglichkoit einer solchen Ubsrraschung nicht gogsbon. 3101‘ 8013* 41° 41 Mmenausstattung ffir den Eindruck dsr Bags, in der Lfiuffer lobt. AuBsrdem darf er das Zimsr in Grands nicht sein eigenes nennon; dsr Major tritt sinfach unangensldet herein und Lfiuffsr m3 dort Leopold Untsrricht ertoilsn. Die Gospaltsnhsit in Lfiuffers Donkwsise mnifostiart sich in Brief an asinan Vator, aus dem hsrvorgsht, daB or Gustchon hairaten will, um asinan gssellschaftlichan Stand zu vsrbessern. Auch das wfirs sine Lfisung — sin "Sichsinffigen' in dis Harmonie dos Alla -, die or nicht unversucht lesson will. Dorartigs Aussichten erweisan sich in- desssn als trfigerisch; nicht so sehr Gustchon, sondern er wird ausge- nutzt, denn seine adligs Geffihrtin sieht in ihn den Liebss-, nicht den Ehopartnor. Blumlich vardsutlicht wird das in der Liobsaszena, dis nicht in asinan, sondern in Gustchans Zi-sr ablfiuft. Schliefllich wird dis Handlung an dieser Stelle abgobrochon, weil dsr Major But. Enge fibsrall in dsr adligen Walt ist Lfiuffsrs Los. Die sinzige 3e- freiung aus dieser Engs ist ffir ihn dis Flucht. Der nfichsto Versuch einer Lfisung, d.h. die nlchste Mbglichksit zur Persfinlichkeitsontfaltung, bistot sich ffir Lfiuffsr bei Wsnzsslaus. Dieser Tail dsr Lfiuffsr-Handlung spielt sich an solbon Handlungsort, in der Dorfschule, ab. Was Wsnzeslaus hat, teilt or nit Lfiuffer. Zu Begins disses Handlungsabschnittss werden such die rlumlichsn Gegen- sfitza zwiachen dsr adligen und dsr bfirgorlichen Welt scharf umrisssn: 111,3 findet in den SchloB der Familis Berg in Heidelbrunn statt. Dis Szene schlisflt danit ab, dab dsr Geheimrat won Seiffenblase und dessen Hoiheister zum Essen sinlldt. Unmittelbar danach werden Lfiuffer und Wenzeslaus "an einen ungodocktsn Tisch spsissnd" vorgefllhrt. Ein solcher Vergloich wird seine Wirkung nicht verfshlsn. Auch auf sins 42 andere Weiss Ito-t dsr Kontrast zwiachen den beiden Walton zum Yor- achein: obwohl dsr Familienwohnaitz in Heidelbrunn nicht allzuweit von Wenzeslaus' Dorf entfernt ist, gibt as fast koinen Vsrkehr zwiachen den beiden Orton. Die oinzigen Auanahnen bildsn die wider- rechtlichon Eingriffs dsr Adligen, denn als solche into man dis Suchs nach Lluffar bezeichnsn. Das hat jedoch nur sine untergsordnete 3o- doutung in Zusamsnhang nit diesen Abschnitt dsr Lfiuffor-Handlung, in der as an erster Stelle darun geht, sine all-umfasssndo Lfisung ffir Lfiuffor zu ermittsln. Dis Mbglichksiten dazu werden i-sr wieder in neusr Anordnung gebotsn: Lfiuffor wird Hilfslshrer, nach seiner Selbstverstfi-lung will or “wisdsrgeboren werden“, an Ends will or Lise heiratsn. Lstztsrer Fall zeigt in besondsrs prfignanter Weiss den Kontrast zwiachen don Stfinden, und 2war zwiachen Mrger und Bauer, nicht Adel und Hrgsr. Lfiuffsr sieht in dsr Ehs sein neues Hail, das Beusrnmfidchon hingegen betrachtet ihn als den gesignaten Wag, um zu Hire und Ansshen in dsr dfirflichsn Gemainschaft zu ko-en. bags ist in Hotneistsr dadurch gskennzeichnet, daB Lfiuffer sich nicht von den gesellschaftlichen ngebenhsitsn in der Welt befreion kann. Dahsr gibt as so viele Schauplfitze in der Lfiuffer-Handlung. Fast jsdsr Schaupletz soll mr sich die Mfiglichksit einer Lfisung ffir Lfiuffer nit sich bringen. Indsn Lfiuffsr imsr wieder in neuen, rfiun— lichon Situationsn vorgsmhrt wird, wird die Gfiltigksit dos Gogsntsils erwiessn: or bleibt ein Gefangsnsr dsr Walt. Die Lluffsr-Handlung ist die zentrals Handlung in Hofmeistor. Vorausgreifsnd nonnon wir diess dis 'Parabel- oder Boispislhandlung'. Damit wollen wir uns in darauffolgendsn Abschnitt austfihrlichor be- schfiftigsn. Crunbach stellt fest: 43 Dort ..., wo sich reins Parabslhandlung abzuwicksln scheint, wird aus don Elsmenton dsr Gospaltsnhsit dos Vorgangs fiber dem zuffilli‘g so gogsbonen Hisr unserer Welt sins groBere Welt auf- gsbaut, in dsr alle nur dsnkbaron Mfiglichkeiton ihren Ort haben. Zu diesem Zweck wird das Hier extrom verdoutlicht: hinter so fibsrpotonzisrtem Zufall nach kosmiachen Grfinden zu forschon, ist oine Urgesto dsr Menachhoit. Gorade die Vsrsngung und Vorein- 2o1ung dos Baumos dsr Parabel fordert so dis universals Aus- woitung horaus. Dar Kontrast zwiachen Enge und All ist das Formgosstzé das den Baum dos kontrastieronden Dramas bo- horrscht. 3 Was ffir Lfiuffsr gilt, bestfitigt sich auch bei anderen Figuren in der Lfiuffsr-Handlung, sofsrn ea sich nicht un Bandfiguren handslt wie 2.3. die Majorin oder Graf Wsrmuth: alle sind sis auf ihre Weiss dsr Enge dos Hisr verhaftet, ohne daB aie etwas dagegsn zu untornohmen vornfigsn. Dis sinzige Ausnahne bildet dsr Geheimrat in der Parabol- handlung. Mit iln wollen wir uns in nfichsten Abschnitt nfiher befassen. Gustchon geht as in vielor Hinsicht wenig anders als thfer. Bei ihr mcht sich dsr Grundkontraat in Drama dadurch bsmerkbar, da3 sis auBer etwas Untsrricht von Lauffsr in Zeichnen und Beligion vfillig sich selbst fibsrlasssn bleibt. Sis lobt auBordon in stronger Abge- schisdonheit, "Vsrsngung und Veroinzolung" sind goradezu bozoichnend ffir ihre Situation. Die sinzige Gologenheit, ihnen zu sntgehsn, sieht sis in ihren Hofmeistor. Auf dis Gospaltsnhsit einer solchen Donk- wsise braucht nicht oingogangen 2u werden. Ea gsnfigt festzustellsn, daB sine solche Lfisung ihrer sinnlichon Veranlagung entspricht. Den- noch vormag sis nicht, sich fiber ihre Wsroinsamng und such Traurig- ksit himsgzusetzen, was aus ihren Gsdanken an Fritz in dsr Liobsa- szene hervorgoht. Sis untsrhfilt absr weitorhin ihr Vsrhfiltnis zu Lfiuffer, denn sin Bruch nit ihn hfitto zur Folge, daB sis ganz vor- lasson wfiro. Ihro Flucht, ihr Aufenthalt und ihre fast miBglfickte Bfickkshr - Ausdruck ihrer Sohnsucht nach Harmonie in der Welt - 44 bringsn sis an verschiedene Orts, absr sine Lfiaung wird nicht offenbar. Von Major geht Unbohagen fiber das Hier, die Welt, aus. Er fiuBert wisdorholt don Wunsch, Hans and Hard zu vsrlaasen (111,1 und 1V,1). Zu seinem Bruder sagt or: "Pack dich zu meinem Haua hinaus; 1a3 dis ganze Welt sich fortpacken. Ich will as anstscken und die Schaufsl in dis Hand nehmon und Bauer werden" (111,1). Abor weder hier noch in 1V,1 golingt as ihm, sich von Treiben der Welt zu befrsisn und die erashnte LBsung zu finden. Wonzeslaus muB pridr in seinem Vsrhfiltnia zu Lfiuffer betrachtet werden. Die Flucht bringt diesen zum Schulnoiater. Es findet kein Ortswechssl statt, alles spielt sich in dor Schulo ab. Gezsigt wird jedoch nicht nur ffir Lfiuffsr, sondern auch ffir Wenzealaua die Engo dsr Walt. Es gibt in diesen Tail der Handlung sins rfiumliche Variants; es handelt sich bei Wonzsslaus um den Kontrast zwiachen dem irdischon und himmlischen Baum. Abor weil er sein Hail nur in Janseits sucht, komt sein Verhalten trotz seiner zsitweilig selbstbowuBten Auftritto in Endsffokt einen Bsibohaltsn dos Systems gleich. AuBordsn gibt or sich dam Tabakrauchen als Waltflucht hin, daa u.a. ”zugloich die bfison Bogiordon nit sinschllfort" (111,4). DaB seine Vorstollungon vom Himslroich in sich gospaltsn sind, verrfit sich in einigen seiner Bs- nsrkungen und in asinan Thn oder vielmohr Untorlasson. Obwohl or nur Lob ffir die von Lfiuffor vollzogens Kastration hat, folgt er diesem trotz seiner 281ibatfirsn stsnsweise nicht nach. Der Grund daflfir findet sich in V,9: "Ei, oi: war sinmal gsschnockt hat dis Krfifta dsr zukfinftigen Welt". So lautst dsr Verwsis, den or Lfiuffsr srtsilt, und womit auf Lfiuffars frfihoros Vsrhfiltnis nit Gustchon angespislt wird. Daraus geht deutlich hervor, daB sein Bild vom jonseitigsn Leben 45 sntschiedsn aexuoll geffirbt ist. So wird auch seine fehlends Bsreit- willigkoit zur gleichon Tat arklzrlich. Abor won or Lfiuffer in der- selbon Szene auffordert, dessen Seelo zu rotten, weil die Welt nichts nehr ffir ihn habe, so nuB man sich fragen, welchom Dasein dsr Kastrat Lfiuffor nach Wsnzeslaus' Anachauungswoise in himlischsn Paradiss sntgsgonzusshsn hat. Lfiuffsr wird nach Wsnzsslaus in Himmsl sin fihn- 1iches Los beschieden wie auf Erdsn. So gibt es ffir don jungen Mann wahrhaftig bis in dis Ewigkoit hinsin keins Lfisung. Wir Bush in Zusa-snhang mit den Schulnsistor auf den Grund- kontraat in Drama zurfick. Er tbtet seine Bogiordon ab, um dsr Enge dsr gssellschaftlichan Vsrhfiltniaso in Hier zu ontgshsn und vorspricht sich daffir sine Bolohnung in Himol. Indom er daa tut, tfitat er sich selbst als Mensch ab. Die polaren ngensfitzs lasssn sich also auch bei den anderen Figuren, sofsrn sis nicht Bandfiguron sind, in dsr Lfiuffsr-Handlung bsobachten. Es ist jedoch nach Crunbach erfordsrlich, dab dsr den Vorgang zugrundelisgsnds Kontrast nicht allein in Hisr dsr Parabol- 84 Mursosr- handlung, sondern in der Gosanthandlung vorhanden ist. ffihrt ”dis Vorengung und Vsreinzslung dos Baumss ... universals Aus- woitung". ‘35 n1. commuting dos Hohsistsrs umfaflt auch dis nicht zu dsr Parabolhandlung gshfirsnde Fritz-Nobsnhandlung. 1n ihr wird auch die figs dos Bier denonstriert. Wenn Pltus eines Nachts zu Jung- fsr Bemar ins Fenstsr staigt, muB ihr Water sis wegen dsr daraua ontstehondon Gorfichts nach Kfinigsborg echickon. Dart ist ihre usibs wegen von Seiffenblase auch nicht sicher. 1n 11,3 wird Pfitus won seiner Wirtin ausgsnntzt, weil sis seinen Lsichtsinn srkannt hat; or bszahlt sinfach, was sis vsrlangt, ohne 46 sich darfibsr Gsdanksn zu nachsn oder fiber seine Ausgaben Rich zu flIhren. Wenn ihn Fritz ontdsckt, daB er ffir sein teuros Geld Gsrsten- statt Boh- nsnkaffso von seiner Wirtin bekomnt, gerfit er in Hut and wirft das Kaffss- gsachirr zum Fenstsr hinaus. Dsawegsn will Frau Blitzer ihn vorklagsn. In 11,7 sitzt Fritz im Gofangnis. Er hat sich ffir aeinsn tisf vorschnldoten Fround vorbfirgt und ist ffir ihn ins Goffingnis gegangen, danit dieser nach Hausa kann, um Geld von seinem Water zu bokomnen. Pfitus wird jedoch zuhause abgewiosen, bevor er fibarhaupt nit seinem Water sprschen Mann. Das Los dsr beiden ist, wie sonst in Drama, auf die Vsrhfiltnisso in dsr Gsssllschaft zurfickzuffihren. Dsswsgen sti-sn wir Gert Mattsnklotts Ansicht nicht bei, daB dis Atnoaphfirs dsr Uni- versitfitsstadt Halls freier ssi als die in llndlichen Heidelbrunn. 86 Seine Begrfindung lautet: 'fPfitus' Zimmer ist luftig. Er hat Fenstsr, durch die or den schlechtsn Gsrstsnkaffos hinauswerfsn kann, mit dem ihn die Wirtin betrfigt". 87 Wis kann Pfitus studioron, won or sich zur Flucht genfitigt sieht und ksinerlei Dnterstfitzung von seinem Water bskmt? Oder Fritz, won or in Haft sitzt und von sainen Vatsr fihn- lich behandolt wird wie Pfitus? SchlieBlich fliehon beide nach Leipzig. Dort kfinnsn sis auch nicht mit dem vfitsrlichsn Beistand rschnon. Die Engs in dsr Walt projizisrt sich bei ihnen sbonfalls in vorschisdons Blue. Bstrachtsn wir nun dis scheinbar verwirrsndo rfiumliche Anordnung dsr Szenon in 2. Akt. 1. Szene: Instsrburg (auf dsr Strobe), 2. Szene: Heidelbrunn (in SchloB dsr Familis Berg), 3. Szene: Halls (Pfitus' liner), 4. Szene: Balls (in einer Wohnung), 5. Szene: Hei- delbrunn (Gustchens Zi-sr), 6. Szene: Heidelbrunn (in Fanilion- schloB), 7. Szene: Halls (in Geffingnis). Es ist leicht srkennbar, 47 daB ”dis Blane ... nicht durch zislgerichtsts Bowagung dsr Figuren” 88 wechsoln wie in Spannungsdrama. Vislnshr wird in ganzen Akt die Engs daa Hior vorgeffihrt. Untsr diesen Aspekt erscheint die Anordnung dsr Szenon nicht nehr als sin unkfinatlorisches Durcheinander. Vials Schauplfitze werden gszeigt, absr bis auf einen (4. Szene) ist allen gomeinsan dis Denonstration dsr Engs. Ihro Naturgesetzlichkeit wird dadurch orwiosen, daB sis so oft und fiberall vorkomnt. Wir haben bswuBt nur einen Akt, nfimlich den 2., als Bsispisl hor- ausgegriffon, um auf die leevanz dsr Fritz-Nebenhandlung ffir daa nicht unwichtiga Problem dsr vielen Ortawechael in Hofmeistor aufnerk- san 2u machsn. Nur in Vsrbindung nit dieser Nabonhandlung golangt die 'Verengung und Versinzslung dos Baumss' der Parabslhandlung zur welt- haltigon Aussage. In dieser Hinaicht hfitten wir sbonsogut die fibrigen Akte anffihrsn kbnnon. Dias jedoch orfibrigt sich, betrachtet nan einen weiteren Aspskt dsr Fritz-Nsbsnhandlung; Fritz weist in seinem Danksn keino solche Gospaltsnhsit auf wie die anderen Figuren in Drama. Disss Tatsache bringt nous Folgarungen mit sich, die nicht nur den Bsgriff dos Baunos - dsr indsssen dadurch koinsn Abbruch orloidat -, sondern dis Gesamthandlung botreffon. Dsswegon gebfihrt dsr Fritz- Nebonhandlung sins Unterauchung ffir sich, die in den Abschnitt fiber dis Einheit dsr Handlung gahfirt. ‘ Es hat sich bei den vsrschisdsnon Figuren in der Lfiuffer-Handlung und dsr Fritz-Nobenhandlung gszeigt, daB alle Vsrsuchs, dsr Enge dsr tatsfichlichen gssellschaftlichan Vsrhfiltnisse zu sntrinnen, fehl- schlagen. Dis Kluft zwiachen Privilegierton und Nichtprivilogiertsn, d.h. zwiachen den schmrotzerhaftsn Adel und den sarwilsn Mrgortum wie auch zwiachen dem auabsutsrischen urgertum (Lfiuffor) und den 48 berschnendon Bauorntun (Lisa), ist so groB, da3 sich die ngensfitzs nicht mehr veroinigsn lassen. Dsswsgsn mfissen alle ihrer "Engo' ver- haftot bleiben, .sie kannen daa “All“ nicht nehr srroichen. Um dis Bsdeutung gesellschaftlicher Gogsbanheiten zu vsrdsut- lichen, finden fast shtlicho Konfrontationon zwiachen den Figuren in den Milieu einer dsr Figuren statt, 2.3. in Enpfangsraun dsr Majorin, in Lfiuffors Zimmsr, in Pfitus' Studentsnbude bei Frau Blitzer, in Dorf- schulhaus und in der Bottlsrhfitte in Waldo. Wo daa nicht dsr Fall ist, wie auf dsr StraBo in dsr Eingangsszens oder in Geffingnis, bleibt dis Absicht dos Dramtikars klar zu arksnnon. Auch dis Natur ffigt sich in disses Schom sin: Gustchon ertrfinkt sich fast in Toich, das Duoll zwiachen Pfitus und Bohaar wird in einem Wfildchen ausgetragsn. Es golingt don Menschsn nicht, das All, d.h. die angostrebto Lfisung, die Welt, wie sis sigsntlich sein sollte, zu srroichsn, weil ihren Gedankon und Trfiuman m All Gospaltsnhsit anhaftot. Hiarbsi klamorn wir dis Bandfiguron, absr auch Fritz und den Geheimrat aus, ohne danit sagsn zu wollen, dab lstztsrs Erfolg haben. Die Gfiltigkoit dieser Erkenntnis findet ihre Bsstfitigung darin, dab sis alle fibrigsn Figuren in Hodhsistsr bstrifft. 49 Der Aufbau der Handlung Es geht in diesem Tail dsr Arbsit dam, daa strukturbildendo Prinzip in epischen Drama nach Crunbach aufzuzeigen und auf den H33: noister anzuwsnden. Zu orwfigon ist nach Crunbach zunfichst, ob sin Theaterstfick dieser Art einem Formprinzip unterlioge, ob bei dsr gefordsrtsn Glsichwertig- koit, dsr gleichon Gsladenhoit beider Polo, Handlung, d.h. Bewegung, fiborhaupt nfiglich aoi. 89 Dabei ergsbsn sich nach Crunbach Schwiorig- koiten daraus, daB unaer Bildungaweg sins allein denkbare, alle Ge- sotze dsr Symetris erffillondo Handlungsform gelehrt habs. Disss Form bestehe in den Handlungsslamentsn dsr Spannungadramtik: Exposition, errogondss Moment, Verwicklung, Steigorung, Hfihepunkt, Peripetis, Moment dsr letzten Spannung, Kataatrophe. Hinzu ko-e, daB dsr Vor- gang dieser Dramon parallel zum Ablauf dsr fiuBoren Goschohnisae den Wattstroit zwiachen Those und Antitheso in der Synthese aussfihne. 90 Das Folgonde bistst sich als Ansatzpunkt zu dieser Untarsuchung an: Dis angsstrebte Form dos epischen Dramas muB sich offenbaren, wean man "dis Wirkung dos in Vorgang dargestslltsn Kontrastss auf den Hergang dsr Handlung“ boobachtet. 91 Da die Handlung auf kein Zisl gsrichtot soi, fehle dis Spannung. Sis ffihro inner einen Ausschnitt aus boweg- ten Leben vor. 92 Des beginnt nit dsr Anfangsszene, daran Hauptfunk- tion as ist, "einen dsr Pole in voller Aufladung" zu zeigen. 93 In der ersten Szene in Hofmeistor begognot dsr Pluspol, jedoch nicht in vollsr Aufladung; dsr wrgsrliche, Lfiuffor, denonstriert seine feats Absicht sich zu sntfalten - or will einen Beruf orgrsifen -, doch gloichzoitig auch seine Wideraprficklichkoit. Lstztsro bringt zum Vorschoin, daB Lenz schon zu diesem Marat frfihsn Zoitpunkt in 50 Dram dis Wirkung dsr Gogonfabol nit oinplante. Wenn or nit Lfiuffor einen bloB bravsn jungsn Mann auf die Mhno gebracht hatte, dsr von der Gesellschaft, nit seinem eigenen Water beginnend, vsrbildet und ausgonutzt wird, so wfire das Drama in Endergebnia nur SchwarzweiB- mlsroi gswsaon. Ein jegliches Erschoinsn Lfiuffers hatte Mitloid in Zuschauer srzsugt, vorauagesetzt, daB daa Drama noch tragbar wfiro. Stattdosson 2oichnet sich in Lfiuffers Monolog Ambivalonz ab. Sein Water findet ihn zum Bsispisl untauglich zum Privatdozentsn. Auf der anderen Ssits glaubt Lfiuffer, daB sein Water allein aus eigenen, finanziellsn Bficksichtsn sine solche Laufbahn nicht bsffirworten wollo. Fornor ist er dsr Ansicht, daB der Geheimrat ihn nicht als Stadt- schullehrar annshmen w o l l t o. Abor sbonfalls ist es nicht aus- gsschlosssn, daB Lfiuffer don Annahmsbodingungon dos Geheimrats nicht genfigt hat. Das und noch andsrss nehr wird in Schwsbszuatand bolaason. Lfiuffer wird jedoch dsr Lfichsrlichksit proiagogebon and so ist die Absicht unverkennbar, daB dsr Zuschauer nicht dsr Meinung Lfiuffors, sondern dsr dsr ngsnsoite als glaubwfirdig zustimsn soll. Daher ist sine Schwfichung dos positiven Pols in der Anfangsszene zu erkonnan. Abor dsr zulcfinftige Hauslshrsr erregt Nougior in Zuschauer. Das hltts die SchwarzwsiBtochnik nis vormocht. nanlich varffihrt Lenz in der 2. Szene, in dsr dsr negative Pol gozeigt wird. Der Geheimrat mcht den Eindruck eines antsilnehmendon, klar donkondan Menschsn, dsr Major den Eindruck eines gutnfltigsn, sympathischen Haudogens und Pantoffslholdsn, dsr vislas nicht so genau nimt. Er hat sich zum Bsispisl sigsntlich nicht fibsrlsgt, was dsr Hofmeistor soinsn Sohn 1ehren sell, as wfirs absr gut, "in allen Wiason- schaften und Artigkeiton und Weltmniersn" untorrichtet zu werden. In 51 dieser Szene wird der Zuschauer eher gegen Lfiuffor singenomen, won or srffihrt, daB Lfiuffsr dsr Hofmeistor werden soll. Trotz dsr schein- baren Obsrflfichlichksit und Harnlosigkoit in dieser Szene wird sin falschor Ton angeachlagsn, nfimlich die Frags dos Hofmeistorgehalts; hier ist von 300 Dukaton in Jahr dis Beds. 1n dsr ersten Szene wurds dsr positive Kontrastpol, in der zwoiton dsr negative denonstriert. Dieser Prosz ist nooh nicht ganz offsnbar, wie es in der 3. and 4. Szene dsr Fall ist, weil Lenz eben- soviel daran lag, nit dsr Bildung dsr ngsnfabol zu beginnen. Sotzen wir jedoch die bestehende Polaritfit in den beiden ersten Szenon vor- aus, so scheint dis am Anfang disses Abschnittss orhobsns Frags unum- gfinglich: Wis ist Handlung, d.h. Bewegung mfiglich, wenn die Kontrast- pols ffir sich geno-on statiach sind? Wir finden dis Lfisung darin, daB die Pole sinander gsnfihort werden - was in dsr 3. Szene zu boo- bachton ist - ; wfihrsnddosasn laden sis sich auf; 94 Die Szene ist boherrscht von einen Krfiftsfeld ...; as waltet nicht dis fsdsrnde E n e r g i o voransilonder, sin- andsr stsigsrndsr Ereignisse, sondern D y n a m i k, potentiolle Kraft. Wir absr sind von ksinsr Spannung mitgoriassn, sondern folgsn nfichtsrn, hellwach und nit geschMrften Sinnsn den Hergang. Inner nfiher bringt dsr Dononstrisrondo den Minuspol den ontgegengesetzton; Dynamik lastet fiber Szene und Zuschausrraum. - Nun beginnt os zu tagstern, schlisBlich zorreiBt dsr Blitz dis dumpfe Atmosphfirs. - Crunbach bedisnt sich hier eines natuxwisasnschaftlichen Bildes. Er verknfipft mit dem Ausdruck Plus- und Minuspol keina ethischs Wer- tuns. 96 In der 3. Szene ko-sn Lluffor und Majorin Berg zusamen, erste- ror denonstriert don positiven, lstztsrs den nogativen Pol. Auffal- lend ist, daB sin Ausglsich zwiachen den polaron Gogonsfitzen zunfichst fast mfiglich erscheint. Das ist darauf zurfickzuffihron, daB dsr junge 52 Hofmeistor von den Adligen ihre Gosellschaftsformsn, ihr Bsnehnsn lernen will. Darun fibergsht Lluffsr die hoikls, konfliktgoladsns Ge- haltsfrage an Anfang dsr Szene. Dort wird ihn mitgotsilt, daB sein Gshalt halbiort wird. Dis Majorin drfickt das so aus: “Von don droi- hundert Danton stohendon Gohalts sind: wir bis auf hundert und funfzig sinig werden". Lfiuffer ist wohl dsr Umgang mit Adligen wichtigor. DaB sin Ausglsich zwiachen den Polen nicht stattfinden kann, ist den Gsaprfich zwiachen beiden zu sntnahmsn. Durch Lfiuffars Schnsichslsi angsragt, koksttisrt dis Majorin nit ihn auch auf franzbsisch. Sis fragt: 'Avez-vous dgjd fait votrs tour do France?“ wuffer antwortst: ('Non Madame ... Oui hdams". Er hat dis Majorin nicht sprachlich mtisrstanden, seine gofinderto Antwort bringt vielmshr zum Ausdruck, daB or sich anpassen will. Ihro darauffolgsnde Erwidsrung macht die Kluft zwiachen beiden deutlich: "Vous devaz donc savoir, qu'en France on no baise pas les mine, non char: ... " Ihrer Anreds (“non char“) zu entnohmsn ist die Majorin Lfiuffsr nicht abgeneigt, absr sis go- stattet sich solche Spiols nur unter ihren Bodingungen. Ein Ausglsich erweist sich als unmfiglich. Danach erscheint Graf Wsrmuth. Bier werden dis Polo in vollsr Aufgeladsnhoit gezoigt. Der Graf lobt don Tanzmsistsr Pintins1lo in fiberschwsnglichsr Weiss. Dazu bansrkt Lfiuffer, der nit seinem Wissen und seiner Urtsilskraft prahlen will, daB Pintinollo nicht sondsrlich tanze, man haba ihn auf den Kochischsn Theater ausgspfiffsn. Darauf- hin erfolgt dsr Blitz, dsr dis Pole auseinandsrtroibt. Was Lfiuffer sagte, faBt dis Majorin als Provokation auf und bowirkt die Ent- gsgnung: "Mark Er sich, main Frsund: daB Domestiksn in Gesell- schafton von Standsspersonon nicht mitrsden. Goh Er auf Sein Zimmor. 53 War hat Ihn gsfragt?” Crunbach kommentiert zu dsr Gogsnfibsrstollung dsr Pole: 'Dynamik lastet fiber Szene und Zuschauerraum. - Nun be- ginnt es zu knistsrn, schlieBlich zerreiBt dsr Blitz die dumpfa Atnosphfire. -" 97 Dononstriart wurds in der 3. Szene dis Unveroinbarkeit dsr 'bsidon Kontrastpolo. Lfiuffar wird die ihn sinzige, sich anbistends Mfiglich- keit gsnumeon sich zu sntfalten. Gemessen an den Umstfindsn hart sich dsr Ausdruck "sich sntfalten" 2ionlich anspruchsvoll an; Lluffer hat sich die wsnig odls Aufgabo gssetzt, sich die Sittsn und Brfiuchs dsr Adligen zu eigsn zu machen. Collage ihn daa absr, so wfirdsn sich seine Chanson verbsssern weiterzukommen, zumindest von seinem Stand- punkt aus gesehen. Doch schon zu diesem frfihon Zeitpunkt hat or koinsn Erfolg. Er darf seiner Gosprfichspartnsrin hbchstens zur Untsr- haltung disnsn, und dies wahrscheinlich nur insofern ksin 3ssuch zu- gegsn ist, absr sobald or sich andere als krischsrisch zeigt, wird or nicht nehr goduldst. (bwohl seine Bensrkungsn vornshmlich Tapsigkeit vsrraten, ffihlt sich die Majorin dadurch unmittelbar herausgefordert. Batten sich die Kontrastpolo in der 3. Szene entladon, so erfolgt in der 4. Szene wieder ihre Aufladung. Das Gesprfichsthona ist Lfiuffors Gshalt. Der Major rechnet os sich zum groBon Opfer und wuffsr zur groBsn Hire an, daB er ihn jfihrlich 140 Dukaten zahlen will. Er bringt sich absr momsntan in Vorlogsnhoit, weil er nicht woiB, wiovisl das ffir oine Dienstzeit won droi Jahron ausmcht. Dis Pole misrn sich; dsr Ihjor ist fibarrascht, als Lfiuffor ill sagt, dab dis Sumns sich auf 420 Danton balaufs. Er will “gerade Zahl' haben, so soll Lfiuffors Gshalt ffir dis Zoit 400 Dukatsn betragen. Mit Lfiuffors Antwort folgt dsr Blitz: I 54 .Abor nit Eursr Gnaden gnfidigsn Erlaubnis, dis Frau Majorin haben.mir‘von hundart funfzig Dukaton gesagt: das machte gerade visrhundert funfzig Talor, und auf diess Badingungen hab ich mich eingolassen. Lfiuffors Entgognung lfiuft auf sine Entscheidung ffir den positiven Pol hinaus, was Hngleichwertigkeit dsr Gogonafitzs bewirkt. {Abor Lluffor bleibt, wie man wsiB, weitsrhin Hofmeistor. DaB Lfiuffer don Dienst nicht quittisrt, sein Herr ihn also ffir 140 Dukaton in ersten Jahr bake-mt, kfinnte als bogfinstigend ffir den nogativsn Pol gedsutet ‘werden. Es ist jedoch auffallsnd, dab dsr Major am.Ende dsr Szene so langs fiber seine Tochter Gustchon spricht. Lluffer solle sich u.a. vor dsr Tochter in.Acht nehnen. Dis Polo beginnen sich hier erneut aufzuladsn und das Brgsbnis davon, die Vsrffihrung, wird zunfichst ffir den.Major nicht vorteilhaft sein. Bisr‘wird absr koine Spannnng er- zougt, denn sin solcher Weiterworlauf dsr Handlung Benn m Zuschauer nicht srraton werden. flea wir nit dsr Handlung in Bodhsistor fortfahron, enpfiehlt es sich, uns Klarhait fiber dis Wirkung dos “Blitzes' in Blessischen und epischen Theater zu verschaffsn. ”DerIStruktur des Spannnngsdramas' ist 'sin.immanenter Rationalismus' eigontfimlich: dsr Blitz oder das Gswittsr, “dessen Zusa-snziehsn in Laufe eines ganzan Drams or- folgt', Int “oine die Luft ffir alle Zeiten rsinigendo Kraft“. 98 In epischen Drama hingegen offenbart sich in den Blitzen und Gawittern, die die Welt rsinigen sollten, "daa Erlebnis letzlicher Ohnmacht all dsr Blitze und all dsr Gewitter"; jedes epische Drama ssi "in Wirt- lichkeit ... nichts als dis Exposition des nfichsten'. 99 In Spannungs- drama vollzioht sich “die Befrisdung dos Konflikts ... in der Ides, und as liegt in der gfittlichen Macht dsr Ides", dab man 'der 55 Bofrisdung innerlich" zustimme 'und ffir dsn.Augenb1ick dos Erlebniassa gottgloich dsr Harmonie dos Alla” innswords. "In nlchston.Augonblick indsssonP, stinne man sich 'schon.hsrab'; man srkonns "die Harmonie nur noch als Postulat' an. In epischen Drama geht as ”stats” um 'das Ganzs dsr menschlichen Entwicklung', ihr Gang werde imHAufbau dsr Handlung gespiegolt. Mit dam.Entladon daa Blitzes soll 'nur sin.Aus- einandsrstrobsn dsr beiden Pole" bewirkt werden, "dis sich anschlie- Bend wisdorum in Zustand dsr Aufladung bofindsn". 100 In weiteren Verlauf'worden Voraussstzungon.und Gagsbsn- hsitsn des ersten Versuchs gsfindert, die Annfiherung der Pole wird bald langaanar, bald schneller ausgoffihrt, um jade Mfig- lichkeit anderer.Anordnung zu orachfipfsn; und wir erhaltsn stets das glaiiat Ergsbnis, dessen Naturgosstzlichkeit danit orwiosen ist. Es gibt keine Mfiglichksit einer "Befriedung dsr Weltgsspaltsnheit ...; dis Unvoroinbarkeit ihrer Pole wird gnadenloa denonstriert”. 102 Jetzt gilt es, Lenzens Einatallung zu den oben Erbrtsrtsn zu untsrsuchon. In seinen.Anme£§uggen fibers Theater schreibt er: Bsi den alten Griechan war's die Handlung, dis sich daa Yolk zu sehen veraammlsto. Bei uns ist'a dis Bsihe von Band- lungon, die wie Donnerachlfigs auf einandar folgsn, sine dis andere atfitzan und haben, in sin groBsa Ganzs zusamnenflioBen mfissan.... Was kfinnsn wir daffir, daB wir an abgariassnen Bandlungen koin Vsrgnfigon.mehr finden, sondern alt genug warden sind, sin Ganzss zu wfinschsn? daB wir don Menschsn ashen.wollsn, 'wo jene nur das unwandslbare Schicksal und seine goheimen Ein- flfisse aahen. 103 Lenz hat hier ganz oinwandflrei sine nous Handlungsart, wenn nicht gar sine andere Mbglichksit dramatischsr Gsstaltung als dis Blessischs in Sinne; seine nennt or “sin Ganzss“, dis klaasische sine abgsrissene: Er srwfihnt, wohl gonerkt, das Hauptslement dos Kontrastss nicht. Doch begognot oine Ffills dsr sosbon bosprochenen Handlungsslensnte: Er spricht nicht won einer Handlung and einem.roinigsndsn Blitz, 56 sondern von einer 'Reihe von Handlungen, die wie Donnerschllge auf einander folgsn". Und statt sich su steiger-n, sollen sie sich "stut- zen and heben'. Das besagt sun einen, daB hier Dyna-i1: herrsoht, sun anderen, daB sich ”das gleiohe Ergebnis" inner wieder abzeiohnet, "dessen Natnrgesetzlichkeit danit enriesen ist”. Das 'Sohicksal und seine geheinen Einflflsse", also nach Crunbach “die Befriedung des Konf'likts ... in der Idee", interessiert Lon: nicht nehr. Hi1- flberspringen svei weitere Ssenen, in denen des Nahen and Aus einanderstreben der Pole and danit ihre Unvereinherkeit geseigt wird. Dies sind 11,3, die durch den Gerstenkaffee herbeigefllhrte Konfronta- tion von PItus nit Frau Blitzer, and 11,5, die Liebesszene nit Gust- chon and muffer. Hir venden uns der wichtigen Kastrationsssene (V,3) so, vor allen Dingen deshalb, weil darin ein echter Ausglsich svischen den beiden Polen fast gesehen erscheint. Die Grundlage fur deren An- nlherung vorde durch Llnffers Selbstentnannung geschaffen. Die Auf- ladnng des negativen Poles erfolgt, inden Uenseslaus fiber Lluffers Tat vor Freude janohzt; er findet, Lluffer kanne Jetzt "eine Lenohte der Kirohe", "ein Kirohenvater selber werden“. Die Aufladung des Gegen- pols ist kaun spdrbar. Auf Henzeslaus' Lobrede antvortet “offer: 'Dei alle den, Herr Sohulneieter, gereut es nioh". Mach diesen Muster geht das Gesprlch weiter. Jede kneppe, nflchterne Rudder-ans “offers viz-kt hemsfordernd an! den Schulneieter, der sich in seiner Degeiq stemng zu pathetisohen, tolldreisten Behanptungen versteigt. Gorade die sprachliche Beechaffenheit beider Aussagen kemeichnet die anti- thetisohe Polaritlt. Die Synthese findet sich in Uenseslaus' lat an Lluffer, ein 'Kirchenvater selber" an werden. Defolgte ihn Lluffer, so wire es nflglioh, den Grundkontrast su fiberbrlcken: nan wards ihn 57 als "Amrlrter auf einen Heiligsn' anerkennen; er wards als Kastriertsr in dieser seiner "Deruflmg' aufgehen und in der dazu erforderlichsn und emrteten Amt leben. Wir erleben den Blitz, venn Lfluffer die Horte aussprioht: “Sein Frohlocken vervundet nioh nehr als nein Messer". So stroben dis Kontrastpols wieder auseinander. Sogar fur einen Selbstentmnnten besteht keine Haglichkeit zur errbrdckung dsr Pola- itlt. In 17,9 und 10, den letzten Szenon dsr Lluffer-Bandlung laden sich die Pole auf. Da Huffer absr endlioh sin-l ssinen Willen durch- setzt, nlnlich su heiraten, scheint dsr positive Kontrastpol an Ends doch triumphiert nu haben. Des wards auf sine nunnehr bestehende Ungleichvertigkeit dsr Pole deuten, folglich auf sin Ends. Deher gilt es su prflfen, vie sich hier auch dsr negative Kontrastpol benerkbar macht. Hir dssen uns sunlohst fragen, was Lise zur Heirat nit Muffsr bewogen hat, vor allen Dingen, weil ihr Verhalten vidersprdchlich erscheint; anfangs sieht sie die Hand usinal zurdck, wenn Lluffsr sis “5t, und tuft aus: '0 pfui doch: Has naohen Sis?“ Naohher hingegen IIBt sie sich von ih- kflssen. Der Hendepunkt ist der Augenblick, in den sis nerkt, daB Lluffer sis heiraten will. Vor dieser Erkenntnis hatte sis ihn ermrt, dab sie von ihrer ersten Jugsnd an die studior- ten Herren iner- gern gshabt habe, Und danach beruft sie sich auf ihren Vater: “Donn loin Vatsr hat nir i-er gesagt, wenn ich einal einen geistlichen Herren beta-en kannte - '. Lise will es also zu Dire und Ansehen bringsn und Lluffer ist ihr dsr bests Hog dazu. Es sind also gesellschaftliche Vlerhlltnisse, die bei ihr den Ausschlag geben, und denen Buffer i-er wieder su sntgehen versucht hatte. Fir erleben hier die Aufladung dsr Kontrastpole, die ihre 58 Glsiclwsrtigksit behalten und dersn Unvsrsinbarksit feststsht. Der Grundkontrast bleibt an Anfang vie an Ends dsr gleiohs, dsr Ausgang ist offen. In seinem Bush Gsschiohts und Poetik dsr dsutschen 13351- kufidis bsnsrkt Guthks zum Ausgang dsr Lfiuffer-Handlung: DaB ganz an SchluB ... Lluffsr sich nit einer Dorfhagd trBstet, ist rs:- dis Gattungsbssti-mg disses Drans belang- los, da dis nachklassizistischs Tragikonbdie als Genre in bszug auf den Ausgang indifferent ist. 104 Quthks kolnt zu diesen Ergebnis, ohne Lisss Ehrgsiz su bsrdoksichti- gen, der sis, vie vir schon wissen, in sin gens andsrss Licht stellt. m:- den Hofnsistsr - als episches Drone betrachtet - ist jedoch dsr SohluB keinesvegs so wichtig. Hltte das Stack zun Bsispisl nit oder kurz nach Ltuffsrs Kastrisrung ohne Lisss Einfflhrung gssndst, so hitte dieser nsus SohluB leicht in den srstrebten Ausglsich dss Spannungs- drans ulgsbogen werden kOnnen; Lluffers verhalten gsluBerte Aussage: ”Sein Frohlooksn vsrwundst nich nehr als nsin lesser“ Mtte ihre Hucht verloren und wire wohl absrgangen vorden aufgrund dsr darauffolgendsn Forts: "Viellsisht kannt ich itst wieder anfangen und zu- lensesleus visdsrgsborsn werden” , die sodann viel gswichtigsr srsoheinen warden. Eine eng danit verbundsns didaktischs Tendon: vlrs unvsrkennbar. Ein weiteres Strukturelsnsnt dss epischen Dre-s ist "das Spiel in Spiel”, vie ss Crunbach nennt. Disses enbglicht dis 'unnittslbars dramtischs Darstsllung' von Entlsgsnen und vsrnsidst so dessen 105 Es wird un dsr epische Erslhlung. Dymnik villen eingesstzt. Es gestattet polars Konstsllationsn von oftnls dhonischsr Gevalt, setzt dis ments und rsgt die kritische Haltung des Publikuns an, indem hoher Ernst dsr106 Ilehsrliohkeit, das Lachsn den Sohaudsr ausgesstst wird. Hir finden Crunbachs wohl Robert Petsch entlshntsn Bsgriff "Spiel in 107 Spiel" insofern weniger gldoklioh, veil in ihn das Hauptnsrknal 59 dss nor-alsrvsiss danit assosiertsn Bsgriffss: die 'Entgrenzung dss sigsntliohsn Minenrsuns" 108 nicht vorausgesstzt wird. In Er-angs- lung eines trsffsrenden Ausdrucks wird in dieser Arbeit dsr von Crun- bach in Anfflhrungsstriohsn bsibehaltsn. Des erste ”Spiel in Spiel" in Hofnsistsr findet sich in 1,3, nachdsu Lluffsr abgegangsn ist. Es hat ausschlisBlioh Entlsgenss zun ngsnstand. Die Derstsllung dessen betrifft nicht nur dis Ge- lnltsfrage (auf sins andere Weiss als in dsr Haupthandlung), sondern such Lluffsrs Vorgeschichts, das Vex-halten seines Vatsrs und die auf- vendige stsnshaltung dss Grafen Hermth. Dis Szene hltte sigsntlich nit Lluffsrs Abgang endsn kannen, denn das darin bsfindlichs "Spiel in Spiel“ trlgt sntsprechend seiner Mtion venig an der Handlung bei. Das “Spiel in Spiel" braucht den Grundkontrast nicht sxplizite in sich su haben, ss 'g s s t a t t e t polars Konetellationsn". 109 In unsere- Dsispisl wird nur dsr negative Kontrastpol siohtber. Der kausals Zuse-snhang xvischsn den hier vorgemhrtsn Verbaltsnswsisen und Wsrtsn in dsr adligen Welt und Lluffsrs Lage wird jedoch nisnandeu sntgehsn. Ein solohss [anbinisren rsgt such "die kritissbe Haltung dss Publihns" an. Vorhsr ksnnssiohnstsn Llufl‘er Krisohsrsi und Schvlche. Dab er sich an Anfang dsr Szene nicht zur Halbisrung seines Gehalts Mort, stsupslt ihn m:- den Zusohausr sun ScMchling ab. Visllsioht war in dieser Szene dis Rsaktion dsr Majorin auf ~ Lluffsrs Taktlosigksitsn nur auf sine charaktsrliohe Ubsrsnpfindlich- keit zurlokzuflhrsn. Das ”Spiel in Spiel“ indsssen xvingt den Zu- schauer, nunnshr andere Faktorsn bei dsr stsrtung dss jungsn Hofmei- sters und auch dsr anderen Figuren nit su bsrdcksichtigen. Hie werden hier 'Ahsnts" gssstst? Die Majorin spricht von Lluffers Gshalt; als 60 Hauslshrsr soll er 200 Dukatsn Rsissgsld Mr dis Fahrt von Leipzig nach Instsrburg und sin Jahrssgshalt von 500 Dukatsn srhaltsn. Disss Angabsn sind absr, vie dsr Zuschauer schon vein, fiktiv; in Wirklich- keit hatte dis Majorin nit Lluffsrs Vater sin Jahrssgehalt von 150 Dukaten versinbart. So lernt dsr Zuschauer dis prahlsrischs Vsrlogsn- hsit dsr adligen Dans ksnnsn. Die SchluBbensrkungsn dss Grafen srnbglichsn einen pointisrten, sozialen Kanentar zur Gshaltsfrage: er habs sich sein Tansen sinigs dreiBigtausend Guldsn kostsn lasssn, absr er glbs noch einnal so viel darun, won or vie Pintinello tanzsn kannts. Die Majorin findet es unsrtrfiglich, daB nan m:- ssin Geld ksinen rechtschaffsnen Menschsn nehr antrsffsn kanns. Han lacht, vsnn sis ihr Urteil fiber Lluffsr darin bestltigt sieht, den or links bordierts Kleidung trfigt. Gleichzsitig srfaBt den Zuschauer Unbshagsn; dis Majorin neint ss wohl srnst danit und fflhlt sich dssvegen berechtigt, den Hofmeister weniger zu bszahlsn. 'Hohsr Ernst" wird dsr ”Ltchsrlichksit' prsisgegsbsn. Von Gra- fen gsfragt, ob Lqufsrs Vatsr dsr Predigsr aus dem Ort ssi, tut die )hjorin zunlchst, als ob sis dss nicht date. A: Anfang dsr Szene hatte sis den Hauslshrsr ermrt: "Ich habs nit Ihro. Herrn Vatsr ge- sprochsn'. Dis Frags dss Grafen kmnt ihr ungelegsn, denn nit einen anslssigen Pfarrsrssohn als nothsister kann an ja nicht so sehr Staat nachen, was sis gerade vor dsr unangsnehnsn Frags dss Grafen geuacht hat (Lluffsr ssi dsr galantsste Mensch auf dsr Ahdenis gswesen). Die Frags bringt sis such in Vsrlsgsnheit, denn sis hat gerade davor von den 200 Dukatsn lsissgeld gssprochen, Da Lluffsr dort vohnt, kling't diess Bshauptung nicht ganz dbsrseugend. Schlisfilich neint sis: 61 "Ja doch, ich glaub ss fast: er heiBt ja auch Lluffsr; nun denn ist er freilich noch artig genug, Denn das ist ein rschter Blr, wenig- stens hat or nich sin m:- allsnal aus dsr Kirchs gsbrdllt". Darauf will dsr Graf wissen, ob LEuffers Vater sin katholischsr Gsistlicher ssi. Dis Ervidsrung dsr Majorin sntbshrt ebenso dsr Logik vie dis Frags dss Grafen. Sis srkllrt, sr wisss 5a, daB ss ksins katholische Kirchs in Instsrburg gsbs; Lluffsrs Vater ssi luthsrisch, oder viel- lsicht protestantisch. In dsr Tat vsiB sis das is such nicht. Disses "Spiel in Spiel" hat die Haupthandlung nicht gsstOrt, sondern 'vislnehr dis Auf-srksanksit dsr Zuschauer auf den virklichen Vorgang dss Stacks" konzsntriert. 11° Zuni vsitsrs 'Spisls in Spiel" vsrdiensn bssondsrs Auf-srksan- ksit, nicht zulstzt, veil in ihnen der Ronso-und-Julia-‘l‘opos vorko-t. In ersten, d.h. 1,5, ni-t Fritz Abschied von den jungsrsn, noch nicht konfirliertsn Hidchsn, das stva so alt ist vie Shakespeares Julia, un drsi Jahre zu studisrsn. Es fragt sich, ob disses ”Spiel in Spiel" nur Entlsgsnss zum Inhalt hat, denn dis beiden jungsn Menschsn sr- schsinsn hier zun ersten Hale auf der Mhns. Doch sind alle vssent- lichen, darin vorkusnden Detsn anderenorts, z.D. in 1,4 und 6, zu finden. Dis Akzsntsstzung betrifft zunIchst dis Persflnlichksitsuntsr- schisds zvischsn den beiden Figuren. Hat dsr mjor in 1,4, dsr davor- lisgendsn Szene, gesagt, daB Gustchsn Tag und Nacht absr den wohsrn und fiber den Trauerspislsn da liege, so srlsben vir hier dis Derstsl- lung seiner Aussage. Des Publikun sieht schlrfer hin, vsnn das usa- chen sich vie Julia geblrdst. Sis sntlockt den Zuschauern sin lsisss LIchsln, venn sis sich dardber lrgert, dab Fritz und sis nicht in den Carton tonnes, veil schon jennd da ist. Unausgssprochsn bleibt dsr 62 Gsdanks, daB dis Vsrsstzung dss 'Spislss in Spiel" in den Gsrtsn dsr Balkonszsns in Shakespssrss Romeo und Julia sntsprlchs. Gustchsn sieht sich gsrns als Julia, absr such Fritz hat anfangs nichts dagegsn, ihr Russ zu sein. Han nsrkt jedoch, daB Fritz dss loneo-und-Julia-Spiel prinlr als Spiel suffaBt, vlhrsnd Gustchon es . viel srnstsr nil-t. Des wird vollko-sn klar, venn Fritz seiner Bs- sorgnis Ausdruck gibt, daB Gustchsns Vatsr sis vlhrsnd seiner Abwsssn- hsit nit Graf Wsrnuth vsrhsiratet. Gustchon sntgsgnst schauersrrs- gend, sis nacho ss dann 'vis Juliette”. Darauf vsrsstzt Fritz: "Was denn - Wis denn? - Das ist js nur sins Erdiohtung: ss gibt ksins solche Art Schlaftrunk'. m:- ihn hat dss Spiel aufgehbrt, Spiel zu sein. Danit hat er Gustchsns Welt dsr Dichtung vsrlssssn. Fritz als einen srznor-alsn, grundvsrnflnftigen Jungen, Gustchon als sin ssntinentsles Mldchsn nit einen Hang zur Schangsistsrei sr- schsinen zu lassen, dazu disnt hier dis Akzsntsstzung. Disss ver- folgt absr einen weiteren szck: Gustchsn bsteusrt, sis wards sinsn Schlaftrunk "zua svigen Schlaf" nshnsn, vsnn ihre Eltsrn ihr dis ms nit den Grafen sufzvlngsn. Hisr werden such gesellschaftlichs Ver- hlltnisss, in diesem Fall dis Einrichtung dsr Vernunftehs, berdhrt, die for dsn Grundkontrast srheblich sind: sine shslichs Entschsidung dsr Eltsrn Gustchens zugunstsn dss Grafen vdrde dss clack dsr beiden jungsn Adligen trsffsn. So srflhrt dsr Zuschauer, daB nicht nur Bdr- gsrliche in der Welt weniger bsvorzugt behandslt werden. Dss nlchsts 'Spisl in Spiel“, in den dsr Ruso-und-Julia-‘ropos snthaltsn ist, findet sich in dsr zvsitsn Bllfts dsr Liebssszene (11,5). has vir uns jedoch danit bsfesssn, dssen vir uns zunlchst dsr ersten Hilfts dsr Szene zuvsndsn, dis den Hintsrgrund m: das 63 darauffolgends "Spiel in Spiel" bildst. An Anfang dsr Szene laden sich die Kontrastpole auf. Lauffer hat sich sine LBsung susgsdscht; er will seine Stellung sufgsben und Gustchsn soll nach Instsrburg zu seinem Vatsr in dis Rsligionslshrs. Dart wire sis nullich in Lauffers Sinne gut aufgshoben, denn sein Vatsr kannts ihr wohl sine Ehs nit ihn sinreden. Gustchen ist betroffsn, weil sis sich jetzt van allen ver- lassen fdhlt. Lluffsr vsrdirbt sich seine Chancen bei Gustchon, veil er nur von seinsn sigsnen.Angelsgsnhsitsn spricht, vlhrsnd das Hldchsn sich wisderholt fiberlsgt, was jetzt aus ihr'wsrden soll. Darauf geht Lluffsr kein sinzigss Mal sin. Auffallend in dieser Szene ist, daB Lfiuffer den negativsnIKon- trastpol und Gustchen den positiven.vsrtritt. Lluffsr ist seiner Sachs so sichsr, daB sr ksinsrlsi Rdcksichtsn.nshr auf Guatchen nil-t. Er will sis heiraten, un ssinen gssellschaftlichsn Stand zu erhflhen. Gustchsn sieht in Lluffsr den letzten Halt, den sinzigen Menschsn, dsr sich us sis kdlIsrt. Lluffsrs Vsrhaltsn zeigt, dab sr sich aufflhrt ‘wis dis anderen Figuren in Dre-a,'vsnn er ia.Vorteil zu sein glaubt. Die Pole sind einander ganz nahs, vsnn Gustchon sagt: ”Abor un neinstvillen-— Ich dachts, du lisbtsst mich". Es blitzt und die bei- den Pole strebsn wieder auseinandsr, vsnn Lluffsr antwortst: "Lab nich denken'. Bsi ihn ist nichts von ZKrtlichkeit oder Teilnah-e zu spdren. Was danach.konnt, gehbrt zu-.bstreffenden ”Spiel in.Spisl', nit den vir uns jetzt beschtftigen. Eigentlich hat dis ganze Szene dis Funktion, Gustchens Versin- alt-ans und Mudflat vorzuflhren, was schon in Abschnitt absr den Rau- srlrlhnt vurde. Dis mite, bessgte Hllfts dsr Szene ist insarsit 'flbsrflflssig', als uns in dsr ersten Hilfts alles Wssentliche schon 64 nitgstsilt vurds. Es ist absr gerade dss “Spiel in Spiel“, dss uns Gustchens verzvsifelts Lage in ganz besonderem HaBe offenbart; Gust- chsn redet ihren Rouso, d.h. Fritz, an, vlhrend sis den Raf-sister liebkost. Des Lschsn bleibt einen in Hslss stscken. In Wisdsrauf- nshnsn dss Ronso-und-Julia-TOpos wird den Publikun sin Anhaltspunkt rs:- Gustchsns Schangsistsrei in dis Hand gsgsben. Sis sucht Zuflucht darin wegen ihrer Vsrsinsanung. Das Publikun wird such dazu gszvungen, sich nit seine. Bild von Lluffer kritisch auseinandsrzusstzsn. Hat Lluffer in seiner ersten Konfrontation nit Gustchsn den Eindruck eines dbsrenpfindsansn Jung- lings gouacht, so scheint sein sinzigsr Ko-sntar zu Gustchsns erster Rouso-Rede ihn als einen hartsn, berschnendsn Henschen zu sntlsrven: "Was schvlnst du wieder?“ Was diesel "Spiel in Spiel" besonders Bs- deutung vsrlsiht, ist seine Dmlichksit nit den klassischsn Vorbild: es besteht reins Haglichksit, Romeo und sein ngsnlbsr - bei Lenz Lluffsr und Gustchen - zusa-enzufflhrsn. So disnt dieser von Lenz vsrwsndsts Topos und das nunlshr nsu zwsckbsdingts “Spiel in Spiel" als Bsispisl fur dis groBe Anzahl von Episodsn in der Handlung epischsr Konstruktion. Lenzens Handlung fehlt ja, vie vir gszeigt haben, Gsspannthsit in Sinne dss klassischsn Theaters. Doch ist das Ergsbnis einer solchen Handlung, dis sich aus zahlrsichen, auf kein Endzisl angelsgtsn Epi- soden zusa-snsstzt, sins viel schlrfers Anklage gegen sins entsrtste Gessllschaft, als es in einen dranatischsn Werks dss klassischen Theaters dsr Fall wire. Der Grund liegt darin, daB diess Episode nicht sinfach isoliert dastsht, nicht 'spisodsnhaft' ist, sondern sich einen Baugssetz fdgt: sis disnt dsr polaren Sshveiss. Hit den 65 Problem dss Episodischen vollsn'wir uns in.nlchsten‘Abschnitt nlhsr befassen. 66 Dis Einheit dsr Handlung 'Ubsr dis 'Episodsnhaftigksit' von ‘l‘eilen eines dranatischen Kunstwsrkss' sprschs nan dann, ”wsnn ihre Bsdeutung rs:- das Ganzs von geringen Wert ist". 111 Crunbach ernahnt jedoch dis Kritiksr: Soll nun sin Drona dahingshsnd judizisrt werden, daB in ihn nehrere Episodsn ohne den lebendigen Konnex nit ssinen Vorgang sine ins Unvsrbindlichs wuchsrnds Funktion ausdbsn, so nuB dsr Urtsilsfindung sins luBerst klars Vorstsllung von der inneren und EuBsrsn Handlung zugrunde lisgsn. Crunbach neint nlllich, daB "viele Vsrda-mngsurtsils fiber dss Epische Theater“ - und hisrzu zlhlt sr dss dsr "Episodsnhaftigkeit" - auf die nangelnds 'Bsrsitschaft" zurdckzufflhrsn sind, “sin Kunstwerk auf die ihn wessnseigsnen Gesstzs hin zu betrachten". 113 Crunbachs Kritik scheint Max Spalter hinsichtlich dsr Episodsn in Hofneistsr auf den ersten Blick nicht zu treffsn. Spalter ko-sntiert dazu: Lenz's originality lies ... in his use of the episodic structure as a vehicle for a set of specific attitudes, which he conveys not nsrsly by what he puts into his scenes but by the order in which he arranges these scenes. Content and fern interact to asks a conpslling indict-snt: episode after spi- sods repeats essentially the sans basic picture of a society which is econuically and socially unviable ... and whose classes cannot begin to relate to one another tnnansly. 114 Den kann nan ohne weitsrss zusti-sn. Vorhsr hatte Spalter absr gs- schrieben: "Two subplots ... succeed only in distracting the reader". 115 Danit tut or dis Fritz- und von Seiffenblase-Nsbsnhand- lungsn ab. Er ist also zu seinen Ergebnisssn geko-sn, ohne etwa sin Drittel dss Dranss zu bsrdcksichtigsn. Bier gilt es zu untersuchsn, ob dis Nsbsnhandlungsn wirklich nur den Lsssr vsrwirren. Wir beschlf- tigen uns zunlchst nit dsr Fritz-Nsbsmndlung. Es Int oft den Anschsin, als ob es in epischen Drana zwsi Hand- 67 lungsn glbe: dis bsispielhafts oder paradignatische und die sinndeu- tends, such die ko-sntiersnde oder epigramtische genannt. 116 In Wirklichkeit handelt es sich un nur sins, denn ”Paradigm und Epigram bildsn in Epischen Theater sins unauflbsbars Einhsit". 117 Innsrhalb dsr Gesanthandlung unterscheidst sich die Bsispiel- oder Parabslhand- lung von dsr spigrannatischsn; in dsr spigra-atischsn findet sich die Sinndeutung dss dranatischsn Wsrkss. 1'18 DaB Bsispisl und Epi- grazn oft als zwei Handlungen srschsinsn, hlngt von dsr Art dsr Aus- fahrung dss jewsiligen Dichtsrs ab. Eine solche scheinbars Trsnnung zsichnst sich zun Bsispisl in Gryphius' Dss vsrlisbts Gsspenst — und - Dis gelisbte Dornrose, 119 Gosthss Jahrnrktsfest zu Plundsrs- weilsrn 120 und Tiscks D_sr_gestisfelts Eater 121 ab. Zu dieser Art gshOrt such Der Eofnsistsr. Dis sinndeutends Handlung darin ist die Fritz-Nsbsnhandlung. Disss hat zwsi Aufgabsn: den den Vorgang zu- grundsliegsndsn Grundkontrast daraustsllsn und zugleioh sich gegen die Bsispislhandlung abzuhsbsn. 122 We ist dsr Grundkontrast in der Fritz-Nebuhandlung srkennbsr? In dsr Szene in PEtus' Zinner bei Frau Elitzsr (11,3) wird gszeigt, wie Pitus von seiner Wirtin ausgenutzt wird und dsswsgen bei ihr in Schuldsn stsckt. Fritz' Lage vsrsohlschtsrt sich, als er sich rs:- seinsn tisf vsrschuldetsn Frsund Pitus vsrbdrgt und m:- ihn ins Ge- flngnis geht. In dsr Gsflngnisszens (11,7) kehrt Pitus nit lssrsn lilndsn von zuhauss zurflck. Fritz und sein zwsitsr Frsund, Bollwerk, ndsssn ihn zur Flucht flbsrrsdsn, weil ksins Hoffmng nehr fur ihn in Halls besteht. Fritz soll weitsrhin in Raft bleiben, denn, wie Boll- wsrk neint, werde ihn sein Vatsr schon auslBssn. Sowohl Pltus wie such Fritz werden also aufgrund gesellschaftlicher Vsrhlltnisss in 68 ihrer Psrsdnlichkeitsentfaltung gshennt. In 111,3 stattet von Seiffenblase den Gshsinrat einen kurzsn Bs- ‘ such ab. Es gslingt ihn, Fritz bsin Gehsinrat anzuschwlrzsn, so dab dsr Gehsinrat, statt seinem Sohn zu helfsn, nichts far ihn untsrninnt. Jetzt sind such Fritz wie sein Frsund Pltus vsrstoBen: dsr Grundkon- trsst bleibt dahsr aufrschtsrhalten. Dis Fritz-Nsbsnhandlnng wird nit dsr Buffer-Handlung verknflpft, indsn Fritz' Problsns auf das Ver- haltsn seines Vatsrs zurdckzufuhrsn sind. Ein Jahr nach Fritz' Einksrksrung erhllt dsr Geheinrat einen Brief von einen Professor in Balls (IV,1): Ihr Sohn ist vor sinigsr Zeit wegen mrgschaft gsflng- lich singszogen vordsn: er hat, wie or air vorgsstsrn nit Trlnen gsstandsn, nach fdnf vsrgsblich gsschriebenen Brisfsn keins Boffnung nehr, von Eursr Excellsnz Vsrzsihung zu er- haltsn. Ich rsdts ihn zu, sich zu beruhigsn, bis ich gleich- falls in dieser Sachs nich vsrnittslt hltte: er versprsch es nir, ist absr ungsachtet disses Vsrsprechens noch in dsrsslbsn Nacht heinlich aus den Gsfangnis entwischt. Dis Schuldnsr haben ihn Stsckbriefe nachssndsn und seinsn Nansn in allen Zeitungsn bekannt nachen wollen; ich habs sis absr dran vsr- hindsrt und far dis Sunne gutgesagt, weil ich viel zu sehr dbsrzsugt bin, daB Eure Excellenz diesen Schinpf nicht werden auf Dero Fanilis konen lassen. Ubrigsns habs dis Ehrs, in Emrtung Dero Entschlussss nich nit vollko-snstsr ... Manches in Brief ftllt auf. Wir ksnnen Fritz als einen ehrlichsn und vsrndnftigsn Jungsn. Es paBt nicht so ohne weiteres zu seinen Charak- tsr, daB er nach gsgebensn Vsrsprschsn hsinlich flieht. Aus den Brief geht hervor, dab es den Professor nehr un die Ehre dsr hailis Berg geht, als un Fritz' schli-s Lage. Der Professor hat sich wahrschein- lich Fritz gsgsndber such so vsrhaltsn. Auch us: sich aus den Brief schlisBsn, daB dsr Professor sehr darun besorgt ist, sein Geld zurllck- zubsk'oansn. Dis srstsrs Tatsachs hat wohl Fritz, dsr schon sin Jahr inhaftisrt war, derart zur Ysrzweiflung gebracht, dab sr nur an sin Entka-sn aus dsr Strafanstalt dsnksn konnts. So nacht sich dsr 69 Grundkontrast such in Brief bsnsrkbar. Fritz flieht zusa-sn nit Pttus nach Leipzig. Hisr scheint es ihnen besser zu gehsn, weil sis sndlich studisren kannsn. Pltus hat jedoch wieder Schuldsn genacht (Siehe 1V,6) und such Fritz steht jetzt in dsr Krsids, weil er ksins finanzislls Untsrstfltzung von ssinsn Vatsr srhllt (Siehe V,6). Dahsr wsiB nan: wsnn dsr Handlungsverlauf ksins Wendung gsnscht hitts - beide kannsn wegen Pltus' Lotterisgs- winns nach Hausa fahrsn —, wire es nur sins Frags dsr Zeit gswsssn, she sis wieder in Konflikt nit dsr Gessllschaft geraten wirsn. Es gslingt ihnen also sbensowsnig wie den anderen Figuren in Hofnsistsr, sich trotz ihrer wisderholten Versuchs von den gssellschaftlichsn Gs- gsbsnhsitsn zu befrsisn. Wohl wird dsr Grundkontrsst such in der sinndeutendsn Fritz- Nsbsnhandlung dsrgsstsllt, doch hebt sich diess andrerssits gegen dis Bsispislhandlung ab. ‘Zunlchst lsidst Fritz wie die anderen Figuren in Drana nicht unter einer inneren Gospaltsnhsit: die Eigenschaftsn, die or besitzt, sind positiv und sis bleiben von Anfang bis zun Ends so. Wenn Pltus seine Bilfs braucht, ist er sofort bei der Band. Freund sein hsiBt absr rs:- ihn nicht, allen zusti-sn, was dsr andere tut. So srklErt er Pltus, als dieser Jungfsr Rshssr in lblsn Ruf bringt: “Ni- nir's nicht M, wir kannsn so nicht guts Freunds zusa-sn bleiben" (1V ,6). Dad als Pltus in dsrsslbsn Szene den nicht satisfak- tionsflhigen Eshaar ohrfsigt und sich weigert, dsswsgen affentlich Abbitts zu lsistsn, will sich Fritz an Eshaars Stelle nit ihn duel- lisrsn. Hit den Worten: g'Ich will dich zwingen, kein Schurks zu ssin" gibt er seine Einstsllung zu erksnnsn. Fritz wirkt in srzis- hsrischsr Hinsicht positiv auf ssinsn Freund sin. Fritz zwsifslt 70 such nis an ssinsn Vater. Wenn such dsr Inhalt von von Ssiffsnblases Brief zisnlich klar bestitigt, daB dsr Gshsinrat ssinsn Sohn nicht hat schreiben wollen, glaubt Fritz, daB seine Briefs den Vatsr nie erreicht haben. Er kann sich also gar nicht vorstsllsn, daB sein Vatsr ihn in Stich lasssn kfinnts. Manches in Text srweckt den Anschsin, daB Fritz gsgenfibsr Gust- chsn untrsu gswsssn wire. Der Beweis von Fritz' vernsintlichsr Un- trsue liBt sich, wie in folgsnden erfirtert wird, nicht sindeutig sr- bringsn. Wihrsnd beide Jugsndlichs sich in 1,6 vonsinandsr vsrabschis- dstsn, srklirte ihnen dsr Gshsinrat, sis solltsn sich nie andere Briefs schreiben als offsns ... und sobald sin heinliches Brisfchsn an Junker Fritz oder Friulein Gustchsn sntdeckt wird - so steckt nan den Junker unter dis Soldatsn und das Friulsin ins Kloster, bis sis vernfinftigsr werden. Gustchsn vsrstfiBt gegen dis Weisung dss Onkels (In 11,2 hat Liuffsr ihren Brief an Fritz aufgsgsbsn), Fritz hilt sich absr daran, wie aus 11,3 srsichtlich wird: Pitus mcht sich fiber ihn lustig, weil sr an seine Eltsrn schreiben will. Fritz srwidert: "Ich nfichte gsrn Nach- richt von Bsuss haben, das gestsh ich, absr dss hat seine Ur- sachsn - -". Darauf sagt Pitus: 'Gustchsn - nicht wahr?" Auch sr- fihrt nan hier, daB Fritz schon sin Jahr in Balls ist und noch nit keinen Hidchsn gssprochsn hat. Aufgrund seines Vsrhaltsns kann angs- nonnen werden, dab sr bishsr rsgslniBig nach Hauss gsschrisbsn hat. In dsrsslbsn Szene lsiht sich Fritz Fedsr und Tints von Pitus und schreibt nach Bause, bis sr von inzwischsn erschienenen Studsntsn Bollwsrk untsrbrochsn und aufgsfordsrt wird, dis 'Schnisralisn' wsgzu— legsn, un nit in die Kufidis zu gehsn, denn er kanns ja auf den Absnd 71 schreiben. Laut dsr folgsnden Bfihnsnanweisung stsckt Fritz seine Briefs zu sich. Dahsr weiB nan nicht, wisviele Briefs ss sind und an wen er schreibt, oder ob er den einen oder anderen schon zu Ends gs- schrisbsn hat. Andrsrseits wsiB man ja, daB er sich Sorgsn fiber Gust- chsn macht und dsshalb nach Hauss schreibt. Die Liebssszsns (11,5), in dsr Gustchsn und Liuffsr zusammsn auftretsn, folgt zeitlich sehr bald auf die letzte, schon besprochsns Szene. So ist es sehr leicht nfiglich, daB Fritz einen Brief gsschrisbsn hat, dsr noch nicht sings- troffen ist. Und sollte dss auch nicht dsr Fall gswsssn sein, so ist das rslativ belanglos neben dsr Tatsachs, daB Gustchsn dis Bsgelung dsr Korrespondenzfrags durch den Geheimrat einfach nicht paBt. Sis gsstsht zwar: 'Visllsicht bist du E‘ritzj nicht ganz strafbar". Sis denkt hier an das vsrbot dss Gehsinrsts, nit Fritz Briefs zu wsch- seln. (Aber dann ffigt sis hinzu: fiAbsr die Liebs sstzt fiber users und Strfins, fiber Vsrbot und Todssgefahr selbst" und konnt gleich danach zun.SchluB: “Du hast nich vsrgsssen'. Ihre eigenen Worte fiber die Liebs sowie ihr gleichzsitiges Liebsstrsiben nit Liuffsr strafen sis Lfigsn. Kurz danach flieht dss Hidchsn, so daB sins weitsrs briefliche verbindung nicht nehr.nfig1ich ist. Fritz bleibt ihre Flucht langs un- bskannt, weil sein Pater ihn nicht schreibt. In V,8 kann.Pitus seine Groflnut gegenfiber ssinsn Freund beweisen. Er hat in dsr Lotteris gewonnsn: danit bszahlt er Fritz' und seine Schuldsn, und auf seine Kostsn reissn beide zusannsn nach Hauss, wo Pitus ssinsn Pater das restlichs Geld schenksn will. In V,ll nub dsr Geheinrat beiden Jungsn gsstshsn: ”Ihr wilds Burschen dsnkt besser als sure Viter'. Fritz zeigt sich also in dsr Nsbenhandlung als gsistig gssunder 72 und grundvsrnfinftigsr Mensch. Fritz ihnelt dsn anderen Figuren in Drama, insowsit er den tatsichlichen Vsrhiltnisssn in dsr Gessllschaft nicht zu entkonnen vsrnag. Er unterscheidst sich von ihnen, weil er ssinsn positiven Grundsitzsn trsu bleibt und nach ihnen handelt, such wenn es ihn schlecht geht. Er beeinfluBt ssinsn Freund Pitus in dis- sen Sinne. Ehe wir dis Folgsn erwigen, dis darsus entstshsn, daB dis Fritz- Nebenhandlung sinsrseits gegen den Grundkontrsst in dsr Bsispielhand- lung sbsticht, andrsrseits diesen darstellt, wollen wir uns nit dsr sinndeutendsn Handlung als Strukturslensnt dss epischen Dranas etwas ausffihrlicher befassen. "Die paradigmatischs Handlung ist fast inner unfangreichsr als dis epigrannatischs', schreibt Crunbach. Sis ”bean- sprucht" gswfihnlich "zwsi Drittel dsr Gesanthandlung". 123 Disses vsrhiltnis besteht such in.Hofneistsr: Paradigna oder Liuffsr-Hand- lung unfaBt stws zwsi Drittel, Epigrann oder Fritz-Nsbsnhandlung, stwa sin Drittel dsr Gssanthandlung. Hinzu konnt, daB dis ”Handlung dss Beispisls ... in einer uns vsrtreutsn Struktur dargestsllt"wird. 124 Was Crunbach unter einer 'vsrtrsutsn.Struktur' vsrstsht, ffihrt sr andsrenorts aus. Bsi den Kufidisn z.B. vsrnsrkt sr, daB dss Para- digna den.jewsiligen Publikunsgeschnack Bechnung zu tragen ver- suche. 125 Fine solche soziologischs Intention ist Lenz nicht nur in Ref-sister zuzuschrsiben. 1n seiner 'Bezsnsion dss neuen Menosa' schreibt or fiber dis Grundsitzs seiner'xunst: Dahsr nfissen unssrs dsutschen Konfidisnschrsibsr kuisch und tragisch zuglsich schreiben, weil dss Folk, ffir das sis schreiben, edsr doch wenigstens schreiben sollten, sin solcher Mischnasch von Kultur und Rohigksit, Sittigksit und Wildhsit ist. So srschafft dsr konisehs Dichter den tragischen sein Publikun. 126 73 Durch dis vsrbindung von tragischen nit konischen Elenenten in dsr Bsispislhandlung vsrstsht ss Lenz, den ”Publikunsgsschnack' Bschnung zu tragen. Dss vsrsucht er such in dsr sinndeutendsn Hand- lung, z.B. in Pitus' Konfrontation nit Frau Blitzsr (11,3), absr sonst wird diess Tendsnz darin nicht sichtbar, vor allen Dingsn dsshalb nicht, weil Fritz ksine konische Figur abgibt. So wird es offenbsr, dsB dis Fritz-Nsbsnhandlung such unter dissen.Aspskt won dsr Bsispisl- handlung abwsicht. Es sind die beiden, sosben besprochsnsn Gssichtspunkts - "dsr grfiBers Unfang wie das scheinbar vsrtraute Bsunustsr"'-, dis ”Kritiksr oft verffihrt' haben, in dsr 'Beispislhandlung ... dss 'eigsntlichs Stfick" zu sehen. 127 Was fibrig bleibt, dis sinndeutends Handlung, ‘wird als fiberflfissigss Bsiwsrk betrachtet. 128 Die Fritz-Nsbsnhsnd- lung ist unseres Wisssns in dsr Sskundirliterstur susschlisBlich auf diess Weiss abgstan'worden. Max Spalter hat von ihr nur in einer FuB- 129 note Notiz gsnonsn. Karl Guthks srwihnt sis nur beiliufig: sr findet sis 'nur an.SchluB notdfirftig nit dsr Baupthsndlung vsr- knfipft'. 130 Fritz Bittneysr nennt sis 'bloB iuBerlich-stofflichs Wuchsrung”. 131 Er zitisrt Georg Hausdorff:132 Fritz' Rolls ... ist es ... sigsntlich nur, abzureissn, wiedsrzukshrsn und die Gsliebts in seine.Arns zu schlisBsn. Allss andere ist zu nichts anderen da, als un Fritz dis nfitigs Zeit lsng von Hauss (das ist von Gustchsn) entfernt zu halten und den Dif3§°r Hubs zur Abspinnung dsr Liuffsr-Gustchenfidsn zu geben. Wir haben schon gszeigt, wie dis Fritz-Nebsnhandlung dsr Liuffsr- Handlung entspricht und sich such von ihr unterscheidet. Jetzt gilt es zu srfirtern,‘wsrun die sinndeutends Handlung Tsil dss gesanten Drsnas bleiben.nuB, denn 'Parsdigns und Epigrann bildsn in Epischen 74 Theater eins unauflbsbare Einhsit". 134 Durch dis Fritz-Nsbsnhand- lung, die die Vsrtrstsr beidsr Klassen, ninlich den Adligen Fritz wie such in untergsordnetsr Stellung den wrgerlichen Pitus, beleuchtst, nehnen dis Kontrsste in Drama ihren universalsn Aspskt an. Der Grund- kontrsst macht sich nicht nur in Liuffers Welt, sondern sllsrorts und zu allen Zeitsn benerkbar. Wenn sich dss dranatische Wsrk suf dss Bsispisl von Liuffer beschrinkts, so wfirds es einen Teil seiner Wir- kung dadurch einbfiBsn, daB Liuffsr nach wie vor sin lichsrlicher Ksuz bleibt. Wir stehsn zwsr auf seiner Ssits absr sr kann bei uns kein ausgssprochsnss Mitgsffihl hervorrufen. Fritz hingegen ist ein syn- pathischer Mensch, dsr nur guts Eigsnschaften sufwsist. Auch in dsr Studentsnwelt gilt dsr Standeskodsx, wis ss von Seiffenblase in dsr Gsfingnisszsne (11,7) Fritz sinschirft. Fritz verstfiBt dagegsn, indem er sich ffir ssinsn Freund Pitus einsstzt. Dsswegsn wird er wie sin Bfirgsrlicher behandelt und .16 die sich dsrsus srgsbsndsn Folgsn tragen. In Gesprich nit den Pastor hatte dsr Gshsinrst die Reforn dsr fiffentlichsn Schulen als Allheilnittsl ffir dis Gsssllschaft betrachtet: Mrgsrs- und Adslskindsr wfirdsn in den Schulen zuss-snkonsn. Der Fall von Fritz und Pitus zeigt jedoch, dsB noch nehr erfordsrlich ist, ninlich sins tiefgrsifsnds Vsrindsrung dsr Welt. Ds wir nun sehen, dsB einen solchen Menschsn dss Glsichs zustfiBt wie Liuffer, werden wir sufnsrksan: dsr Grundkontrast in Drans bshsrrscht den gesanten Hand- lungsverlauf dss Drsns. So ist die Funktion dsr sinndeutendsn Hand- lung srffillt: "Sstzt' dis Beispislhsndlung den Vordsrgrund, so errichtst die sinndeutends die WaBstibe ffir den Blick dss Zuschsusrs, dsr dis Gsltung sinssSatzss.135 einer Wahrhsit, in ssitlich-riunlichs Brigksit projiziert. 75 Ehe wir uns dsr von Seiffenblsss-Nebsnhsndlung zuwenden, wollen wir die zwsits.Art von.Konmentsr betrachtsn, dis such stellenweiss im Hofmeister vorhommt. Disss Art ist "so innig nit dsr" beispislhsften Handlung "vsrzshnt, daB es vollends unmfiglich wird, beide zu tren- nen". 136 Als sin etwas krassss Muster dieser Art bietst sich dss Gssprich zwischsn den Gshsinrat und dsn.Pastor an. KrsB ist es, weil die kommsntiersndsn Elements darin fibsrwiegsn. Trotz dieser Tstsache wissen wir jedoch, daB dss Gssprich nicht nur sus Sinndeutung besteht, denn es ist die dsrin vorkonnends Beispislhsndlung, d.h. Liuffsrs Lage in Heidelbrunn, dis konnsntiert wird. DsB es nicht lsicht fillt, den Kennentsr van Bsispisl sbzutrennen, liBt sich snhand einer Benerkung dss Pastors vsrdsutlichsn, dis wir schon ksnnen. Er ver- sucht ninlich ssinsn Gssprichspartnsr klar zu nachen, dsB nan sins Warts haben nfisss, von dsr nan sich nach einen fiffentlichsn.Amte unr sehen kfinne,'wsnn man von Universititsn konne. Er ffigt hinzu, dsB sin Patron sehr oft dss Mittsl zur Beffirdsrung ssi, und daB es ihn wenigstens so gegsngsn ssi. Disss Aussage ist sin Bsstandteil dsr Beispislhsndlung: sis gibt uns AufschluB dsrfibsr, wsrun der Pastor ssinen Sohns dis Hofmeistsrstellung vsrschafft hat. Ebsnfslls ist sis Konnsntsr, ninlich nan nub sich solcher Hittsl bedienen, un gesell- schaftlich weitsrzukonnen. .An diesen Bsispisl liBt sich dsr von Crun- bach postulisrte, strukturslle Zug srksnnsn: Bsispisl (dis Liuffsr- Handlung) und Konnentar greifen dersrt sng insinander, daB sis wirk- lich untrsnnbsr sind. In 7,9 greifen konnnntierends Psssagsn such zienlich nassiv in dis Beispislhsndlung sin: Liuffsr und Wsnzeslaus strsiten sich fiber den Wsrt dss Absrglaubsns. SchlieBlich konnt letztersr zu den SchluB, 76 dsB dis Welt nichts nehr ffir Liuffsr zu bistsn hsbs. An dieser Stelle wollen wir such dsr von Seiffenblase-Nebenhand- lung besondsrs Aufnsrkssnksit schsnksn: in ihr findet sich sings- schoben sbenfalls dis Sinndeutung dss dranatischsn Wsrkss. AuBsrdem gibt uns sin weiterer Punkt AnlaB zur Aufnerkssnkeit: Spalter neint, (was oben schon srwihnt wurde), daB sis den Lsssr ebenso vsrwirre wie die Fritz-Nsbenhandlung. Da Spalter ksine weiteren Anhaltspunkts ffir seine Einstsllung bietst, gehsn wir von dsr Annshne sus, daB er die Nsbenhandlung wegen ihres episodsnhaftsn Charsktsrs vsrurtsilt, weil sis als Episode "ohne den lsbsndigsn Konnsx' nit den Vorgang dss Dranas "sine ins Unsndliche wuchernds Funktion' susfibt. Der Grund- kontrast bsgsgnst hier: dis junge, sich noch in Entwicklungsstsdiun befindlichs Jungfsr Bshasr wird fast von von Seiffenblase vsrffihrt. Die Bsdeutung dsr Nsbenhandlung liegt darin, dsB dsr Gehsinrat hier zun ersten Hale handelt. Vorher hatte er sich gsrn reden hfirsn und gslsgsntlich konstruk- tivs Vorschlige gsnscht, sus denen absr so gut wie nichts wurds. Wo es sich un Praktischss gshandelt hatte, hatte er in Untitigkeit oder Batlosigkeit vsrharrt. 1n V,5 tritt er jedoch rssolut auf. Er ist enpfirt darfiber, dsB von Seiffenblase vsrsucht, Jungfsr Bshsar zu ver- ffihren, und dsB die Tants dsr Jungfsr nichts dagegsn zu untsrnshnsn scheint. Hit dsr Tants will er jetzt sprschsn. Es ist ssinsn Ein- schreitsn zu vsrdsnksn, daB dss Hidchen vor von Seiffenblase srrsttst wind (V,7). In dieser Szene ffihrt sr dis Jungfsr zu Gustchsn. Was er zu dieser sagt, ist such als Sinndsutung aufzufssssn: "Hisr, Gust- chsn, bring ich dir sins Gsspislin. 1hr seid in. s i n s n Alter, s i n s n Vsrhiltnisss - Gsbt such dis Hand und seid Freundinnen.” 77 Entscheidend ffir den Geheinrst ist nicht der Stand, sondern dis Affi- nitit dsr beiden Midchsn zusinandsr. Lenz lint in der.Antwort dsr Jungfsr deutlich erksnnsn, daB den Adel sufgrund dsr gssellschaftlichan Vsrhiltnisse dis Verpflich- tung auferlegt ist, den AnstoB zur Vsrbssserung dsr Zustinds zu geben: Ich wire Ihnen zuvorgskonnsn, gnidiges Friulsin, wenn ich das Bsrz gshabt. Allsin in sin so vornshnss Haus nich sinzu- dringsn, hislt ich ffir unbesonnsn und muBte dsm.Zug neines Herzsns, dss nich schon oft bis vor Ihrs Tfir gsffihrt hat, alle- nal nit Gewalt widsrstshsn. Glsichzsitig wird darin die bfirgsrlichs Mentalitit kritisiert. So- lange Bfirgerlichs so denken, kann es nis zu einer Verstindigung, zu gegsnseitiger Hilfs zwischsn den Stindsn konnen. I Rufen wir das Crunbachschs Postulat ins Gedichtnis zurfick, das in erstenfiKspitel snthaltsn ist: ”Dis Ordnung, die dsr Mensch sich gab, hat vsrsagt". Aus diesen Grunds geht es in epischen Drana un einen 'Nsubsginn". 137 Es ist jedoch dis 'unbeirrbsre Ehrlichksit" dss epischen Dranatiksrs, die ksine Orientierung nach neuen Zislen gestatte, 'bevor nicht die Untsrsuchung verhingnisvoller‘Abirrung sb- gsschlossen ist”. 138 Crunbach ffigt an snderer Stelle hinzu: 'Das vsrtrsusn in die Menschhsit nuB gsrsttst werden.... Zu dsn.Anfingen zurfick'. 139 Wir sind den Bsgriffen 'Nsubeginnfi and ”Zu dsn.Anfingsn zurfick" schon in.Zusannenhang nit dsr zeitlichen Beschaffsnheit dss Hofmeistsrs bsgsgnet. Darauf wollen wir in Rah-en dsr Fanilienszensn eingshen. Bier gilt es, sie nit dsr Nsbsnhandlung und den Geheimrat in vsrbindung zu sstzsn. Es zeigt sich sins Vsrindsrung in den Gs- hstnrat, nachden er sagt, daB er fasten und betsn wolls, d.h. BuBs tun und nsu anfangsn‘will. Disss Verinderung ist vor allen daran zu sr- kennen, daB er in dsr von Seiffenblase-Nebsnhsnd1ung handelt. Das 78 Bsndsln hat bei Lenz besondsrs Bsdeutung; ss ist dsr i-sr “wieder- kshrends Zentrslgsdanks' seines 'Philosophisrsns". 140 Aus ssinsn Aufsatz 'Uber Gfitz von Bsrlichingsn' geht deutlich hervor, dsB n u r dsr handelnds Mensch sich entwickslt. 1'41 Dsbei sieht sr den Menschsn in theologischen Zusa-enhsng. Der Mensch ist von Natur sin 'lel dsr Unstinds"; dsvon ksnn und soll er frei werden. 142 Er wird frei, d.h. Gott ihnlich, wsnn er handelt. Sein Gsist, d.h. dsr gfittliche Hsuch, trsibt zur Handlung. 1'43 Titigksit ist also nach Lenz dis erste Voraussstzung ffir dis Entwicklung dsr Persfinlichksit. Durch dss Bsispisl dss Gehsinrsts in dsr Nsbsnhsnd- lung wird in Drsna sins Mfiglichkeit gegeben, dss Vsrtrsusn in die Msnschhsit zu rettsn. Durch sein Handsln werden zwsi Vsrtrstsrinnsn sus dsr adligen und bfirgsrlichsn Klasss zuss-sngsmhrt. Auflsrdsn sorgt er daffir, dsB ihnen nichts zustfiBt: 'Gmshin tsugt dss Land ffir Gustchsn nicht und Manssll Bshsar lsB ich nicht von nir". Er wsiB, dsB Abgsschlosssnhsit und fehlends Ffihrung ffir Jugsndlichs schidlich ist. Auf dis Frags dss Majors, ob sr evsntusll an sins shslichs Ver- bindung seines Sohnes nit Jungfsr 2m denks, rssgisrt er nicht negativ. Nur sins Unsti-igksit 1:3: sich bei dsr sonst vorbildlichsn Vsrhaltsnswsise dss Gehsinrsts bsobschtsn: sr hat nichts fibrig ffir ssinsn Sohn. 1n spisodenhsft wirksndsn zwsitsn Ausgang dss Dranss, d.h. in den Fanlisnszsnsn, spielt dis Ms sine gross Bells. Der Gshsinrst vsr- gibt den wiedsrgsfnndsnsn Sohn. Gustchsn und ihr Water haben gsbfiBt, and such dsr alts Pitus hat sich dazu sntschlosssn. In seiner in den Zsitrsun 1772/73, spitsstsns rm 1“ gehfirendsn Schrift, 'Supplsnsnt zur Abhsndlung vm Bsun dss Erkenntnissss Gutss und Bfissn", gibt Lenz 79 seine sigsns Auffassung von dsr Bubs: Hstavou'n - nicht tut s u s s (dss Wort hat sin bfissr Dinon in unssr d e u t s c h s s Wfirterbuch gebracht) sondern verindsrt suren Sinn, srhsbt ihn6 trachtst von ganzsn Herzsn, dss Gsschehsne zu vsrbessern. Seine Definition ist dynanisch, diesseitig und vor allen tstbsdingt. Genssung ffir dis Menschhsit ksnn in der BuBe gsfundsn werden. 1'46 Durch Ms ksnn sis nsu beginnen, indsn sis ihren Sinn verindert, sr- hsbt und titig wird. Hisr zeigt sich wisdsrun die Vorrsngsstellung dss Bsndelns bei Lenz. Des Lsnzschsn mesgriffss singedsnk wollen wir zunichst dss Vsrhsltsn dss Majors in dsr SchluBszsns untersuchsn, dessen we, wie wir schon wissen, frsgwfirdig wirkt, ds sr sis Gust- chsn "zur Gsssllschaft' gstan hat. Er hat ffir seine "Torhsitsn" gs- bfiBt, zu denen such sein Wunsch zihlt, Gustchsn fit einen General oder Staatsninistsr vernihlt zu sehen, “denn ksinsn andsrn soll sis sein sttsgs bskmnsn" (1,4). In dsr letzten Szene srfihrt er von ssinsn Bruder, daa sin Frsisr bei Gustchsn ssi. Der Gshsinrst nsint nstfir- lich ssinsn Sohn. Der Major will wissen, ob ss sich un einen Menschsn von gutsn Bsuss, einen Adligen handle, worsuf dsr Gshsinrst srwidsrt, er bszwsifls es. Ds sagt dsr Major: Doch keinsr zu weit unter ihren Stands? 0 sis sollte dis erste Partie in Kfinigrsich werden. Das ist sin vsrnsledsiter Gedanks: wenn ich doch den erst fort hitts; er wird nich noch ins Irrhaus bringsn. Gsnssssn an Lenzens Vorstsllung von dsr we ksnn sich dsr Major noch nicht zu einer echtsn Sinnssindsrung durchringsn. Doch tritt dss nicht sehr deutlich in Erschsinung, weil alles in den Fanilisnszsnsn so glficklich vsrliuft. 1n diesen Sinne gsnfigen hier dsr' Geheimrat und der alts Pitus Lenzens Auffassung von dsr Ms. Bisrbsi fillt dis 80 Art und Weiss auf, in dsr sis ihre Bubs vsrrichtsn; bei den einen gs- schisht es su-srisch, bei den anderen rfihrsnd-ssntinsntsl. So paBt ss gut zun Happy-End in diesen Szenen. Dieser SchluB hebt sich jedoch stark gegen dss rsstliche Drana ab, vor allen gegen den unnittslbsr davorlisgsndsn ersten SchluB. Wir sind dsr Ansicht, daB nit den glficklichen Ausgang sins besondsrs Funktion vsrbundsn ist: es soll denonstriert werden, dsB sin solchss Ends illusorisch, eher nirchsn- hsft ist. Crunbach schreibt: Wenn dsr dsus ex nachins den Exsnpsl oft einen dsr Ent- spsnnung dsr klsssischsn Forn ihnlichsn Ausgang verlsiht, wird sin solchss Ends inner so denonstriert, dab gerade in seiner nsngslndsn Logik dis Dissonanz noch sinnl schrill srklingt. 147 Dsr Grundkontrast wird von dsr Bsppy-End-Stinnlmg fiberlagsrt, so daB sins Aussfihnung stattgsfundsn zu haben scheint. Es bleiben jedoch viele Frsgen offen. Wis wird dis Majorin, dis sigsntlichs Bsrrscherin in Bauss, suf dis Nachricht von den Siugling sowie von Gustchsns bs- vorstshsndsr Ems rssgisrsn? Wsr bfirgt daffir, daB Pitus ss nicht genau so nacht wie sein Vstsr, dsr dis sigsns Mutter vsrstisB, nschdsn sis ihn dss ganze Vsrnfigsn gsschsnkt hatte? Auch wird nn dis Ms dss Majors in Lenzschen Sinne als unvollko-sn nsnnsn und sich fibsrlsgsn, was dieser sigsntlich gslsrnt hat, wenn er sich ksins andere Mfiglich- keit dsr Midchsnsrzishung als dis durch Boinsistsr vorstsllsn ksnn. Bszsichnsndsrwsiss nsint dsr Geheimrat zu lstztsrsn, nan solle nicht jetzt, sondern ”sin sndsrnal" dsrfiber sprschsn. Auch ffirchtst Gust- chsn, sis kfinnts Fritz unglficklich nschsn. Dsrartigs Minlings tragen dazu bei, dis Brfichigksit und Unglsubwfirdigksit dss glficklichsn Aus- gsngs aufzuzeigen. Zudsn erregt dss groB vsrkfindsts Msubsginnsn dsr Figuren unseren Vsrdacht. Wir vsrsprschsn uns wenig davon, denn wir 81 ffihlsn, daB sis ihren sosben gsfthen Voraatz nicht halten werden. Gsnsu so suspekt ist die Weiss, in dsr alle Figuren an SchluB zu- ss-sngsffihrt werden: alles gssehisht aus Zufsll. Dis Mutter dss alten Pitus kshrt vfillig unnotivisrt zu ihren Sohn zurfick und bringt den Siugling nit. Pitus' Erfolg in dsr Lotteris ernfiglicht seine und Fritz' Bsinkehr gerade in den Augsnbliok. Pitus' Gsliebts ist ds, weil dsr Gshsinrst sis nicht nehr sus den Augsn lasssn will. Dsr SchluB wirkt dsswsgen wie sin Wundsr, weil sr suf lsutsr Zufillsn bs- ruht. Es ist, als ob Lenz danit zun Ausdruck bringsn wollte, dab nur noch sin Wunder den Grundkontrast sufhsbsn und einen solchen Ausgang herbsiffihrsn kfinnts. Jetzt ist es srklirlich, warun dis Fritz-Nsbenhandllmg notwsn- digsrwsise aufhfirt, sinndeutend su sein und in die Beispislhsndlung fibergsht, zu dsr js dis Fanilienszsnsn gehfirsn. Wenn dis beiden Bsndlungen an Ends nicht sues-sngsko-sn wiren, hitte dsr Effekt dsr Beispislhsndlung sine Schwichung erfshrsn, weil Fritz sin starksr, positivsr Charaktsr ist. Durch seine bombs in dis Beispislhsnd- lung glinzt er nicht nehr nit dsr gleichsn Intensitit, er wird vu Gsssntsindruck dsr Fanilisnszsnsn fibsrtfint. Des gilt such ffir den Gshsinrst, dsr als Better dsr Jungfsr Behasr in der von Seiffenblase- Nsbsnhsndlung den Lsssr noch frisch in Gedichtnis ist. . Bstrachtst nan den sigsntliohsn negatives Ausgang dss Drsns, so fragt nan sich - un kurz suf sin Anlisgen Crunbachs zurfickzuko-sn -, wie in Bothsistsr ”dss Vsrtrsuen in dis Msnschheit" dadurch gsrsttst werden soll, dab nn 'zu dsn‘Anfingsn' zurfickgsht. In dieser Hinaicht srksnnsn wir den Gshsinrat als dis Schlfissslfigur: seine Bubs ist sktiv. Der Wunsch, Buss zu tun, d.h. neu anzufangsn, hut bei Lenz 82 wisdsrholt vor, so z.B. in Der nsus Msnoza und Dis Soldatsn. Wir glauben, dab Lenz dis Bubs, wie er sis dsfinisrt, nicht als sins Lfisung ffir dis Msnschheit, sondern als sins Mfiglichkeit unter vielen anbistst. Dss sntspricht dsr Haltung dss epischen Dramatikers. Er gibt ksins Lfisungsn, geschwsigs denn sllgsnsin gfiltigs Lfisungsn. Der Ausgang bleibt unsntschisdsn. Der Dranatiksr will vislnehr den Zu- schauer zwingsn, sich Gsdanksn fiber sein Drsna zu nachsn, in der Hoff- nung, daB dieser viellsicht sins sigsns, individuslls Lfisung findet. Der Ausgang dss betrsffsndsn Lsnzschen drsnatischsn Wsrkss sntspricht dieser Intention epischsr Dransuffsssung. Wir glauben, den Beweis erbrscht zu haben, daB Der Bofneistsr nicht aus isoliertsn Situationsn besteht. Vislnehr wird seine Struk- tur durch den Kontrast zwischsn Privilegiertsn und Nichtprivilsgisrtsn bestisnt, d.h. seine Handlung als dis eines epischen Dranas ist 'durch sin festss Prinzip", ninlich dss dsr Polaritit, "in allen Elsnsntsn zur Gestalt gsschlossen“. 1'48 4. KAPITEL DIE FIGUREN Die Figuren in epischen Drsna sind 'uneinhsitlich, zsrrisssn, widersprfichlich und in sich gsspsltsn". 149 So trifft nach Crunbach dsr Vorwurf zu, dsB ss den Epischen Theater an Charaktsrsn und an psychologischer Durchdringung nangsls. Er stellt fest, es fehls keineswegs an sthischen und psychologischsn Motivsn, doch hsbs dsr Zu- schauer sis aus den Handlungsn dsr Psrsonsn zu dsduzisrsn: unnfiglich ssi es, sufgrund dsr gsgebensn Bsschaffsnhsit eines Charaktere Beak- tionsn vorauszubsrechnen. 15° Er spricht von der “Doppslnatur dsr Msnschenssels': Des Menschsn Unhsil wird in dsr sugsnscheinlichen Brfichigksit dsr Charaktere, in ihrer Inkonssqusnz, aufge- risssn. Mit aller nur denkbsrsn Intensitit spisgeln sis dis Doppslnatur dsr Msnschsnsssls. Dis Handlun en einer und dsrsslbsn Person stehsn gsgeneinandsr suf. 51 Lenzens theoretischs Einstsllung zu den dranstischsn Personen weist in diesen Punkt siniges suf. In den Annsrkungsn fibers ‘lhsstsr schreibt sr: Dis Mannigfsltigksit dsr Charaktere und Psychologisn ist die hindgmbe dsr Natur, hier allein schligt dis Wfin- schslruts dss Genies an. Und sis allein bestinnt dis un- endliche Msnnigfsltigksit dsr Handlungsn und Begebenheiten in dsr Welt. Nur sin Alexander und nach ihn keinsr nehr. 152 Lenz sagt zwsr nichts dsrfibsr, dsB dis Figuren 'zsrrisssn" oder “in sich gsspsltsn" sind. Doch bringt er zun Ausdruck, daB sis 83 84 konplizisrts Wssen sind, denn ihre Mannigfsltigksit “besti-t dis unendliche Ihnnigfsltigksit dsr Handlungsn und Begebenheiten in der Welt". 1n dsr Anffihrung von dsr Gestalt Alexanders dss GroBsn will sr klar nschsn, dsB Figuren such individualistisch sind. Visl ergisbigsr ist Lenzens Definition dsr Konfidie in ssinsn Am fibers Theater: Msinsr Msinung nach wire inner dsr Bauptgsdsnks einer Konfidis s i n s S a c h s.... Eine MiBhsurat, sin lfind- ling, irgsnd sins Grills eines ssltssnsn Kopfs (dis Person darf uns weitsr nicht bskannt sein, als in so fern ihr Charskter diess Grille, diess Msinung, selbst disses Systsn veranlth haben ksnn: wir verlangsn hier nicht dis g s n z s Person zu ksnnsn). 153 Bier billigt Lenz, wenn nicht dis Gospaltsnhsit dsr Figuren, so doch den Vsrzicht auf die Einhsit dsr Person. Nash Crunbach disnt die Gespsltsnhsit dsr Figuren den Kontrsst. Er drfickt dss so aus: Struktursll unbedingt ist un so unsbdinglichsr, daB jsds Figur, die in Laufs dss Drans wirklich ausgslsuchtet werden kann, dis Gssgtltsnhsit dss zugrundslisgsndsn Kontrastss in sich trigt. 1 1n dieser “Funktion dsr Figuren“ offsnbars sich “die Wslthsltigksit' dsr 'Struktur". 155 Wis schon vorhsr fsstgsstsllt beruht dsr Vorgsng in Bofnsistsr suf den Kontrsst zwischsn Privilegiertsn und Nichtprivi- lsgisrtsn. In less-snhang nit diesen Kapitsl kfinnsn wir dis Polari- tit als dis zwischsn Ausbsutsrn und Ausgsbsutstsn bszsichnsn. Gsrsde weil dis Menschsn in sine solche Welt dsr Ausbsutsr und Ausgsbsutstsn hinsingsstsllt sind und von ihr hin und her geworfsn werden, werden sis 'zsrrisssn, widsrsprfiohlich und in sich gsspsltsn". Dss hsiBt jedoch nicht, dsB dis Figuren susschlisBlich dazu ds sind, den Kontrsst sichtbsr zu mchsn. Eine derartige 85 Verfahrsnmiss lisfs auf nichts andsrss als trocksns Didsktik oder billigs Propaganda in Disnsts irgsndsinss politischen oder rsligifisen Dognss hinaus. Auch dss Dichtsrischs an den Figuren nuB srksnnbsr sein. Wir bsdiensn use in diesen Zuss-snhsng einer Erliuterung Crun- bachs zu Brechts Drsns Der guts Mensch von Sszusn: Es besteht kein Zwsifsl, dsB dieser ssltsans Agitator den Klasssnkanpf predigen wollte; ststt dessen srfiffnst uns seine visionirs Schsu den Einblick in dss wsssnhsfts Gsffigs nensch- lichsr Bsziehungsn.... Der Genius dss wahren Dichtsrs sntfaltst seine Flfigsl und srhsbt sich weit fiber dis Plattitfiden einer politischen Tsrninologis. Dis Psrsonen disses Drama sind Inksrnationsn dichtsrischer Weltschsu: vox postss psrsonat: ganz nensehlich warn gezsichnfi)6 sind sis zuglsich Prototypsn dss Msnschssins schlechthin. Auf die lsbsnsnshs Zsichnung dsr Figuren in Bofnsister soll spitsr singsgsngen werden. Mit Bszug auf vsrschisdsns Figuren in Mothsistsr werden untsn Bsispisls ffir dis Gsspsltenhsit gegsbsn, dis sich sus den unvsrsin- bsren Grundkontrsst srgibt. Des Dran sstzt danit sin, daB dis "Doppslnatur” von Liuffsrs Sesle sofort sngsdsutst wird: seine heftigs Kritik dss Gshsinrsts liBt seine Arrogsnz sichtbsr werden, seine unnittslbar darauf folgsnden Vsrbsugungsn, seine Krisohsrsi. Und an Ends dss drsnatischen Wsrkss stehsn seine wirklich nicht vorhsrsshbsrsn Handlungsn gsgensinandsr auf; er vollzieht z.B. an sich selbst die ihrer Natur nach passive Ksstrstion. Spitsr will or von sigsnsfichtigsn Motives gstrisbsn dss Dorfnidchsn heiratsn. Disss Doppslnatur nscht sich such bei anderen Charakteren bensrkbar. Gustchsn, die Fritz ihr Berz gsschsnkt und Trsus gsschtorsn hat, wird il- untrsu, inden sis sich von Liuffsr sus- nutzsn liBt, wihrsnd sis diesen als Sexuslobjskt ausnutzt. An Gust- chsn zeigt sich in bssondsrsr Weiss, wie 'unnfiglich' es ist, 'auf 86 Grund dsr gsgebensn Bsschaffsnhsit eines Charaktere Beaktionsn voraus- zubsrschnsn". Spistfirgsrlichs Ergsbsnheit gibt den AnlsB zu den ganz unsrwsrtstsn, vorsiligsn Entschlufl dss gswfihnlich "vsrnfinftigsn' Ge- hsinrsts zur we. Dennoch liBt sr ssinsn Sohn Fritz in Stich. Frfi- hsr hatte sr suf dis Bitts dss Pastors hin, Liuffsr dis Erzishung seines zwsitsn Sohnes snzuvsrtrsusn, srklirt, sr werde Liuffsr zu Ge- fsllsn sein Kind nicht verwahrlossn lassen. Pitus lisbt Jungfsr Re- hssr und will sis zsrt bshsndsln. Er steigt absr trotzdsn eines Nachts in ihr Fenstsr und vsrsstzt ihren Water obsndrsin sins (hr- fsige, als sich dieser dsrfibsr bsschwsrt. Nicht gsnug danit, so will sr sich wegen dsr (hrfeige, dis Rshssr won its: bsko-sn hat, such nit ssinsn Freund Fritz .schlagsn. Kaine sinzslns Szene in Drans var-nag dis Widsrsprfichlichksit einer Figur so gedringt zun Ausdruck zu brin- gsn wie 17,5. Bier hat dsr Major seine Tochter wisdsrgsfundsn und ihr such dss Leben gsrsttst. Nur sins seiner Bsdsn braucht sngeffihrt zu werden, un seine Doppslnatur vor Augen zu ffihrsn: Vsrfluchtss Kind: hsbs ich dss an dir srzishsn asses: (Knist nieder bei ihr.) Gustsl: was fehlt dir? Bast Wssssr singsschluckt? Bist noch nsin Gustsl? - Gottloss Kanaills: Wir wollen uns nit dieser kurzsn Ubsrsicht begnfigen, da such untsn dis Gsspsltenhsit dsr Figuren untersucht wird. ~ Es stellt sich die Frags nach dsr Einordnung solcher Menschsn in dis hndlung. 157 Wihrsnd "dis Struktur dss Spannungsdrans" suf 'dsr Konzeption einsr heilen Welt" 15" beruht, grfindet sich die dss epischen Dranss in dsr Eonzsption einer brfichigsn Welt: dsr Fshlsr liegt in dsr Existenz selbst. 159 Die Bruchlinis, schreibt Crunbach, schsids Esslss von Irrealsn nicht, sondern vsrlsufs quer durch die Wirklichkeit. Dss hat zunichst zur Folge, daB "dis Figuren nicht als 87 Spislsr und ngsnspislsr srschsinen', 16° wie in Spannungsdrana. So wird zun Bsispisl in Bofnsistsr Liuffsrs Handlungswsiss nicht durch dis Tstsn dss Geheinrsts oder Fritzsns bedingt. Fritz kfinnts in Balusn dss Spannungsdranas leicht zu Liuffsrs Gegsnspislsr werden, beide lernen sich jedoch nicht sinnal ksnnen. Eine Trennung nach Gruppsn, stws Adligen und Bfirgsrlichsn, ist such sbzulshnsn, ds, wie schon an Anfang disses Kspitels srwihnt wurds, alle Figuren suBsr Fritz nit dsr gleichen Gsspsltenhsit bshaftst sind. Eine wsitsrs Glisdsrung dss Spannungsdrsnss, ninlich in Schuldigs und Unschuldige, sntfillt in epischen Drans: “Wenn dis Zsrrissenheit dieser Welt in Urgrund srksnnt wird, ist sins Schsidung zwischsn Schuldigsn und Unschuldigsn nicht nfiglich"; 161 die Psrsonsn ssisn 'potsntisll ... schuldig, absr krsft ihres Msnschssins ... ebenso un- schuldig". 162 Wir wollen dis Gfiltigksit dieser neuen Erkenntnis fiber Schuld und Unschuld zunichst snhand von Liuffsrs stenssitustion vsr- anschaulichsn. In 1,4 lisst m, daB Major Berg Liuffsrs Gshalt etwas kfirzt. Dsdurch scheint dsr Major sich schuldig gsnscht zu haben. Absr in der vorhergshsndsn Szene steht, daB ss dis Majorin war, die Liuffsrs Lohn halbisrts. Man weiB, dab ihr Mann sin Pantoffslhsld ist, dsr in hius- lichsn Angslsgsnhsiten wenig zu sagsn hat. Man ksnn in ssinsn Fsil- sehen un Liuffsrs Gshalt ssinsn Ehrgsiz srksnnsn, es seiner Frau zu- vorzutun. Dsdurch vernindsrt sich zunindsst seine Schuld gsgenfiber dsr seiner Frau, wsnn er such noch nicht snt-schuldbsr ist. Seine Frau trfigs also nunnshr die Hauptschuld. m Gshsltssngebot an Liuffer beruht jedoch suf einer Absprschs nit ssinsn Vstsr. Bekannt- lich war dsr Pastor such Hauslehrsr gswsssn, und ss ist sehr 88 wahrscheinlich, daB sr bei dsr Bszahlungsfrsgs von ssinsn eigenen Er- fahrungsn ausgsgsngsn ist. Andersrseits scheint es ihn nicht ninder daran zu lisgen, ssinsn Sohn, dsr ffir ihn sins finanzislls leastung darstellt, nfiglichst schnsll los zu werden (Siehe 1,1). Nun kosnen wir noch einsnl suf dis Schuld dss Majors zurfick. In dsr Gshaltsfrags bsruft er sich such suf den Pastor: "Ich tu as nur aus Freundschsft ffir Ssinen Herrn Vstsr". Auch er hat wohl nit Liuffsrs Vatsr fiber diesen Punkt gssprochsn. Wsr ist der wirklich Schuldigs? Kann von einen solchen fiberhsupt gssprochsn werden? SchlieBlich hat Liuffer selbst durch sein Verhalten gsgenfibsr dsr Majorin und den Major zu vsrstehsn gsgebsn, daB er dss Angsbot stillschwsigsnd angsnosnen hat. An Ends ihrer Auseinandsrsstzung in 11,1 lifit dsr Pastor den Gs- hsinrst den Brief von ssinsn Sohns lsssn: Den ohngsachtst kann ich dies Haus nicht vsrlssssn, und sollt ss nich Leben und Gesundheit kostsn. So viel dsrf ich Ihnen sagsn, daB die Aussichtsn in sins selige Zukunft nir alle dis wheeligksitsn nsinss gsgsmtirtigsn Standes - Bier bricht dsr Gshsinrat ab und liest nicht weitsr. Der Brief ist vorsusdsutsnd, ninlich ffir dss Lisbesvsrhiltnis zwischsn Liuffsr und Gustchsn. Was bedsutst sr genau? Spricht sin Vsrlisbter nicht eher von der ngsnwsrt als von den Aussichtsn in die Zukunft? Aus welchsn Grunds spricht einer, dsr un sin Midchsn wirbt, von den Mfihseligksitsn seines gegsnwirtigen Standss? Offsnbsr hat Liuffsr vor, Gustchsn zu heirstsn, un sich die Privilegisn, dis sin sozial hfihsrsr Stand nit sich bringt, zu verschaffen. Der junge Hoihsistsr ist dsnnoch nicht so vsrda-enswfirdig, wie er zunichst erscheint. SchlisBlich hatte es zwsi Jahre gsdauert, she er ssinsn Plan faBts. Wihrsnd dsr Zeit wohnte dis Fanilis fast ununtsrbrochsn suf den Lands und, wie Liuffsr 89 in den Brief an ssinsn Vatsr schreibt, durfts er sin ganzss Jahr lang dss Dfirfchsn Heidelbrunn nicht vsrlaasen. Er ffihrt dort also sin Da- sein, dss sich wenig von den eines Manches unterscheidet. Das sinzige Midchsn, nit den or zussnnsnkonmt - und zwsr von Ants wegen - ist Gustchsn. So ksnn ss nicht fibsrrsschsn, dab sr Geffihls ffir sis hsgt. Auch scheint es ffir ihn wirklich ksinsn anderen Auswsg aus ssinsn bs- ruflichsn Dilsnna zu geben. Da sein Vatsr ihn offsnsichtlich nicht gsldlich unterstfitzsn will, nuB sr weitsrhin Hofnsister bleiben. Doch wird gleichzsitig ssin Gshalt stindig vsrkfirzt. Hinzu kounst, daB er bewuBt oder unbswuBt den Bsispisl seines Waters, dss frfihsrsn Hausleh- rsrs, folgt, dsr durch Einheirat gssellschaftlich sufgsrfickt ist. Es kannt jedoch zu keinsr Ehs zwischsn Hofnsistsr und Schfilerin, sondern zu einen Liebsshandsl, an den erneut dis Unvereinbsrkeit dsr beiden Stinds gszeigt wird. Liuffsr vsrffihrt Gustchsn nicht, sis liBt sich von ihn vsrffihren. Dis Lisbssszsns (11,5) bringt zun Aus- druck, dsB sis nicht daran dsnkt, ihren Liebsspsrtner zu heirstsn; sus ihren Hinwsis auf Die neus Heloise 1i8t sich folgsrn, daB Liuffsr ihr sins Art Ssint-Prsux -.- jsdoch in ngensatz zun litersrischen Vor- bild einen sinnlich betsiligtsn Ssint-Prsux - abgsbsn soll. Auch lssssn Gustchsns Worts: 'Nisnand wird dish mtnflsn', eher Vorsatz zu einen vorwisgsnd ssxusllsn Vsrhiltnis als Liebsssti-nng srksnnsn. Spitsr ist es nicht Gustchsn, sondern Liuffsr, dsr sich nach seiner vsrlorsnsn Unschuld zurficksshnt (V,3). Gustchsn trifft absr nicht dis ganze Schuld daran, daB sis so ist. Dss Midchsn wird von ihrer Mutter vsrschtst. Dis rokokohsfts kronin koksttiert gerns und besinfluBt wohl ihre Tochter in dieser Binsicht, dis ihrsrseits solchen Trsibsn such nicht abgeneigt ist. 90 Hat sich dsr Major frfihsr nur un sin sinzigss Faniliennitglisd, nin- lich Gustchsn, gskfinnert, so tut sr jetzt nicht sinnsl dss nehr. Stattdssssn dsnkt sr daran, Haus und Herd zu vsrlasssn (111,1 und IV,1). Ffir Gustchsn dfirftsn such dis Einwirkungsn dsr shslichsn ver- hiltnisss zuhauss susschlsggsbsnd sein: dis Ehs dsr Eltsrn ist zer- rfittet. Den Major ist seine Frau sine Hurs (111,1), den Grafen Wsr- nuth erzihlt die Majorin gsrns von den ”Sottissn' ihres Mannes (11,6). Gustchsn ist neist allein, die Fanilis zeigt weder.Absicht noch Interesse, ihr zur Ssits zu stehsn. Des Midchsn lsbt auBsrden in stronger‘Abgsschisdsnhsit suf den Lands. Hisrzu schreibt Elisabeth Genton: Sis Eis Frau oder dss Midchexfl dsrf ... nicht in sngsr Abgeschlosssnhsit gshaltsn werden.... Eine strange Abgeschlosssn- heit birgt groBs Gsfshrsn in sich: denn um die fehlends Gssell- schaft zu sgsstzsn, greift dis junge Frau oder dss Midchsn zur Lsktfirs. 16 Gustchsn lisst bskanntlich viel. fiber dis Erzishung dsr danaligen Frau lisst nan Folgsndss von Elisabeth Genton: Es handelt sich daran, den Manne in dsr Frau sine guts kfinftigs Mutter seiner'Eindsr zu srzishsn. Die Bildung spielt in.sten und in dsr Erzishung dsr Frau neistens nur sine negative Rolls: denn ffir dss Wsssn dsr Frau wird Nstfirlichksit gefor- An Gustchsn liBt sich bszfiglich dsr Erziehungsfrage dss Ungskehrte sr- ksnnen: sis wird fibsrhsupt nicht srzogsn, sieht nan von Liuffsrs frag- licher Titigksit ab. .Auch bewshrhsitsn sich die Folgsn ihrer “Bil- dung“: Dss viele Lsssn hat sis zu sinen.frfihrsifen Midchen gsnacht - gegen dis Schfingsistersi ist sis bssondsrs snfillig«-, sis langweilt sich, da sis neist allein ist; sis entwickslt dis ihrer Mutter abge- schsuts Eigenschaft, ihre Beizs spislsn zu lassen. Dahsr ist such sis 91 trotz ihrer Schuld snt-schuldbsr. Gustchsns Gsspsltenhsit wird vor allen in ihrer Renee-Reds in 11,5 vsrdsutlicht. Hisr lisbkost sis Liuffsr, wihrsnd sis an ihren sinzig gslisbten Fritz dsnkt. Dss srinnert such an die widsrsprfich- lichs Haltung dsr Mutter, dis sinsrseits gsrns nit Liuffsr koksttiert, andrsrseits ihn sehr schroff behandelt. Wihrsnd in den Tsil dss Hofmeistsrs, dsr sich bis sinschlisBlich 111,1 bei dsr Fanilis Berg sbspislt, dsr SchluB nahelisgt, daB es sich bsin Vorgsng in erster Linis un einen fast klssssnkanpfsrtigsn Kon- trsst zwischsn den Stindsn handelt - dss hisBs, dsr.Adslsstsnd trfige doch zunindsst die Hauptschuld an den gssellschaftlichen ZustindsnI-, wird in dsn.Szenen bei Wsnzsslaus offsnbsr, daB sine derartige Tsndsnz susgsschlossen ist. Es gslingt Lenz, sins objsktive Haltung zu bs- wahren: hier steht dsr Bfirgsrlichs Liuffsr den.standesglsichsn Wsn- zsslaus gsgenfiber. Denenstrisrt wird dahsr*hisr wie dort ganz in Sinne dss Vorgangs ~41. vsrkshrts Einrichtung der Welt“. 165 Bsi Wsnzsslaus sieht Liuffsr sin, daB sr*vorher nichts als sin 'Sklavs' war und er schitzt seine neus "Freiheit” (111,4). Er bswun- dert dis nutigs und sslbstbswuBts Haltung, dis dsr Schulnsistsr gegen- fiber Graf Wsr-nth bewies (111,2). Er nub zwsr von Wsnzsslaus nsnchs lesidigung hinsichtlich seiner sksdsnischsn.Kenntnisss hinnehnen, dsnnoch srksnnt er: 'Dss unertriglichsts ist, daB sr recht hat‘- ” (111,4). Liuffsr wird Wsnzsslaus' Hilfslshrer. Wsnzsslaus sagt zu ihn: “Ich'will Euch nach seiner Hand zishen'. Dsnit hat Liuffsr sins Gslsgsnhsit, dis nur wenigen Menschsn gebotsn wird, dis schon in Bsruf stehen: ihn wird sine neus Erzishung, d.h. sigsntlich sins neus Lfisung zutsil. 92 Liuffsr scheint sich unter Wenzsslsus' Anlsitung zu entwicksln. Dsflr spricht dss Folgsnds: Als Liuffsr von den Major und dessen Bs- glsitern sntdsckt wird, hat dsr Schulnsistsr nur Lob ffir ihn: "Er ist ... sin stiller, frisdfsrtigsr, flsiBigsr Mensch, und sein Tags hat Inn nichts von ihn gshfirt" (17,3). Gegsnfibsr den Major, dsr ihn an Arn lsicht vsrletzt hat und ihn noch sinnsl zu srschisBen vsrsucht, vsrlisrt Liuffsr nicht wie frfihsr dis Fassung; nan verglsichs ssinsn ersten Auftritt in dsr Dorfschuls (111,2) nit diesen. AuBsrdsn lssssn seine Erklirung hinsichtlich dsr 7srlstzung (”Ich habs weit weniger bskonnsn, als nsine Tatsn wsrt waren“) und seine Ubsrgsbs dss von Ge- hsinrat gsschenktsn Geldes an Wsnzsslaus suf sine scheinbar neus, edls Gesinnung schlisBsn. Wenn sich Liuffsr tatsichlich entwickslts, so wfirds dss sin weitsrss Problsn heraufbeschwfirsn. In epischen Drans ist 'ksins Ent- wicklung nfiglich". 166 Crunbach postuliert ninlich, dsB bei gleichsr Stirks dsr Kontrastpols in einen Wsssn der Zwisspalt konstant blei- be. 167 Eine Entwicklung Liuffsrs hitte seine charaktsrlichs Einhsit statt Gsspsltenhsit zur Folge. Den Schlfisssl zu dsr scheinbarsn Entwicklung dss shenligsn Hof- neistsrs gibt dis Kastrstionsszsns (7,3). Liuffsrs Selbstsntnsnnung lsgt seine ganze Widsrsprfichlichksit deutlich an den Tag: Zunichst kastrisrt er sich, dann liBt sr Wsnzsslaus kmen und vsrnsg nur noch zu sagen: “Ich wsifl nicht, ob ich recht gstsn'. An Ends dsr Szene nsint er 'itzt ... zun Wsnzsslaus wisdsrgsborsn' zu werden. Disss Be- nsrkung mcht seine Selbstverstfi-lung in Grunde fibsrflfissig, da sein Mentor selber kein Kastrst ist. Liuffsrs Hastrierung veranschsulicht in sehr krssssr Weiss seine Gsspsltenhsit: Dis herrschenden Zustinds 93 in dsr Gessllschaft wirksn sich derart suf den Menschsn sus, daB er nur noch als halber Mensch dsrin bestshsn ksnn. .Absr die Nichtigksit einer solchen Lfisung srhellt spitsr Liuffsrs Liebs zu Lise. Seine Liebs zu den Dorfnidchsn ist zwsr nicht rstionsll srfsfibsr und vsrrit sins Tendenz zun Grotssksn. Sis lsgt absr Liuffsrs Widsrsprfichlich- keit wieder klsr an den Tag und sis bedsutst, daB dsr'Kontrsst trotz dsr Sslbstsntnannung nicht sufgshobsn werden ksnn; er bleibt bestehen. Doch she wir uns nit diesen Tsil dss Dranas weitsr befasssn, gilt ss, dis Gestalt dss Wsnzsslaus nihsr zu untersuchsn. Liuffsrs neus Stellung bsin.Schulneistsr und die neus Erzishung, dis er dort gsnith, nfigsn ihn.anfsngs srnsuts Hoffnung singsflfiBt haben. Sis waren absr such zuglsich dss Los, in dss er sich schicksn nuBte, denn dsr nicht ganz so srgloss Wsnzsslaus hatte ihn sehen zien- lich in dsr Gewslt, da er durch schlsus Fragsn dis Ursschs seiner Flucht srfshrsn hatte. Wohin hitte Liuffsr gehsn kfinned, wsnn er nicht dort gebliebsn wire? Der Lshrsr vsrhsrrlicht Liuffsrs Sslbstsntnannung als sins groBs, rsligifiss Tat (7,3). Er gsbrsucht dabei viele rsligifiss.Ausdrficks, Bilder und Beispiele. An.disssn wird offsnbar, dsB er sine ganz si- gene Auffassung van dsr Religion hat. Liuffsrs Ksstrstion gsschah, wis Liuffsr etwas spitsr in dsr Szene sagt, sus 'Reus' und 'Vsrzwsif— lung”. Uhs interessiert in Manent sein srstes Motiv. Seine "neus” deutet darauf hin, daB er seine Tat als Sfihns ffir den vsrnsintlichsn Tod Gustchsns bsgriffsn hat. Kurz nschdsn Wsnzsslaus zu ihn.gskonnen ist, srklirt er such: “Bsi alle den ... gsrsut es nich". Der'Schul- Aneistsr‘will ihn absr seine Beus susrsdsn: Er werde sine so edls Tat doch nicht nit tfirichtsr Bsus verdunksln und nit sfindlichsn Trinsn 94 bssudsln? Was sr lobsnswsrt findet, ist, dsB Liuffsr jetzt "dsr Nich- tigksit sntbundsn" ist, und etwas spitsr jauchzt er: ”In snore, in snore onnis insunt vitis". Seine Ansichtsn fiber dss Geschlechtlichs sind verschrobsn und sindeutig negativ. Jetzt konnsn wir suf Liuffsrs sohsinbsrs Entwicklung zurfick, dis ihren Grund in EinfluB dss Wsnzsslaus hat. Liuffsr hatte in 17,3 gs- nsint, nehr als sins solche 7sr1etzung an Arn zu verdiensn. Daraus geht klar hervor, dsB sr Rsue enpfsnd, oder nach Lenzens Definition dss Bsgriffss BuBs 168 ausgedrfickt: hier nsldetsn sich die ersten Anzsichsn einer Sinnssvsrindsrung in ihn. Jetzt wire as an Ssslsorger Wsnzsslaus gswsssn, solche Regungsn in ssinsn Schfilsr weitsrzuent- wicksln. Absr davon weiB dsr krsnkhafte Gsistlichs nichts. Was sich dam in Liuffsr sufstaut, ffihrt - wie sr selber sagt - zur '7srzwsif- lung" und sodann zur Sslbstsntnannung, und dss dank dsr nangslhaftsn Ffihrung seines Lehrsrs und Ssslsorgsrs. Seine Kastrisrung mcht hin- linglich deutlich, dsB diess wfinschsnswsrts Entwicklung nicht statt- gefundsn hat. Wenn such Wsnzsslaus nur Lob ffir Liuffsrs Tat hat - und hier zeigt sich seine Gsspsltenhsit -, so ist sr selber nicht willsns, so etwas oder etwas entfernt Ihnlichss zu nachsn. Denn, wie schon in Handlungssbschnitt fiber den Faun ausgsffihrt wurds, 169 vsrspricht er sich ssinsn Lohn erst in anssits, dss ffir ihn sntschiedsn semsll ge- firbt ist. Dss sstzt natfirlich voraus, daB sr dort als "hsilsr" Mensch anlangt. In 7,10 gsrit Wsnzsslaus in We Aufrsgung nicht nur, weil dsr Kastrst Liuffsr sich Lies zu nihsrn vsrsucht, sondern such, weil jener ihr einen Heiratssntrsg nscht. Der tisfsrs Grund da- ffir ist trotz seiner selbst sufgslsgtsn zfilibatirsn stsnswsiss sein 95 vsrlstztss Minnlichksitsgsffihl. Wis vsrhilt sich dies absr nit ssinsn frfihsrsn Lob dsr Sslbstsntnannung Liuffsrs? Das Geschlechtlichs ist dss sinzige groBs stsnsproblen, nit den sr nicht fsrtig wird. Sonst pth alles in dss Konzspt, dss er sich von Leben genacht hat. Nach- dsn Liuffsr sich kastrisrt hatte, beteusrts dsr Schulnsistsr, er hitte sich einst gsrns zu einer Sskts bskannt, dis ihre 'Schlscksn und Tor- heitsn" hatte. Er hat den Schritt absr nicht gstan aus Angst, "neine Nachbsrn und nsins srnsn Lil-er in der Schuls danit zu irgsrn", d.h. Wsnzsslaus nachts sich ihnlichs Gedsnksn wis Liuffsr. Daraus wsr je- doch nichts gswordsn. Er wollte nicht unangenshn suffallsn, weil sr bsffirchtsts, sr kfinnts dadurch seine Stellung aufs Spiel setzsn. Stattdosssn hat sr ”nfichtsrn und niBig gelebt und brav Tobsck gs- rsucht'. Mit anderen Worten: Er hat sich abgstfitst. Dss Bild, dss nan von Wsnzsslaus gewinnt, zeigt einen Menschsn, dsr kranpfhaft vsr- sucht, sin vsgststivss Dasein zu ffihrsn. In seiner 7erhsrrlichung von Liuffsrs Ksstrisrung gab Wsnzsslaus seine in Grunds passive Hsltung und sbsurds Anpsssungsfihigksit kund. Wsnzsslaus nscht sich schuldig zun einen durch ssinsn negativsn Ein- fluB suf ssinsn Schfiler und Kollaborstor, zun anderen, weil seine Einstsllung Ausbsutsrisches vsrrit: da dis Liebs Liuffsr nichts nehr snhsbsn ksnn, wird Liuffsr wohl suf langs Zeit bei Wsnzsslaus bleiben. DsB Wsnzsslaus absr sls Lshrsr und Ssslsorger vsrssgt und so eigen- sfichtig dsnkt, ist suf dis Unvsreinbsrksit dsr Stinds zurfickzuffihrsn: seine Persfinlichksit und stenswsiss ist auf seine wirtschsftliche Zwangslags als Lshrsr zurfickzuifihrsn. Insofsrn ist er sbenfalls ent- schuldbsr. An SchluB dss: Dranas wird Liuffsr Lise vsrnutlich heiratsn. Man 96 weiB, daB dis Wfinschs dss sich an Ends leidsnschaftlich gsbirdsndsn Menschsn inner ungsstillt bleiben nfisssn. Es wird den Lsssr absr nicht sntgangen sein, dsB Liuffsr seine Stellung als Lisss Lshrsr aus- nutzt, inden er sich ihr nihert, und dsB er wegen seines kfirpsrlichsn Zustandes seiner zukfinftigen Frau sehr viel zunutst. Insowsit ksnn nan davon sprschsn, dsB er dadurch sine groBe Schuld suf sich lidt. Andersrseits glaubt sich Liuffsr von Lise verstanden, was ihn snt- schuldigt. An dieser Stelle sollen such Lisss Ehsnotivs betrachtet werden. Sis ist gleichzsitig sin nsives und bauernschlsuss Midchsn und daran ist ihre Gsspsltenhsit srksnnbsr. Trotz ihres kindischen und nirrischsn Gsrsdss schwsbt ihr sin sinzigsr Gsdanks vor: fiber ihren Stand zu heiratsn. Zsigt sis sich anfsngs unwillig gegsnfiber Liuffsrs Annihsrungsversuchsn, so indsrt sis ihr ganzss 7erhaltsn in den Augenblick, in den sis nsrkt, daB Liuffsr sis heirsten will. Sis will selbst keins Kinder, weil sis tiglich dis Eaten und Hfihnsr ihres 7stsrs ffittsrn m8. 7srsucht nan ihr 7srhsltsn zu srgrfindsn, so kmnt Inn nicht un dis Tstssche herun, dab ss ihr Vatsr ist, der sis so be- sinfluBt: ihr Plan, standssdflig zu svancisren, eta-t von ihn. So bleibt such Lise wie dis anderen Figuren schuldig und dsnnoch unschul- dis. Ein Vorfsll, dsr dss Schuldig-Unschuldige bsin Geheinrat auf- zeigt, ist die Entdsckungsszsne (17,3). Nachdsn Liuffsr bei Wsnzss- laus fibsrrsscht werden ist, bskolnst er einen Bsutsl Geld und einen 'hnkozsttel' vm Gshsinrst geschenkt. Wslchs Bswsggrfinds haben diesen dazu vsrsnlaBt? Zun einen sind dsr Major und seine Bsglsiter unter 7erlstzung dss Gesstzss in dis Wohnung dss Dorflshrsrs sings- dmgsn. Zun anderen hat dsr Major Liuffsr an Arn vsrwundst. Dss 97 darsus sntstshsnds Bild pth schlecht zunwAnts eines Gshsinrsts. Der Gshsinrst vsrhilt sich fibrigsns gsgenfibsr den wfitsndsn Wsnzsslaus aus- nahnewsiss bescheidsn und such schnsichlerisch. Auch wahrscheinlich als Motiv ist, daB er Liuffsr bestschsn will, sntwsder von Gustchsn sbzulassenI-.denn sr wuBts js vorhsr nicht, daB beide nicht nehr zu- ssnnen sind -, oder ksine 7srbindung nehr nit den Midchsn aufzunehnsn, falls sis schon gstrennt sind, und nichts fiber den Skandal zu vsrlaut- bsrsn. Zu dsr Entschuldigung dss Gshsinrats ksnn angsffihrt werden, daB sr dsr Fanilis seines Brudsrs weitsrs ssslische Erschfittsrungsn srspsrsn will. Und schlieBlich hat or wohl such Liuffsr dss Leben gs- rsttst. Kann nan den Gshsinrst in seiner Gsspsltenhsit einen Vorwurf darsus nachen, daB ss ihn nicht gslingt, sich fiber dis Schranksn seines gssellschaftlichsn Standss, d.h. sigsntlich, seines stsns, hinwegzusetzsn? “Eine weitsrs Gruppisrung dss Spannungsdranas', die "sntfillt”, ist ”die in Haupt- und NsbsnpsrsonenF, 17° d.h. "sins klsrs Ksnnzei- chnung von.Baupt- und Hebenpsrsonsn' ssi oft 'unnfiglich'. 171 In ihrer Untsrsuchung von Lenzens Theorie stellt Britta Titsl fest: Inden Lenz in dsr Konfidie dsr 'Sschs' den 7orrang vor den 'Personen' zuspricht, ksnn nicht nehr dis sine beherrschends Hauptpsrson dis Einheit dss Dranas gsrsntiersn.... Dis Rick- sicht suf dis 'Sachs' schlith es aus, dsB ... dis 'ganzs Psrson' sich darstellt, schlieBt es fibsrhsupt sus, daB s i n s Person alles Interesse suf sich zisht: ss gibt keins 'Hauptpsrson', die 'in dsr ganzsn Grupps ihrer Mithindlsr hervorsticht'; inden dsr Kanfidisndichtsr sn dsr Handlung 'Psrsonen' tsilnshnen 1iBt, 'welchs (er) will', vsrlisrt dis Ubsrb und Untsrordnung dsr Pollen an.prinzipis11en Gewicht, treten dis Psrsonsn n s b s n sinandsr. 72 Der Zuschauer, dsr sich dessen nicht bswuBt ist, hier episches Theater zu sehen, ffihlt instinktiv, daB Liuffsr zun Bsispisl ksine Hauptfigur in Sinne dss klassischen Theaters vsrkfirpsrt, dsB Wsnzsslaus trotz 98 seiner rslstiv klsinsn Rolls nicht recht in den klassischsn Bsgriff Nsbsnfigur pth. Und ihnlich vsrhilt ss sich nit anderen drsnatischsn Psrsonen wis Lise oder Behasr. Auch suf Pastor Liuffsr, dsr nur in einer sinzigen Szene erscheint, oder auf Frau Blitzsr findet die spannungsdranatische Schsidung zwischsn Haupt- und Nsbenfigursn keins glficklichs Anwsndung. Anstslls dsr hsrkfinnlichsn Gruppiarungsn dss Spannungsdranas sstzt nach Crunbach dss epische Drans sine andere Ordnung dsr Figuren: Dis Figursnzshl richts sich nach dsn.fundsnsntslstsn Strukturelsnent, d.h. nach den Erfordsrnisssn dss zu srksnnsndsn.Kontrastss. Aller- dings ssi dis allgeneins Tsndsnz zu einen groBsn.Aufgsbot an Figuren unvsrksnnbar. Und nan verstshe dies aus dsr objsktivsn Haltung dss Dranatiksrs, dsr kanvsntionsller MaBstibe sntratsn nfisse, wells er in den Urgrund dss 7srbingnissss vorstoBsn. 173 In Hofneistsr gibt es nicht weniger als 23 Figuren. Zunichst gilt ss hauptsichlich sinigs ”Nsbsnfigursn” unter die Lupe zu nshnen. Der Sohn dss Majors, Leupold, ist dunn und will nicht lernen. Man srfihrt, was dsr vorigs Hofneistsr, dsr es verstanden hat, sich in dsr Fanilis sinzunisten, fiber Leopolds ansnntnisss gsssgt hat: ”Er ssi perfskt in Lateinischen, psrfekt'. Daraus geht deutlich her- vor, was ffir sins Erzishung dsr Sohn srhalten hat. Auch droht ihn dsr 7atsr Gewalt an: Ich will dich psitschsn, daB dir die Eingewsids krachen sollen. Tuckniussr: ... Tsussnd Sackernent den Kepf aus den Schultsrn: oder ich zsrbrsch dir dein Bficksnbsin in tsussnd- nillionsn Stficksn. Er sieht, daB dis E1tern.Liuffer wie einen Dienstbotsn bshsndsln.. Und so wie dsr 7atsr ihn.na8rsgslt, ohrfsigt er seinerssits ssinsn Lshrsr, 99 wobsi sr wsiB, daB Liuffsr nichts dsr-fiber sagsn dsrf. So offenbart sich bei ihn schon frfih sine Neigung zur Ausbeutung. Glsichzaitig ist er als snt-schuldbsr anzusshen, ds er disses 7srhaltsn von den Eltsrn gslsrnt hat. Ganz absichtlich wurds dieser Tsil dsr Untsrsuchung nit den Fanilisnsohn begonnen. Dieser ist in wahrsten Sinne sins Band- figur. In gsnzen Drans spricht ar kein einzigss Wort, er erscheint nur zweisnl auf dsr Mhns (1,3 und 4) and wird sonst nur srwihnt (11,5). In 1,3 wird as viel eher dsr Zuschauer als dsr Laser nerksn, daB sr fibsrhsupt ds ist. Er ist also sins Figur, die nicht 'wirklich susgslsuchtst" 1" wird. Doch, obwohl seine Rolls zu winzig ist, sls daB sich seine Gsspsltenhsit zsigsn kfinnta, wird er sufgrund dss- sich in ihn kainhaft entwickelndsn susbsutsrischen Zugss ganz in den Dienst dss Kontrsstss gestellt. ninlichss lint sich such von dsr klsinsn Rolls dsr Jungfsr Hanster sagsn: nur ihre susbsutsrischs Ssits wird gszeigt. In 17,6 srklirt Fritz ssinsn Freund Pitus: Dis Hanstsrn war sine iokstts, die aus dir mchts, was sis wollte; sis hat dich un deinen letzten Bock, un deinen gutsn Hanan und un den gutsn Manon dsinsr Freunde dazu gs- brscht. 210i waiters 'Mebsnfiguren', die uns hier interessiersn, sind Behasr und seine Tochter. Dar Musiklshrsr ist ssinsn ganzsn Wsssn nach von Untsnfirfigkeit gsksnnzeichnst. Zwsr liBt er sich nicht alles von den standssgadfl has» gsstslltsn Studsntsn gefsllsn: als sr hsrsusfindst, daB Pitus seine Tochter in dsr Macht besucht hat, liBt er sis sus einen durch dis Gesallschsft bedingten Grund - ninlich un ihren Euf zu schonen -, nach Kfinigsbsrg zu ihrer Tants bringen. Doch ist sr schrech and ksnn sich nicht vertsidigen, won as hart auf hart geht, wie dis Szene in Fritz' Zi-sr in Leipzig (17,6) denonstriert: 100 Pitus ohrfsigt ihn und sr ksnn nur js-srn und wsinsn, she er sbgsht. Kurz davor hatte sr dsn tisfsn Stand seines Efinstlsrbsrufss durch dis folgsnds Santenz goradezu gsrechtfsrtigt: 'Ein Musikus n18 keins Courage haben und sin Musikus dsr Bsrz hat, ist sin Hundsfut'. Seine ' Gsspsltenhsit offenbart sich in dsr Zwsikanpfszsns (7,2): sr steht da nit gszoganen Dsgsn, vsrlsngt, dsB Pitus seine Waffs nicht sufhsbsn dfirfs und vsrsstzt den Unbswehrtsn daraufhin einen Stofl. Er ffihlt sich absr nicht in hohsn MsB schuldbeladen und ist as such nicht, denn in Grunde verstsht sr den Sinn dss gewfihnlich den Adligen vorbshalts- nsn Dusllisrens nicht. Es geht ihn nur darun, von Pitus 'Satisfak- tion" zu srlangsn. Hiarbsi faBt sr diesen Ausdruck nicht als Tsrninus tschnicus auf, sondern einfach in dsr Bsdeutung von Gsnugtuung. Der Lshrsr sieht wohl nicht sin, wsrun Pitus sich such noch vertsidigsn soll, nschdsn er zunindsst vsrsucht hatte, sich an seiner Tochter zu vergreifen und in nach dazu ins Gssicht gsschlsgan hatte. Bshaar bs- ruft sich dabei wisdsrholt auf seine Davies: 'Ein Musikus nub keins Courage haben". Danach but as indssssn zu einer Aussfihnung zwischsn Pitus und lshaar. Und nschdsn dsr Student den Lautsnisten fiber seine 7srnfigens- vsrhiltnisss (er bskmt sins Erbschaft von 15 000 Guldsn) unterrichtst und gsfrsgt hat, 'Wollen Sis nir Ihrs Tochter bswilligsn?‘ srklirt dsr lstztsrs: Ei was: Ich hab nichts dswidsr, wenn Ihr ordentlich und ehrlich un sis anhaltst und in Stand seid, sis zu vsrsorgsn - Ha ha ha, hab ich's doch nein Tag gesagt: nit den Studsntsn ist gut susko-en. Obwohl Pitus Bshaars Erklirung als Zusage verstsht, bsantwortst dsr limiklshrsr seine Frags nicht, sr gibt sich zwsr varbindlich, absr er 101 srklirt lediglich, dsB er gegen die Hairst nichts sinzuwsndsn hsbe usd stellt dann Bsdingungsn. Seine letzte Bsnsrkung ("nit den Studen- tsn ist gut suskonen") ist wohl dss sinzig Nichtzwsideutige, was or sagt. Der inner wieder vos dsr "Honnststit" sprechsnds Musiklshrsr nsint as also nicht ganz shrlich nit Pitus. In 7,4 wird ss klar, daB as Bshssr nur darun geht, seiner Tochter zur bestnfiglichss Ehspsrtis zu vsrhelfsn. Hisr fibergibt er Fritz einen Brief von von Seiffenblase usd erklirt bsgsistsrt, daB lstz- tsrer jetzt in Kfinigsbsrg gsgssfibsr dsr Wohnung seiner Tochter logisrs. Von Seiffenblase hat sisbsn Monats lsng Lsutsnuntsrricht bei ihn genomes, usd so findet er, daB dsr Adligs alles un ssisstwillsn tue, wie ihn seine Tochter schreibt. Disss Banerkusg in Fritz' Gegenwsrt hfirt sich eher nach einer Ausrede as. Mas hat dss Gsffihl, daB Bshaar trotz seines verpflichtesd wirkssden 7srhsltens gsgsnfibsr Pitus einer sventusllsn 7srbindung seiner Tochter nit von Seiffenblase nicht ganz abgeneigt ist. Waiters Kufisrusgss Rshasrs lsssen sich hier sbenfalls als lesgs anffihrsn. Hatts er frfiher in dsr Szene bensrkt, dsB von Seiffenblase bei ihn dss Lsutssspislsn gslsrnt habe, so batont er das noch sinnsl. find as ist sufgrund von Behasrs Lob anzusshnsn, daB dsr Adligs den Untsrricht unverzfiglich bszahlt hatte, was bei Pitus nicht dsr Fall war (Siehe 17,6). 70s Seiffenblase hat also Pitus einigss voraus, was Bshaar nicht sntgangen ist: sr ist Adligsr usd seine finanzisllsn 7erhi1tnisse sind gssichert. Wsnigsr Eisdsu- tigss liBt sich fiber Jungfsr Bshssr fsststsllsn. Man weiB nicht, was sis in Leipzig fir Pitus snpfsnd. Ihren Brief ist absr zu sstsstnen, daB sis den Adligen gsgenfibsr nicht glaichgfiltig ist: “Sis schreibt 111' ..., dab sis nicht gssug rfihnsn kann, wss er ihr ffir Hfiflichksit 102 erzsigt, alles un nsisetwillss". In den 7atsr findet sich absr dis- sslbs Gsspsltenhsit, dis ffir die nsistsn anderen Figures in Drans ksnnzsichnsnd ist, und die suf den den 7orgssg zugrundsliegssdsn Grundkontrsst zurfickgeffihrt wird. 1n Hofnsistsr gibt es sine waiters Figur, dis wie Fritz keins Gsspsltenhsit in sich trigt, dis alts Frau Martha. Mit wenigsn Strichsn gelisgt es Lenz, sis als Gestalt zu zsichsss. Sis erscheint is nur zwsi stnsn (17,2 usd 7,1) und wird in dsr SchluBszsne dss Drans erwihnt. Esun einen anderen in Stfick wird vos ihren Mit- nenschsn so fibsl nitgsspislt wis ihr: van ihren eigenen Sohn vsrste- Ben, lsbt sis vfillig vsrarnt usd blind als Bsttlsrin in Welds. Sis ist as, dis den vsrffihrtes Gustchsn Obdsch gewihrt usd liebsvoll ffir dss Bdchss und dessen Siugling sorgt. Ihrs Religion besteht sus echtsn Gsffihl, tisfsn Erlebnis usd will in dis Tat ungssstzt warden. An Ends srfihrt dsr Zuschauer, daB sis ihren Sohns vsrzsiht. 1hr Gsist ist trotz ihres Alters klsr usd schsrf; sis bssutzt sins schlagfsrtige Argunsntatiosswsise in ihren 7srsuch, Gustchsn vos ihren leichtfertigsn EntschluB abzubringsn, ninlich von Wochsnbatt aufzu- stshss, un ihres 7atsr zu suchsn. Sis ist lebanstfichtig. Nachdsn sis Gustchsn ffir tort hilt, mcht sis sich sofort nit den Kinds auf den Wag, un Alnossn zu battsln. Ihr Wag ffihrt sis zu Liuffsr, dsr bein Anblick seines Kindss in Gmsncht fillt, wihrsnd sis unbewsgt dssteht und denn rfistig weitsrzieht. Martha nutzt ksinsn Menschsn sus, absr sis lsbt in einer Bsttlsrhfitte in Welds. Eine solche unverdorbsne Sesle lint sich also, wis Lenz ss deutlich zeigt, nur vfillig auBsrhslb dsr nsnschlichsn Gessllschsft finden. , Mosh wurds dsr 7srsuch nicht genscht, Liuffsrs Stellung 1| Drans 103 zu srnittsls. De wir den Hofnsistsr als episches Drans in Sinne Crun- bachs erfssssn usd dsswsgen dis Fritz-Nsbsnhsndlung nicht als fiber- flfissigss Bsiwsrk betrschtsn, lsuchtst es us so eher sin, daB Liuffsr keins aindsutigs Hauptfigur abgibt. AuBsrdsn besitzt dss Stfick neben dsr Liuffsr-Handlung noch einen zwsitsn Ausgang. Wis dis fibrigsn sus- gslsuchtstss Figuren trigt such er dis Gsspsltenhsit dsr Welt in sich und ist sbenfalls trotz seiner Schuld sst-schuldbsr. Wohl steht sr nehr als dis andsrss in 7ordsrgrund, doch wird dis Handlung vos ihn ksun gstragsn. Msist verhilt er sich passiv, dens er ksnn den gssell- schaftlichan ngsbsshsitsn in dsr Walt genau so wenig wie dis andsrss drantischsn Figuren entrisnes. Doch vsrssschsulicht sein Laban viel besser als dss dsr andsrss dss Grundkontrsst: Eisgasgs werden seine beruflichen Aussichtsn sowie dis dissbszfiglichsn Wfinschs seines 7atsrs dsrgslsgt. Als Hofnsistsr steht er en sxponisrtsr Stelle, die as sr- laubt, dis Gegsnsitzs zwischsn den beiden Stindsn unnittslber aufzu- dscksn, wobsi dsr intine Bsrsich nicht ausgsschlossss ist. find such nachhsr bei Wsnzsslaus und in Falls Lisss wird dsr iontrast stisdig vor Augan gsffihrt. iurz bevor Wsnzsslaus Liuffsr in 7,9 vsrliBt, nshnt er ihn: Du hast auf dsr Welt nichts, dss dich nehr zurfickhaltss kannts. Die Welt hat nichts nehr ffir dich, wonit sis dsins Untrsu dir sinnsl belohnss kfinnts: nicht sinnsl sins sinn- lichs Frauds, geschwsigs dens Ruhs dsr Ssslss. Liuffsr ist in Sinne dss Spannungsdre-s keins Hauptfigur. Was Crun- bach fiber einen anderen drantischsn Charaktsr schreibt, gilt such ffir Liuffsr: "Sein Leben bistst ... den Modsllfall ffir den Schauprosz, dsr gegen dss 7srsagsn dsr Gssellschaft geffihrt wird". 1‘75 Nun, glau- ben wir, wird such dsr Sins dss Ustsrtitsls dss Drans klar. Dieser 104 lautet: 7ortsils dsr Privaterzishung. Wis schon an Anfang dss ersten Kapitsls in dieser Arbsit dsrgelegt wurds, wird er vos verschisdsnen Forschern sbweichand von Originalwortlsut als 'Privaterzishung durch Hofnsistar' sufgsfaBt. Dieser Dsutung wird such hier beigepflichtst, jedoch in den Sinne, daB Liuffsr die gesellschaftlichs Einrichtung dss Hofnsistsrantss ffir seine eigenen Zwecka ausnutzt. Denit ist absr die volle Bsdeutung dss Untertitels noch nicht srschfipft. Auch dsr adligs Arbsitsgeber, Major Berg, hat '7ortsi1s' vos dsr "Privatsrzishung". Hat er sisal einen Hofnsistsr wie Liuffsr, so ksnn sr diesen nach Bs- lisbsn ausnutzsn. Auch findet dsr Untsrtitsl suf Wsnzsslaus Aswan- dung, da dieser Liuffsr susnahnswsiss sins 'Privstsrzishung" srtsilt. In alles disses Fillsn werden entsprschssd den Grundkontrsst dis _"70r- tails dsr Privstsrziehusg', d.h. nach Crunbach ”dss 7srsagsn dsr Ge- ssllschaft' vorgsffihrt. In dsr 'vislfigurigsn Walt” dss epischen Drsnas 'untsrblsibt .. . jade Schsidung ..., wail Praejudiz, 7orsntschsidung also, dis Struktur in Wesen schidigts". 1'76 Disss Forderung wird, wie wir gszeigt haben, in Hofnsistsr srffillt: dis drantischss Gsstaltss srschsisen nicht als Spislsr usd ngsnspislsr, Schuldigs usd Unschuldigs, Heupt- usd Nsbsnfigursn. 7islnshr, schreibt Crunbach, statts dsr epische Drans- tiksr jsds Figur nit gleichsr Liebs, gleichsr Gsduld und gleichsr Akribis sus. Jada srhslte so vial an dstaillisrtsr Bssondsrhsit, ds8 nan dis Tragwsits ihrer Aussage nschzuprfifss vsrnfigs. 1'77 Eine solche 7srfahrenswsiss m: sich sbenfalls in Lenzens Dra- fsststallsn. Der lhjor scheint nicht schnarotzsrhs‘ft, sondern eher etwas cholsrisch usd dsnnoch gutdtig zu sein. Bsi dsr wichtigen Bssprechung vos Liuffsrs Gshalt schnunzslt In, weil dsr Major dss Bechnens nicht sehr dchtig 105 ist. Liuffsr srhilt trotzdsn weniger Geld. Dis Majorin wirkt snt- wsffnsnd wegen ihrer Lichsrlichksit. Dsr Gshsinrat erscheint als dss synpethische 7orbi1d dsr Grundvsrnusft selbst. Wsnzsslaus ksnn nan ‘ sinfsch zu den lisbsnswfirdigsn Sondsrlingsn zihlen usd Lise snpfishlt sich als sins naive anziehsnds Gestalt. Es ganfigt wohl zu sagsn, dsB alle Figuren sich in disses Schen einordnan. Liuffsr allein wird als Figur etwas schwsrz gszsichnst. Daren erksnst nan, daB er so dis ngsnfabsl anregt. Crunbach schreibt, as lsuchts sis, daB disses struktu- rslls Elenent nicht wenig zu den iuflarsn Eindruck spischer Breits bei- gstrsgan habe. Es kfinns isdssssn unsrlifllich sein, einen neu suftrs- tsndan Zsugsn oder plfitzlich zutsgs tretsnds Zfigs einer bsrsits bs- kanntsn Figur bis in den Grund suszudsuten. Wis fslsch ss ssi, denn vos Episodes zu sprachen, srhslls aus dsr Ubsrlsgung, dab just dieser Zsugs oder dieser neus Zug uns zur leidenschaftlich gssuchtsn Erkennt- nis zu bringsn vsrnfigs. Dis scheisbers Episode sei also is Wirklich- ksit konssqusste Fortffihrung dss Prozsssss. 178 (has hatten wir uns singshsnd nit Bshasr beschiftigt. Wendes wir uns iln noch sinnsl in Zusa-snhasg nit Crunbachs Behauptungsn zu. Zweifslsohns ksnn sich den Zuschauer oder Laser nit diesen 'ssu auftretsndss Zeugss' dsr Ein- druck vos "spischer Breits“, ja such Episodsshaftigksit sufdringss. Dab dss jedoch nicht zutrifft, necht sich an Bahaars Gsspsltenhsit bs- nsrkbsr wie. such daran, m dsr ganze Bshaarunsschnitt i-sr direktsn Bszug auf den Grundkontrsst in Hofnsister ni-t. Micht andere varhilt as sich nit Frau Blitzer, Jungfsr Hanstsr, ganz zu schrsigss vos dsr fibrigen Fritz-Msbenhandlung, Pastor Liuffsr, Wsnzss- laus, Lise usw. Bsi den beiden lstztsrss Figuren entdsckss wir such 'plfitzlich zutsgs trstsnde Zfigs" Liuffsrs. Ihslichs Zfigs sind such 106 bei Wsnzsslaus in 7,9 zu finden, dsr nit Liuffsr sin Streitgssprich fiber dis Religion ffihrt. Jade "scheinbsrs Episode" in Drans steht also in Diensts dss Grundkontrsstss. Wir haben zu zsigsn vsrsucht, dab dis 0rdsusg dsr Figures, dis use von der Spannungsdrantik her vsrtraut ist, in dsr episches Drans- tik nicht herrscht. In dieser Abwsichusg offenbaren sich zwsi andsrs- srtigs Bstrachtungsweisen: die das Spssnungsdrans kssnzsichssnde "snthropozsntrischs' und die dss epische Drans kssnzsichnends ”kos- nischs'. Asthropozsntrischs Sicht kfinne Entwicklung usd Reifung nur als in einen bsstizntsn Menschsn rsslisisrbsr srksnnsn. "9 Dieser ist “dsr drsnstischs Held.... In dsr Tragfidis wie is dsr Konfidis .bfiBt sr ssinsn Fatal". 180 find 'in Lfisungsdrsn gslingt ihn selbst dis Reifung zu einer hfihsrsn Existsnz". 181 Anders in epischen Drans. Kosnischs Anschsuung srblicks den Menschsn such hsuts noch in dsr Ur- gssts, in Urerlsbnis, usd vernfigs weder Entwicklung noch Rsifs fsst- zustsllss; dsr 'Fshlsr' liegt "in Grunds dsr Existssz selbst, d.h. alle Figuren tragen dss Stigna potsstieller Schuld usd sbsssolchsr Unschuld. - F 182 Nicht asdsrs vsrhilt es sich in Hofnsistsr, wie wir gesehen haben. ”Die Perfektion" wird also "als sthischsr Wart abge- lshnt'. 183 Wis wenig dis ”Perfsktim' als ethischs Katsgorie in Lenzens Dran bsgsgnst, lsuchtst den Zuschauer oder Laser sin. Wait entfernt davon, fruchtbsr auf den anderen sinzuwirksn, lsgt j sdsr Stand nur dis schlschten Eigsnschsften dss anderen an den Tag. Doch gerade weil die Parfektios fehlt, srhebe sich nach Crubsch jsnssits alles Streites un Sins usd Unsinn dis angstvolls Frags nach den Ursiss dsr Walt usd danach, was dsr Mensch sus ihr gsnacht hsbs. Und wens dis Msnschheit as nicht venocht habe, sich in 7srlsuf vos tones zu 107 'besssrnfi,‘wis kfinns dss Drans, das nicht den einzelnen Menschsn, sondern ihr Zusannesleben zun Vorgsng habe, sine solche "Bssserung' in 7srlsufs einer Bfihnsnhsndlung bewirkes? 18“ Lenz sorgt such daffir, dab dis Zukunft in seiner postisch dargestslltsn Welt nicht ssdsrs sussehen wird, usd zwsr dadurch, dsB so viele Jugsndlichs suftrstsn. Zihlt nen Liuffsr zu disses, so srgibt sich sine Zshl van 11 Jugsnd- lichsn unter 23 dranetischsn Gsstaltsn. Dis Jugssdlichss sind js dsr Nachwuchs, dsr eines ngss die jetzt vsrsntwortlichs Generation sb- lfissn wird. Sis stellss absr keins ngssspislsr dsr, da sis alle bis suf Fritz dieselbe Gsspsltenhsit sufweissn wie dis andsrss. Gsrsde dsswsgen wird es in Zukusft such keins 'Bssssrusg' geben. .Angssichts Lenzens dfistsrsr Prognoss fragt ss sich, was dsr Mensch fibsrhaupt srhoffsn ksnn. As dieser Stalls in Prosz schaltst sich der’Zuschsusr‘wisder sktiv sin. Bsi dsr Erfirterung dsr Fabel fasd Crunbach als sin Elensnt dis Tendsnz zur Anragung dsr ngsnfabsl in Zu- schauer. Genau dies sell in use such dis Figursnzsichnung voll- bringen. Isden wir suf diess in unhsilvoller Doppslthsit gs- spaltssen Figures schauss, soll Sohnsucht nach hailender Ganz- heit zu'wirkssder*xraft snwschsss. 1 5 Denn da nan alle Figuren als potsstisll ebenso schuldig*wis unschuldig sshe, erksnne nan sich selbst-in ihnen. Und so wie alles liebsvoll gssehene Detail jsdsr Figur dis klsinsn Dinge dss eigenen Alltsgs spisgsle, solle seine Transpsrsnz ffir dss dahintsr ragsnds All usd 3'18 eines 801b8t einsichtig nachos ffir Fragss hfichstsr Instsnz. 186 5: KAPITEL SPRACHE UND DEMQJSTRATIW Crunbach widest dsr Sprache usd dsr Denonstration in episches Drans js sis Kapitsl. An Anfang dss Kapitsls fiber die Sprache schreibt sr, es ssi evident, daB in einer Dransnforn, dis dss Gestus dss Zsigens amends, die Sprache, nithin such dsr Dialog, sins andere Fusktion haben dsse, als in dsr Spannungsdranstik. 187 Dan geht er suf dis Sprache sin. Wis es sich in dieser Arbsit zsigsn wird, ist es in Falls dss Hofnsistsrs nfiBig, diess beiden epischen Elensnts zu trsnnes: Lenz hat dsnonstrstive Mittel derart stark vsrwsndst, dab dis Denonstration zun Hauptslsnsnt wird und der Sprache selbst nur untergsordnete Bsdeutung zukmt. Dsswegsn sollen in dieser Arbsit Sprache usd Denonstration zusa-ss behandelt werden. Wir wollen use zunith nit den Monolog bsfasssn, usd zwsr aus zwsi Grfindsn. Erstsns rechnet ihn Crunbach zur “Sprache" usd bshsn- dslt erst danach den Dialog. Zwsitsns ke-t er in Hoinsistsr ksun vor. Disses nahszu giszlichs Fshlss dss Monologs halten wir ffir bs- dsutsa: dsr Mensch wird fast nur is ssinsn Bszishungsn zur Gsssll- schaft gszeigt. (bwohl er absr ksun js allein ist, ist er - wie sich zsigsn wird «- sufgrund dsr herrschenden Zustisds in dsr Gsssllschaft vsrsinsant. Des ganze Dran weist nur zwsi Monologs suf: 1,1 (Liuffsr an 108 Anfa: Gust abex 501‘. (1‘: mi "v in 109 Anfang) usd 17,1 (Gustchsn an Tsich). Britta Titel nsnnt auBsrdem 188 Gustchsns Julia-Reds (11,5) einen ”Julia-Monolog", sis hilt ihn 189 In dieser Arbsit absr such ”in gewisser Weiss” ffir dialoggebunden. soll er untsn in Zusammenhang mit dem Dialog behandelt werden. Wir stinnen nit Titel fiberein, daB Gustchsns Monolog an Tsich (17,1) ”bloB theatralisch” ist und nur den Zweck hat, ”den Zuschauer suf dsn folgsnden Schritt", ninlich auf Gustchsns Sturz in den Tsich "vorzubsrsitsn" und "ihn von der inneren 7srfassung dsr Verzweifslnden in unmittelbarer Reds zu untsrriChtsn' und zwsr ”auf sine Weiss ..., die die Wahrheit dss szsnischen Augenblicks zsrstfirt". 190 A18 Stili- sierung eines sprachlosen ”Pathos" zur pathstischsn Reds ssi dieser Monolog sin Relikt dss konvsntionsllsn Dramas. 191 So verbleibt in diesen Tsil dsr Arbsit sin einzigsr Untsrsuchungs- gegenstsnd: Liuffsrs Monolog, nit den dss Drama einsstzt. Aus dem In- halt allein geht noch nichts Eindsutiges fiber Liuffsr hervor, Wird sinsrseits nitgsteilt, daB dsr Pastor ssinsn Sohn zun Privatdozsntsn untauglich findet, so srfihrt man andsrsrseits Liuffsrs Meinung, nin- lich daB dsr Gsiz dss 7atsrs dsr sigsntlichs Grund daffir ssi, daB Liuffsr nicht Privstdozsnt werden dsrf. Ihnlich verhilt es sich nit dsr Weigerung dss Geheimrats, Liuffsr als Stadtschullshrsr anzusshnsn. Wir wissen nicht, ob Liuffsrs nangslnds Befihigung oder sinfach dis Bfiswillighsit dss Geheimrats hierbsi susschlsggsbsnd war. Doch macht Liuffsr eher einen negatives als einen positiven Eindruck auf den Zu- schauer. Er ist arrogant (er ist ”zun.Pfaffsn ... zu gut gswachsss”, hat 'zuviel Welt gssshn'). Dis Grfinde, dis sr anffihrt, lassen ihn zudsn lichsrlich srschsinen. Obglsich er auBsrdsn noch zienlich un- wissend wirkt, so ist der Zuschauer trotzdsn noch nicht so weit, sin 110 ganz sbschitzigss Urtsil fiber dss jungsn Mann zu fillss. Jetzt sieht Liuffsr dss Gshsinrat und den Major ksnnen. Jenss scheut sr irgsr als den Teufsl: "Der Karl hat etwas is ssinsn Gssicht, dss mir unsrtrig- lich ist". Und er geht an diesen usd dessen Bruder “nit vial frsund- 1ichen Scharrffisses' vorbei. Der Zuschauer wsiB soch nicht, daa Liuf- fsr als Hofnsistsr bei der Fanilis dss Majors in Bstracht gezogsn wird. Doch sagt ihn Liuffsrs fibsrtrisbene Untsrwfirfigksit, - dsB dieser sin Krischsrtyp ist. Des war die Wirkung, dis Lenz erzislss wollte, und dsswsgen hat sr hier dss dsnonstrstive Mittel dsr Provokstios sings- sstzt: Liuffsr denonstriert seine Untsrwfirfigksit usd wirkt dabei pro- vozisrsnd suf dss Zuschauer. Lenz geht es hier an Anfang dss Dranss soch nicht un sins klsrs Herausstsllung dsr beiden Kontrastpols, ' son- dern un dis Erstellung dsr Gagsnfsbsl. Man nsrkt schon hier, in wel- chsn hohen Grads daa Dsnonstrativs als Elensnt vsrwsndst wird und welche starks Wirkung as snfiglicht. In 1,2 tritt dss Elensnt dsr Denonstration zurfick. Dsswegsn gilt ss hier, zunichst den Dialog nihsr zu bstrschtss. Wis dis Sprache steht nach Crunbach dsr Dialog unter den Gssstz dss Kostrasts: er diess keinsr sonstigsn Funktion. Des Gesprich habs nicht dis Aufgabs, dsr Handlung Impulse zu geben, insofern ssi es scht: es hsbs nicht dis Tsndsnz dsr Steigsrung, insofern halts es sich Uberstsigsrungss fern und ssi wahr. Des kontrastisrssds Drans Issue sich seiner Struktur gsniB davor hfitsn, in Gssprich dss dsr klsssischen Tradition dsr Span- nungsstruktur sntsprschenden, sogssanntsn drantischsn Dialog zu vsr- wsndss. Dieser beneite vor usd drings auf Entschsidungsn. 192 Disss Monsnts dss epischen Dranss lessen sich in Gssprich zwi- schsn den Gshsinret und den Major bsobachtsn. Dar Gshsinrat ist ganz 111 und gar dagegsn, dsB sein Bruder einen Hofnsistsr anstsllt. Er vsr- sucht, ihn zur Einsicht zu bringsn, dab dss Hofnsistsrtun sins wenig nfitzlichs Einrichtung ist. Er iuBsrt sich abfillig fiber Liuffsr (”Artig genug, nur zu artig"), fragt polsnisch ("Absr was soll sr deinen Sohn 1ehren"), geht logisch vor (”Du nuBt doch sine Absicht haben, wssn du einen Hofnsistsr simst"), appslliert gsschickt an den Geiz dss Majors ("drsihundsrt Dukatsn") usd nahnt ihn: ”Dis Zeitsn indern sich, Sittsn Unstisde, alles". Der Geheimrat 1i8t also ksun etwas unvsrsucht, un dss Major vos ssinsn Standpunkt zu fibsrzsugsn. Des sigsntlichs Ergebnis dsr Auseinandsrsstzung drfickt dsr Gshsinrst selbst rssignisrt aus: “Absr ich ssh schon, ich kann nich nit dir in dis Sachen nicht sinlssssn, ich nfiBts zu weit assholes usd wfirde doch nichts ausrichtsn". Dis Entscheidung, einen Hofnsistsr anzu- stsllsn, war ninlich schon an Anfang dss Dialogs von Major gstroffsn. Noch sind den Zuschauer dis Kontrsstpole nicht deutlich vor Augsn ge- ffihrt werden. Dss bleibt dsr sichstsn Szene in Drans vorbshsltsn. In dsr 2. Szene wird jedoch dsr negative Kontrsstpol angsdsutst. Eine Bsnsrkung dss Majors an Anfang dsr Szene kssnzsichnst seine Einstsl- lung zu den Untsrgsbenss: ihn gsfillt Liuffsrs subeltsrss Art ("Ist dss nicht sin ganz artigss Mnnichss"). Auch dss Mittel dsr Denonstration klingt in dieser Szene as. De dsr Zuschauer Liuffsr schon ksnnsngelsrnt hat, wirkt as provozisresd suf ihn, daB dsr Major ihn ssstsllsn will. Provozierssd ist such dis Tatssohs, dab Major Berg dis Richtigksit dsr Argunssts seines Brudsrs nicht sinsiaht. Anders als dis Sprache dsr Figures in Spannungsdran ksnn nach Crunbach dis dsr Menschsn in epischen Drans nur 'als isdividusllss 112 Zubshfir, dss jade Typisisrusg susschlisflt', wirkssn sein. Ein "fiber dss Ganzs ausgsbrsitster einhsitlichsr Sprachton", d.h. ”dis durch- gshssde Postisisrung ebenso wie sin alles prigsndsr Jargon“ ist nicht srlaubt, dens wie jade Figur grundsitzlich gsspsltsn arschsiss, nfisss such ihr Sprachton sowohl den Habitus dss Alltsgs wie dsn dsr inneren Erhsbung zun Ausdruck bringen. 193 In 1,3 treten beide Kontrastpole zun ersten Mal voll in Erschsi- sung. Un ihre Usvsrsinbarhsit vos vornhersin deutlich zu nachsn, liBt Lenz ihre 7srsinbsrksit fast nfiglich erscheinsn. Des ist daran er- kennbsr, dsB Liuffsr sich zun einen dsr rokokohaftsn Ausdruckswsisa dsr Majorin bedisnt (z.B. '0 ... o ... vsrzsihsn Sis den Entzficksn, den Enthusiasms, dsr nich hinrsiBt"), zun anderen, wie dis Majorin, franzfisischs Voksbsls varwendst. Was er hier spricht, ist jedoch nicht dis Sprache dsr inneren Erhebung, sondern dis dss Alltsgs dsr Majorin. Der Untsrschisd zwischsn seiner Ausdruckswsisa in der 1. Szene und in dieser liegt jedoch suf dsr Hand. Hier will er sich nit aller Gswslt dsr deewsiss seiner Ungebung anpassen. Absr gleich- zsitig nacht sich bis zu Graf Wernuths Auftritt sein subslternsr sprachlicher Habitus bensrkber. Auch dis Majorin spricht in 1,3 nicht inner rokokohaft-franzfisisch, wie ihre ffir Liuffsr bslsidigendsn Worts spiter in dsr Szene deutlich zun Ausdruck bringsn. Disses Gssprich ffihrt zu keinsr Entscheidung, wie sich nun bei der Untsrsuchusg dsr denonstrativan Elensnts in dieser Szene zsigsn wird. 7islnshr spre- chen “dis Personsn nur scheinbar nitsinsndsr", schreibt Crunbach, "wihrsnd dsr sigsntlichs Inhalt dsr KuBsrungsn in dsr Sslbstdarstsl— lung und ihre Absicht in der Sslbstspisgelung gipfelt". 19‘ Dis Majorin handelt als sins srrogants, tyresnischs Ausbsutssde, Liuffsr 113 als sin unterwfirfiger Bfirgerlicher. Nun wollen wir use in 1,3 dsr Denonstration zuwsndsn, dis Crun- bach ”dss augssfilligets usd iuBsrlichets Elensnt Epischen Theaters" sent. 195 Wenn dis Handlung kostrastiersndsr Dranss, schreibt Crun- bach, nicht von der federndes Ensrgie voransilendsr, sisandsr stei- gsrndsr Ereignisse, sondern vos dsr potsstiellen Kraft gsstsutsn Schickssls angstrisben werde, bsdfirfs se ganz offsnbsr dss zsigsndss Gestus, nun sowohl Macht wie Nihe dee auBsrhalb dsr Szene - in ma- gischsn Hintergrund - vsrblsibssdsn dynanischsn Prinzips zu vsrgsgen- 196 Nun verhilt es sich nach Crunbach nit den Handlunge- wirtigss. sblsuf dss epischen Dranss bskasntlich so: Dar Pluspol dse in Vorgsng dss Drans bstroffenen Kontrsstee werde denonstriert, hisrauf, oft zfigernd, dsr Minuepol ssgssihsrt. Ziel ssi dsr vos Pol zu Pol schls- gsnde ”Blitz dsr Erkenntnis". Selle dsr Blitz use absr Erkenntnis vsrnitteln, 'nfisess wir dis Elensnts dsr Szene so bshsrrschsn wie dsr Dancnetrant selbst". Dee bedsutst, dsB wir "nicht nur un dis Auf- ladung beidsr Pole wissen", sondern such “jade Phase dse Experinsnts genau bsobschtet haben”. 197 Crunbach verglsicht dis Denonstration dss Vorgsnge nit dsr 70r- ffihrung eines naturwiseenschsftlichen Exparinsste: Dar Dsnonstrsnt werde sich folgsndeznaflsn vsrhaltes: 1. Er nachs use die Apparatur v s r t r s u t, dens er nfichts usesre klsrs, hallwschs, sfichtsrs- kritiechs Mitsrbeit: notfalls werde er vor Provokationsn nicht zurfick- echrecksn, un diess zu srrsiches. 2. Er hsbe dss Unhsinlichs dsr gs- wsltigsn, in dsr Apparatur echlu-srsdss Krifte hervor, un usesr von Furcht geechirftse Wshrsehnungsvsrnfigsn wschzurufsn. In diesen Falle werdsdae7srtrautswiedsr srrsgend neu. Zunl.und 114 2. Zwsck benfitigs er a) vial Erklirsndss b) genaue Sichtbarhsit seiner Apparatur ffir alle. 3. Der Entladungsblitz solle genau beobachtst werden, ds sr use wesentlichs Erkenntnisss fiber dss tisfstsn Grund gesetzlichsr Vorgings vernittle; dsr Demonstrator wards dss Experiment oft w i s d s r h o 1 e n . Ganz und gar selbstvsrstindlich ssi, daB er seine Zuhfirer nicht in dsr Haltung vos Kindsrn belasssn dfirfe, als wire dies alles lediglich sin Spielzsug. In diesen drsi Punkten eines tschniechss Bildse ssi dss Element dsr Denonstration vollko-sn snt- haltsn. Seine Anwendung srfordsrs sllsrdings von use dss Wissen um die dsnonstrstive Absicht dss ganzsn Dranss, d.h. dss Vorgangs, dsr Fabel, dsr Handlung, dsr Figuren usd ihrer Sprache. Denonstration ssi nicht Sslbstzwsck, sis ssi sis Mittel, dis Hauptelenents dss Dranss ins Licht zu setzsn. 198 Bert Brecht hat den von Crunbach sosben geschildsrtsn Elensnt dsr Denonstration den Names "VsrfrsndungsJ oder 'V-Effskt" gegsbsn. Crunbach selbst vsrwendst diesen Begriff, obwohl er dessen Ubsrnshne grundeitzlich sblehnt, weil js dis Fern einse Wsrkee an sich keinsn "Effskt' s n t h s l t s n kanne. Isdsn dsr echaffsnda Kfinetlsr dis Wirkung bsstinnter stnss seines Werkse suf dss Publikun in Rechnung stalls, werde er folgerichtig bei diesen den gswfinechten 'Effskt" 199 Warun dsr Dichter bein Publikun "den ge- vsrursschsn. wfinechtsn 'Effskt" hervorrufss will, erliutsrt Crunbach suf folgssds Weiss: Mitten in dis gsspsltsne Welt dieser Dranss werde dsr Zu- schauer gezogsn; ds sich suf dsr Mas nichts sntschsids, vollzishs sich is in Sisn und Bsdeutung. 20° Und zu Brechts Terminus ko-sn- tiert er: So einnfillig nun such dieser Begriff ssi, so wenig sage er fiber seine Funktion aus. Hisr handle as sich doch un dss 115 kontrsstisresdsn Gestus, dsr erst dss 7-Effskt hervorrufs. Und er ffigt hinzu: 7erfremdung? Das ist doch nur e i n s Ssits dsr Wirkung X dss 'Effskts'. .As einen use bsksnntsn ngsnstsnds werden neus, unsrwsrtsts Aspskts denonstriert, un unssr Interesse ffir ihn neu zu wscksn. Lenzens ”Vorsrbeit' in den ersten beiden stnsn erschwert ihn jetzt is dsr 3. Szene sozusagsn dis Erstsllung zwsisr gleichwsrtigsr Kontrastpols. Der Grund daffir ist der vorwiegend negative Eindruck, dss Liuffsr im.Zuechauer srwsckt. Jetzt nuB Lenz nit aller*Kraft dis beiden.Pole in ihrer Glsichwsrtigksit usd Unvsrsinbsrksit vorffihrsn. Un.dse zu srrsichen, bedisnt er sich einer Ffills dsnonstrstiver Mittel. Hisrzu gehfirsn zusichst Bfihnenrsum usd -requisitsn. Dis Szene spielt sich in den Raun einer Privilegiertes, in.Zinner dsr Majorin ab. Der Nichtprivilsgisrts Liuffsr hingegen tritt in einen ”links bordiertsn Kleids' auf. Dse 7srhiltsis zwischsn Liuffsr und Majorin Berg ist das zwischsn Ustsrgsordnsten usd Vorgsestzten. Dis Situation ist dem.Zuschsusr zunichst vsrtraut: dsr junge.Angsetsllts wird seiner Arbsitgsberin vorgestsllt, nuB Auskunft fiber sich geben, srhilt Anweisungsn usw. Doch nerkt dsr Zuschauer gleich anHAnfsng suf, als Liuffsrs Gshalt zur Sprache komnt. Liuffsrs Gshalt sollte drsihundsrt Dukatsn betragen. Sein 7atsr und die Majorin sind jedoch, wie as dis Majorin ausdrfickt, "bis auf hundsrt und funfzig sinig wordenP. Hitts die Majorin einfach dss Wort "bis” weggslaeses, so hitte ihre Reds viel weniger‘Aufnsrkeamkeit erregt. Hisr wird die Sprache also in den Dienst dsr Denonstration gestellt. Auf diess Wsiee wird den Zuschauer dae susbsutsrischs Wessn dsr Majorin usd Liuffsrs Unterwfirfigksit zunichst angedsutst; etatt sich such nur 116 einnal dazu zu auBern, nimmt es Lauffer einfach hin. Die Wirkung des Hbrtchens ”bis” ist also befremdend. So “wird das Vertraute wieder 202 Danach werden Ausbeuterisches und Un- erregend neu”. terwarfiges vor allen ohne Horte buchstlblich vor Augen gefflhrt. Die Situation bleibt in gleicher Heise vertraut, die Wirkung ebenso be- frendend. Die Arbeitgeberin will Zeugnisse der Bethigung des Hof- neisters. Was verlangt sie? DaB er tanzt: Muffer steht auf und macht seiner Herrin "ein Konpliment aus der Menuet", dann ”einen Pas". Der Zuschauer sieht, Buffer last sich wie eine Marionette lenken, d.h. er denonstriert seine untenrflrfige Haltung. Dsswegsn braucht die Majorin keinen Tanzmeister in Dienst zu nehnen. In dieser Szene aetzt sich Lenz zvei Ziele. Er nuB Buffer in sin positiveres Licht stellen und er nuB den Kontrast zwiachen Privi- legierten und Nichtprivilegierten ganz klar herausstellen. Am Anfang der Szene oder kurz danach wird der Zuschauer wohl nerken, daB der junge Angestellte laut Eminenamreisung neben der Ar- _ beitgeberin auf einen Kanapee sitzt. Auch das befrendet. Die Situa- tion ist in Anbetracht des Arbeitsverhlltnisses :u intin. Diese in- tine Atmospth wird denn durch Anregung der kokettenhaften Majorin gesteigert. Lauffer soll nicht einfach ein Kanplinent aus den Henuett lachen, er soll i h r eins nachen. Sie 1281: die Benerkung fallen, daa [Suffer such an ihren "Assenbleen" teilnehnen wird. Lluffer ist ganz der Entzdckte und Subalterne, als er erflhrt, daB die Majorin singt: "Euer Gnaden setaen nich auBer lich: vo vlr ein Virtuos auf der Welt, der auf seine: Instrument Euer Gnaden Stine zu orrei- chen hoffen durfts?” Die Stimmung wird jetzt vertraulicher. Die )hjorin fflhlt sich gescheichelt und singt ihn etwas vor, Der eigene 117 Kosmentar der Majorin zu dieser kflnstlerischen Darbietung wird wohl ihrer Leistung gerecht: "Ich muB heut krahen vie ein Rabe". Den Zu- schauer nub diese Vorfflhrung befremden. Der Leser des Dramas nuB sie sich ganz bewuflt vorstellen, da er vollkomnen auf die Regiebenerkungen angeviesen ist. Des Singen last die folgende Reaktion in Liuffsr aus: '0 ... o ... verzeihen Sie den Entzflcken, den Enthusiasms, der nich hinreiBt". Nicht genug, er denonstriert seine schmeichlerische Hal- tung, inden er ihr die Hand kfiBt. Dsdurch verstBBt er in den Augen der Majorin gegen die franzbsische Sitte und sie nacht sich jetzt ein Vergnflgen daraus, ihn als einen tappischen Nachahner adligen Benehnens auf franzBsisch zu sntlsrven: ”Vous devez done savoir, gu'en France on ne baise pas les mainsJ non eher: ...". So steht wieder das Sprachliche, hier das Franzbsische, die Sprache der adligen Klasse, in Dienst der Denonstration. Die Kontrastpole haben sich jetzt angenlhert. Bald wird der Blitz folgsn, der sie auseinandertreibt. Lenz ist jetzt an den Punkt angekonnen, V0 Liuffsr nicht nehr so negativ wirkt. Sein Gegenflber erscheint nicht weniger negativ als er. Nash den Blitz wird es jeden ohne weiteres klar, daB die Majorin eine tyrannische, arrOgante Adligs und daB Ltuffer ein kriecherischer mrgerlicher ist. Lenz arbeitet hier ohne die subtilen deuonstrativen Mittel, die sich vor dem Blitz in dieser Szene finden. Regen seines Vorfalls nit Graf Her-nth wird Muffer van der Majorin beleidigt und auf sein Zi-er beordert. Und falls der Zuschauer i-er noch nicht begriffen hat, daB die Majorin sich genau so llcherlich bani-t vie Lluffer, zeigt Lenz sie noch ein- nl von dieser Seite in “Spiel in Spiel” an Ende der Szene. Es gilt jetzt su erBrtern, vie es Lens gelnngen ist, den Blitz so 118 "vorzubereiten', daB der*Kontrast dem Zuschauer jetzt deutlich erkenn- bar wird. Vor allen vervendet er den Gestus des Zeigens; die Majorin denonstriert ihre ausbeuterische Haltung, Lluffer seine servile. Oder, in der Sprache von Crunbachs naturwissenschaftlichem Experiment, 203 Dann der Demonstrant "macht uns die Apparatur v e r t r a u t ”. hebt er 'das Unheimliche der gewaltigen, in der.Apparatur schlullern- den.Kr£fte hervor", d.h. in unseren Fall, die Majorin und Liuffer de- monstrieren den.Kontrast auf eine Weise, die befreldet. So ruft der Demonstrant 'unser .,. geschzrftes Hahrnehmungsvermbgen' nach, 'das Vertraute”, hier die Einfflhrung des neuen Ref-sisters bei der Familie, wird ”wieder e r r e g e n d n e u '. 204 Jetzt erst kommt der 3. Zwsck des Experiments ins Spiel; 'der Entladungsblitz" erfolgt, d.h. auf den Hofmeister bezOgen, Lfiuffer‘wird von der Majorin schroff abge- fertigt. Dieser 'Entladungsblitz soll genau beobachtst werden", denn er vermittelt ”wesentliche Erkenntnisse fiber den tiefsten Grund gesetz- licher Yorgfinge". 205 Der Blitz vermittelt uns im.Ho£meister die Erkenntnis, daB die Welt aus privilegierten und nichtprivilegierten Menschen besteht, und daB sich diess Gegensltze nicht vereinbaren lassen. ”Der Demonstrator wird das EXperiment oft v i e d e r h o - 1 e n w. 206 In 1,3 sieht man die Ladung und Butladung des Blitses zum ersten Hal. In Laufe des Dramas wird dieser Vorgang wiederholt, um dessen Naturgesetzlichkeit darzulegen. Crunbach ermahnt, daB alles Demonstrative auf die Aussage des Kontrastes gerichtet sein masse; for-lose Spielerei nit "Effekten' lasse sich leicht entlarven. 207 Das Fehlen von bloBen ”Effekten' hier und auch anderswo in Drama kann festgestellt werden. Hie in 1,3 gesehen worden ist, stehsn alle demonstrativen Elements unter dem 119 Gesetz des Kontrastes. Vergleicht men die Sprache des Majors in seiner Auseinanderset- sung mit seinem Bruder (I,2) mit jener, deren er sich Liuffer gegen- dber in I,4 bedisnt, so fillt seine neue Ausdrucksweise sofort ins Auge. Zeigte er sich dort seinem schlichten Rededuktus nach ganz of- fsnsichtlich dem Geheimrat nicht gsistig gevachsen, so nimmt er sich hier den Mut, sich gegenfiber seinem Untergebenen des Lateinischen zu befleiBigen, wenn auch fehlerhaft ('Kann er seinen Cornelia?” oder 'zu Ihrem Salarii' als Beispiele far die falsche Flexion). Er flieht auBerdem.Fremdw6rter (“kein Feriieren und Pausieren und Rekreieren”) und franzbsische Ausdrficke ("Monsieur", 'scharmant") ein. GemlB Crum- bachs Behauptung, daB der Sprachton der gespaltenen Figur "sowohl den Habitus des Alltsgs wie den der inneren Erhebung sum.Ausdruck' bringen muB, 208 schwingt sich der Major in dieser Szene sum gehobenen Ton auf, venn er von Gustchon spricht: Ich hab eine Tochter, das mein Ebenbild ist, und die ganze Welt gibt ihr das Zeugnis, daB ihres gleichen an Schvn- heit im ganzen.PreuBenlande nichts anzutreffen. ... gleich stehn ihr die Backen in Feuer und die Trlnen laufen ihr vie Perlen drdber hinab ...: das Mldchen ist meines Herzens einziger Trost. Es ist nein einziges Kleinod, und Venn der'KUnig mir sein Kanigreich far sie geben wollt: ich schickt ihn fort. Alle Tage ist sie in meinem‘Abendgebet und Morgengebet und in meinem Tischgebet, und alles in allen. Hierbei scharft er Lqufer den Gegensatz zwiachen den Standen ein; er gibt ihn auf ganz eindeutige Weise zu verstehen, dab Guatchen ihn auBerhalb des Unterrichts aberhaupt nichts angeht. Den Major liegt daran, sie mit einem General oder Staatsninister‘VOI.ersten Range ver- mlhlt zu sehen, "denn keinen andern soll sie sein Lebtage beko-nen”. 120 Er redet Lluffer direkt an: "Merl: Er sich das und wer meiner Tochter zu nahe kommt oder ihr vorin zu Leid lebt - die erste beste Kugel durch den Kopf". Und er wiederholt: ”Merl: Er sich das". Die Sprechweise des Majors in dieser Szene sowie auch spiter ist durchwegs eine gestische. Wir wollen uns zunachst mit den drei Pas- sagen beschaftigen, in denen er seine innere Erhebung zum Ausdruck bringt. Durch sprachliche Mittel gelingt Lens auch hier eine befrem- dende Wirkung. Hie sehr der mjor seine Tochter lisbt, geht zunlchst aus seinem Gebrauch der Hyperbel hervor; er spricht in Phrasen, die mit ganz, einzig und alles gebildet sind: "die ganze Welt”, "im ganzen PreuBenlande”, ”meines Herzens einziger Trost", "nein einziges Kleinod", ”alle Tags”, “alles in allen". Die Unruhe, die in seinem gestischen Spreehen sum Ausdruck ko-t, offenbart sich in seiner Hie- holung von “alles": 'Alle Tage ist sis in meinem Abendgebet und Hor— gengebet und in meinen Tischgebet, und alles in allen“. Inhaltlich bringt die wenig sinnvolle Phrase "alles in allen“ zum Ausdruck, daB sis in jedweder Hinaicht far ihn alles bedeutet. Ihn beachte auch die Hiederholung von 'Gebet' und die alogische Folge: sunlchst "Abendge- bet", denn 'Horgengebet", nicht umgekehrt, und dann muB er "Tischge- bet” anhlngen. Die innere Erregung des hajors tritt auch dadurch zu- tage, daB er die Personalendungen der Verben ausmt und kflrzt (”hab" statt habe, “wollt' statt wollte, "schickt' statt schickte, "stehn" statt stehen). Auch sagt er "anzutreffen" statt der granatisch kor- rekten Form 'ansutreffen ist“ und gebraucht in Hinveis auf seine Toch- ter statt des Prono-ens "die“ das falsche Relativprono-en "das'. Granatische Fehler finden sich i-er wieder in den Reden des Majors. Auch sie tragen dazu bei, einerseits seine Sprache zu 121 individualisieren, andsrsrseits ihn als einen ungebildeten Menschsn zu charakterisieren. Seine Roheit wird such am Anfang der Szene durch die Sprache denonstriert. Hier gebraucht er Worte und Hendungen des Sturm und Drang in bezug auf seinen Sohn ("Kanaille", 'Heiduck", ”Maul", 'Tuckmfluser', “Hacker”, 'Galgendieb', 'gassenlfiuferischer Tau- genichts", ”Gelgenstrick“, ”zum Plunder“, "der lebendige Teufel soll drein fahren", ”tausend Sackerment”, ”ich zerbreche dich in tausend- millionen Stdcken"). Die beiden letzten Ausdrdcke sind wieder-um hyperbolische Phrasen. Auch die Gestik dient dem Verfremdungseffekt. Lauf Bahnenanwei- sung am Anfang der Szene "fiberftllt" der Major seinen Sohn und Liuffsr. Er lrgert sich fiber Leupolds Kbrperhaltung und "richtet ihn”. Als er erfahrt, daB es entgegen der Behauptung des letzten Hofmeisters nit Leapolds Lateinkenntnissen nicht sehr weit her ist, gerfit er noch nehr in Aufrsgung und "gibt ihm eine Garfeige". Neil Leopold danach nur da steht und nichts tut, schreit er: “Fort air aus den Augen. - Fort: Soll ich dir Heine neben? Fort, sag ich” und "stampft nit dem M”. Denn geht Leapold von der Mhne. Dieser ganze Vorfall mit Leopold mtet den Zuschauer plfltzlich noch befremdender an, als der Major Lluffer erkllrt: "Ich wollte nit Ihnen ein paar Horte allein sprechen, darum schickt ich den jungen Herrn fort“. In unmittelbaren AnschluB daran vendet sich die Aufmerksamkeit des Majors Liuffers Sitzweise su: Sie ihnen i-er sitsen bleiben; ganz, ganz. Zum Henker Sie brechen mir ja den Stuhl entsvei, venn Sie i-er so auf einer Ecke ... Daflr steht ja der Stuhl da, daB man drauf 33:1; soll. Sie sind so weit gereist und wissen das noch Auch das bloBe Sitsen wird jetzt neu bedeutsam, steht in Dienst des 122 Verfremdens. Lfiuffer hat sogar ordnungsgemIB su sitzen in Hause seines adligen Herrn. In dieser Passage ist das kaum verhaltene Unge- stfim des Majors deutlich spfirbar. Wfirde er sich noch ein wenig nehr aufregen, so kfime es wohl wieder sun when Geffihlsausbruch und zur brachialen Gewalt, die dem Sohn sosben suteil vurde. Lfiuffer kann man sich jetzt nicht anders als eingeschfichtert vorstellen. Und so ist der Zeitpunkt gfinstig ffir das nfichste Anlisgen des Majors. Er be- spricht Liuffsrs Gshalt und Lfiuffer beta-t weniger als vereinbart. Zur Kennzeichnung der vertrauten Situation kfinnte man dieser Szene die Uberschrift geben: Der Major besieht sich den hotheister- lichen Unterricht. Hie Vertrautes dann Verfremdung in Zuschauer her- vorruft, haben vir schon su zeigen vsrsucht. In 1. Kapitel dieser Arbeit vurde bei der Untersuchung des Ge- sprfiches svischen Geheimrat Berg und Pastor Lfiuffer (II ,1) wiederholt auf Denonstratives hingeviesen. So wollen vir uns hier von allen auf das Dialogische in II,1 beschrfinken. Zunlchst soll aber einiges fiber die demonstrativen Mittel in dieser Szene erefihnt werden, veil sie nicht in l. Kapitel besprochen vurden. Ere-d klingen die vielen unge- wohnten Kraftwfirter und -ausdrficke aus dem Hunde des Geheimrats. Dieser Zug zeigt, daB er gegenfiber gesellschaftlich Niedergestellten genau so schroff sein kann vie sein Bruder und seine Schvfigerin. Be- fremdend wirkt auBerdem der Teil der Szene, in dem der Geheimrat Lfiuffers Brief vorliest. Nachden er etva die Hfilfte des Briefes ge- lesen hat, wirft er ihn einfach auf den Boden, statt ihn dem Pastor zurficksugeben. Auch dieser Gestus sagt etwas fiber seine Haltung gegenfiber Nrgerlichen aus. Nicht er, sondern der Pastor hebt den Brief wieder auf und der Geheimrat liest veiter. Lluffer bedient sich 123 in diesen Zeilen einer verschnfirkelten Ausdrucksweise. Diese vie der Inhalt virken aus dem Hunde des Lesers neu erregend, was in der Ab- sicht des Dichters liegt. Hier teilt Lfiuffer seine Hoffnnng auf eine Einheirat mit. Dieser Sinn bleibt freilich Geheimrat Berg und Pastor Liuffsr verschleiert, dem Zuschauer absr nicht. Auch an zwei anderen Stellen in Drama (IV,1 und V,6) lfiBt Lenz Briefe durch eine andere Person vorlesen, um eine solche Wirkung zu erzielen. Crunbach schreibt, der Dialog zerbrfickele oft zu einer Kette von Honologen. Er ist "dramatisch insofern, als die Figuren einander zu solchen Explikationen zvingen". 209 In der Untersuchung im 1. Kapitel dieser Arbsit wurde diese Erscheinung vahrgencmmen; Pastor Lfiuffer und Geheimrat Berg reden aneinander vorbei. 210 Die Handlung erfuhr durch diesen Dialog keine Steigerung. Entschieden vurde nichts, weder fiber Lfiuffers Lage noch fiber das Hofmeistertum noch fiber das fiffentliche Schulwesen. DaB, vie Crunbach behauptet, der DialOg von kontrastisch 211 be- angelegten Figuren nur ein Aussagen der Kontraste sein kfinne, stfitigt sich sbenfalls hier. Fast jede Aussage beschvfirt nur die Gegenaussage des Privilegierten oder Nichtprivilegiertenherauf. "Freilich', ffihrt Crunbach aus, sind es dramatische Figuren, die miteinander sprechen, oft auch gegeneinander, aber da erkennen die Partner stets, vie sehr in Grunde jeder allein ist, und die Dialogs bezwecken nicht, den Hitmenschen in Wessn findern zu wollen. 212 Das 'Alleinsein" der beiden Gesprfichspartner tritt in ihren KuBerungen klar zutage. Auf die Bemerkungen des Geheimrats fiber das Hofnsistsr- vesen und die fiffentliche Erziehung enridert der Pastor, daB der Adel fiberall nicht seiner Heinung sein werde. Darauf entgegnet der Ge- heimrat: "So sollten die Bfirger neiner Heinung sein”. Der Dialog 124 ist also nicht da, um eine Entscheidung herbeisuffihren, d.h. den Ge- sprfichspartner zu findern, sondern um.die polaren Gegensfitse swischen beiden hervorzuheben. De Gespaltenheit des Geheimrats zeigt sich hier in seiner Sprache der inneren Erhebung. In solchen Momenten vervendet er lehrhafte Sprfiche und erveist sich dadurch als ein echtes Kind der‘Aufklfirung: Ohne Freiheit geht das Leben bergab rfickvfirts, Freiheit ist das Element des Menschsn.vie das Wasser des Eisehes, und ein Mensch der sich der Freiheit begibt, vergiftet die edelsten Geister seines Bluts, erstickt seine sfiBesten Freuden des Lebens in der Blfite und enmordet sich selbst. Dieser’pathetische Spruch entbehrt des realen Besuges su gesellschaft- lichen Gegebenheiten und enteist sich als nichtssagend, vie in l. Kapitel ausffihrlich dargelegt wurde, denn sein Freiheitsbegriff be- steht darin, daB man (lies: “brave Leut') 'dem.Staate nfitsen' soll. Von Llaffer sagt der Geheimrat in gleichen gehobenen Sprachton: Er hat den Vorrechten eines Menschsn entsagt, der nach seinen Grundsfitzen muB leben kfinnen, sonst bleibt er kein Mensch. Hagen die Elenden, die ihre Ideen nicht zu hfiherer Glfickselig- keit zu erheben wissen, als zu essen und su trinken, mngen die sich im Kfifigt zu rode ffittern lassen, aber ein Gelehrter, ein Mensch, der den.Ade1 seiner Seele ffihlt, der den Tod nicht so scheuen sollt als eine Handlung, die wider seine Grundsfitse lfiuft ... Hie in der ersten angeffihrten Sentens‘virkt auch hier der Geheimrat didaktisch; er wiederholt und ffihrt Beispiele an. Nur ist ihm ein Denkfehler’unterlaufen: Lluffer, 'der nach seinen Grundsfitzen.muB leben kfinnenfl, kann das nicht, schon desvegen, veil ihm‘von der Ge- sellschaftsstruktur her die erforderlichen Voraussetsungen fehlen. Erhebe sich der Einselmensch su feierlicher Aussage, so bestehe die Gegenfiuberung entveder in einer hilflosen Geste wie Bluspern oder in der halten Dusche eines recht trivialen Gemeinplatses, bemerkt 125 Crunbach. 213 Ein anderes Verfahren wfirde ”zum Ausgleich' drfingen und 'das Element der Spannung' erzeugen. 214 Dies lfiBt sich auch hier feststellen. Auf die erste sentenzhafte Aussage des Geheimrats ant- wortet Pastor Lfiuffer: "Aber - Oh: erlauben Sie mir; das .16 sich ja jeder Hofmeistor gefallen lassen". Auf die zweite angeffihrte Bede erfolgt vcm Pastor die Frags: "Aber was ist zu nachen in der Welt?" Hie aus dem Brief am Ende von II,1 hervorgeht, machte Lfiuffer seinen gesellschaftlichen Stand durch Einheirat vsrbessern. Das schlieBt nicht aus, daB er Gustchsn liebt oder mindestens Tieferes ffir sie empfindet. Auch das lfiflt sich mit einem Satz in seinem Brief be- legen (“Dem ohngeachtet kann ich dies Baus nicht vsrlaasen, und sollt es mich Leben und Gesundheit kosten"). SchlieBlich wohnt Lluffer su diesem Zeitpunkt schon swei Jahre mit Gustchen innerhalb der Pamilie cuss-sen and hat keine weitere Gelegenheit , andere Bdchen kennensu- lernen. 1,3 and 4 haben vorgeffihrt, was ffir eine ausbeuterische Be- handlung dem Bofmeister durch die Majorin und ihren Mann zuteil wird. In II,2 offenbart sich wieder der Kontrast zwiachen Privilegierten und Nichtprivilegierten. Bier zeigt die Familientochter und Bofmeister- schfilerin ihr ausbeuterisches Wessn. Diese Szene ist eine Kernstelle im Dran. Nur in zwei Ssenen, in dieser und in 11,5, erscheinen Lfiuf- fer und Guatchen sues-en. Sie soll darum ausffihrlicher untersucht werden. Es hat den Anechein, daB Lens hier vornelnlich mit sprach- lichen Hitteln gestaltet und demonstrative kaum verwendet. Bier steht jedoch daa Sprachliche wieder im Dienste des Demonstrativen; Gustchen ffihrt ihre Kunst als Kokette vor, Sie wirkt hier auch deswegen be- fremdemd, weil der Zuschauer sis in 1,5 und 6 als ein mives, ver- liebtes und sentimental veranlagtes lldchen kennengelernt hat. Die ve1 Sc‘ Zu 126 vsrtraute Situation am Anfang der Szene ist die des Liebesgesprfichs. Das Gesprlch bewegt sich vordergrfindig in Rahmen des Hofmeistor- Schfilerin-Verhfiltnisses, doch wissen die Gesprfichsteilnehmer und der Zuschauer, daB das sigsntlichs Gesprfichsthem auf den Beziehungen zwiachen beiden als Mdchen and Mann beruht. Schon Lfiuffers erste Harte lassen erkennen, daB er tiefere Geffihle ffir Gustchsn hegt und auf Gegenseitigkeit hofft, wenn auch nicht mit sehr viel Zuversicht: 'Hie steht's mit meinem Partrfit? Nicht wahr, Sie haben nicht dran ge- dacht?” Die Eragen sind als Fragen des Pfidagogen an seine Schfilerin berechtigt. Doch verrfit sich Lfiuffers Verliebtheit. Es ist sein Portrfit, das Gustchen zeichnen sollte. Daran kann er ihr Interesse an ihm ablesen. Seine perefinliche Enttfiuschung ka-t dadurch zum Var- schein, daB er seine zweite Frags mit “nicht wahr" beginnt und nicht beendet. Er setzt seine Bede fart: 'Henn ich auch so saumselig ge- wesen ware - " und geht auf diesen Punkt ein: 'Hfitt ich das gewuBtz ich hfitt Ihren Brief so lang zurfickgehalten ...“. Daraus geht hervor, daB er van Gustchens Verbindung mit Fritz weiB und dab er ihren Brief entgegen der Heisung des Geheimrats insgeheim abgeschickt hat. Dieser Umstand dfirfte ihm wenig Baffnung machen, daB Guatchen seine zarten Geffihle erwidert. Seine Aussage weist aber darauf hin, daB Guatchen ihm versprochen hat, ihn zu partrfitieren, wenn er den goheimen Brief an Fritz aufgebe. Sinngedfl lautet seine Aussage also: Er hltte den Brief zurfickhalten sollen, bis Gustchsn mit seinem Bildnis fertig ge- wesen wire. Aus Buffers Bede lfiBt sich schlieBen, dab Gustchen schon varher van seiner Neigung zu ihr wuBte und ihn deswegen ffir ihre eigenen Absichten geffigig zu fichen verstand. Nach "aurfickgehalten' unterlfiuft ihm ein weiterer Lapsus, der nicht Pfidagogisches, sondern 127 Persfinliches erblicken lint; er ffigt hinzu: 'aber ich war ein Narr". Auch lfiBt er Guatchen damit wissen, daB er sich van ihr an der Nase herumgei‘fihrt ffihlt. Gustchsn zeigt sich Liuffsr gegenfiber gleichgfiltig: ”Ha ha ha. Lieber Herr Hofmeister: ich habe wahrhaftig noch nicht Zeit gehabt". Doch ffillt die persfinliche Farm ihrer Anrede auf. Sie will aber nicht ganz van ihm ablassen, sondern ihn auch anreizen, d.h. sie erprobt sich an ihm als Kakette. Hit ihrer Antwort entlackt sie ihrem Ge- sprfichspartner den verratenden Ausruf: 'Grausame.” Guatchen entgegnet: "Aber was fehlt Ihnen denn? Sagen Sie mir doch: Sa tiefsinnig sind Sie ja nach nie gewesen. Die Augsn stehn Ihnen ja i-er voll Hasser: ich habe generkt, Sie essen nichts.” Bisher hat Guatchen Gleichgfiltigkeit vargetfiuscht. Ihre jetstigen genauen Beabachtungen fiber Lfiuffers persfinlichen Zustand besagen, daB sie i-er nach mit ihm spielt. Sie hat aber trotzdsn ihre Prfiflung als Kakette noch nicht bestamden. Ihrs Bemerkungen waren zu direkt. Sie ist zu weit gegangen, denn Liuffsr glaubt sich jetzt in seinen Ge- ffihlen van ihr entlarvt. 'Baben Sie?‘ versetzt er, “In der Tat? Sie sind ein rechtes Muster des Hitleidens'. Er ffihlt sich in die Enge getrieben und antwortet deswegen abwehrend. Gustchsns Erwidemng: '0 Herr Bafmeister - - " kennzeichnen Hartlosigkeit und Verstu-en, was Lenz durch die beiden Striche deut- lich macht. Sie hat den Faden ihrer kaketten Bede verloren und bringt mit der jetzt unpersfinlichen Anredefarm das Gssprich auf das Hofmei- ster-Schfilerin-Vexmmis zurfick. Sie traut sich nicht mehr zu sprechen. Aber dutch ihr Schweigan bringt sie Lluffer dazu, die Ini- tiative zu ergreifen. Er fragt sie: 'Hallen Sie heut nachmittag 128 Zeichenstunde halten?" Die Erage ist als Frags eines Bafmeisters an seine Schfilerin durchaus berechtigt. Sie verrfit aber gleichzsitig Lluffers tieferes Interesse ffir Gustchsn. Des wird dem Mldchen sofort klar. Laut Mhnenamreisung faBt sie ihn an die Band und antwartet: 'Liebster Herr Bafmeister: verzeihen Sie, daB ich sie gestern aus- setzte. Es war mir wahrhaftig unmfiglich zu zeichnen; ich hatte den Schnuppen auf eine erstaunende Art”. Sie glaubt, die Situation wieder zu beherrschen und ni-t deswegen ihren Flirt wieder auf. Das wird aus der Form ihrer Anrede und ihren letzten Satz ersichtlich. Lfiuffer behagt Gustchens kakettes Verhalten nicht: "Sa werden Sie ihn Elan Schnappeg wohl heute nach haben”. Er wird persfinlich, er erhafft sich zumindest ein Zeichen ihrer Zuneigung. So schlfigt er var: "Ich denke, wir hfiren ganz auf zu zeichnen", mit der Begrfindung: "Es mcht Ihnen kein Vergnfigen linger". Gustchen antwartet halbweinend: “Hie kfinnen Sie das sagen, Herr Lfiuffer? Es ist das einzige, was ich mit Lust tue". Binsichtlich der Zeichenstunde ist wohl etwas Hahres an ihrer Antwort. (lane Liuffsr wfire das mchen ganz allein, denn er ist der einzige junge Mensch, mit dem sie hier auf dem Land sues-enka-t. Doch 1181: sis auch hier ihre Reize spielen. Sie woicht einer Erklfirung ihrer Geilhle aus, indem sie ihre Antwort rein auf den Unterricht bezieht. Sie entwik- kelt also im Laufe des Gesprfichs ihr Talent als Kokette. Des lfiBt sich daran ermessen, daB sie vorhsr einfach verstu-te, als die Unter- haltung zu persfinlich wurde. Lfiuffer- kann sich jetzt kaum nehr halten. a: rlt ihr, einen Zeichenmeister in der Stadt zu nehmen, d.h. er sagt ihr mit anderen Horten, as er nichts mehr mit ihr zu tun haben mfichte. Uberhaupt, 129 erklfirt er, werde er ihren Vater bitten, den Gegenstand ihres Ab- scheus, ihres Basses, ihrer ganzen Grausamkeit van ihr zu entfernen. Er sehe doch, M as ihr auf die Lfinge unausstehlich werde, van ihm Unterricht anzunehmen. Lfiuffers Selbstcharakterisierung als “Gegen- stand” ist nicht fehl am Platz. I-‘fir Gustchsn ist er nicht mehr als ein blaBer 'Gegenstand', nicht mehr als ein Objekt, an den sie ihre Reize erprobt. Es scheint, daB es mit Gustchens Kfinsten als Makette zu Ends ist, denn sie antwartet nur nehr: ”Herr Lluffer - '. Damch sagt Lfiuffer: “Lassen Sie mich - " und schweigt, was durch den Strich nach “mich" angezeigt ist. Crumbach erklfirt, das kantraetierende Drama finde als sprachliche Form feierlicher Erhebung sehr aft daa Stu-erden vor dem Unaussprechlichen, das aber als echter Kampf in die, innerste Hahrhaf-a 215 Mach dem tigkeit des groBen und klfirenden Hartes mfinden dsse. Scmeigen setzt Liuffsr ein: 'Ich m3 sehen, wie ich das elende Leben zu Ende bringe, weil mir doch der Tad verbaten ist - '. Am Ende der Passage everstu-t er wieder. Im Laufe des Dialogs hat sich Lluffer mehr und mehr llcherlich gsnacht. Bierzu hat Guatchen durch ihre kakette, suggestive Art nicht wenig beigetragen. Er ist jetzt an dem Punkt gelangt, van dem es kein Zurfick nehr gibt. Er rechnet nicht mehr mit Gustchsns ezwiderter Neigung, vielmehr kammt er sich °ver, als sei er ihr Spielseug, d.h. ein "Gegenstand". Darum spricht er sich jetzt so aus, er, der dss Pech hat, sich als Bfirgerlicher in der Unrelt behaupten zu mfissen and in dieser ausgenutzt wird. Hieder antwartet Guatchen: "Herr Liuffsr - '. Hie vorhsr sagt sie nicht mehr. Sie lfiBt jedoch seine Hand nicht las. Die entste- hende Pause ist ffir ihn eine Qual. 'Sie foltern mich“, ruft er aus 130 und reiBt sich van ihr los. Dann spricht Gustchen in ihren Triumph: "Hie dauert er mich!” Hfitte sie ihn wirklich ein wenig geliebt oder auch nur Mitleid mit ihm gehabt, so hfitte sie betraffen.und sprachlos dagestanden. Stattdessen bekennt sie hier Farbe.' Sie hat ihre Prfi- fung als Kokette bestanden. Dazu war ihr der Bfirgerliche gut genug. Der Dialog zwischsn Guatchen und Lfiuffer ist dynamisch, absr nicht spannungsgeladen. Er lfiBt den.Kontrast zwischsn.Adligen und Bfirgerlichen klar in Erscheinung treten, ist aber nicht zielgerichtet wie im Spannungsdrama. 11,5 ist die nfichste und letzte Szene, in der Lfiuffer und Gust- chen zusammen auftreten. Der Zuschauer erkennt sofort, dab Lenz hier provozisren.und zunfichst keins vsrtraute Situation zeigen will; die einzige Vergleichsmfiglichkeit, die sich dem Zuschauer bietst, ist 11,2 und da war beim besten Hillen nichts zu sehen, was auf die intine At- mosphfire in dieser Szene hinweisen kfinnte. Crumbach erklfirt, der Dramatiker scheue dann die Herausfarderung nicht, sobald ihre deman- strative.Absicht es erfordere. 216 Bier geht es darum, Lfiuffer als den nunmehr.Ausbeutenden und Guatchen als die Ausgsbsutete vorsu- ffihren. Hir*werden uns im folgenden der Monologisierung des Dialogs zu- wenden. Durch diess wird die Isolierung der Spreahenden zum Ausdruck gebracht. Lluffer erklfirt: 'Stell dir var Gustchsn, der Geheime Rat will nicht“. Das kann nur bedeuten, daB Geheimrat Berg Liuffsr die 30 Dukaten nicht sahenken‘will,‘wavan in II,l die Bede war. Darauf bemerkt Lfiuffer: ”Du siehst, daB dein Vater air das Leben immer saurer macht" und er fragt: “Hie kann ich das aushalten? Ich muB quittieren”. Diese Bede hat den folgsnden versteckten Sinn: Lfiuffer 131 vermutet, daB Gustchsn schwanger ist und er will sie dazu zwingen, dies affen zu gestehen, um dann auf das Thema der Heirat zu kammen. Lfiuffer ist also jetzt der Ausbeutende. Lfiuffer sagt nicht: Ich kann das nicht aushalten. Vielmehr drfickt er diesen Gedanken als Frags aus und vsrsucht ihr also eine Stellungnahme zu entlocken. Er ver- sucht also seine Reds so zu formulieren, daB Gustchsn kaum anders als in seinem Sinne antwarten ksnn. Vergleicht man Lluffers Satz aus seinem Brief an seinen Vater ("Dem ohngeachtet kann ich dies Baus nicht verlassen, und sollt es mich Leben und Gesundheit hasten"), so erkennt man seine jetztige Unehrlichkeit und Absicht. Statt auf Lfiuffers Anlisgen einzugehen sagt Gustchsn: 'Grau- samer, and was werd ich denn anfangen?" Sis wittert Verrat. Dann sstzt sie mit der gleichen gestischen Formal ein, die Lluffer benutzt hat ("Du siehst") und Nhrt aus, sie sei sclnrach und krank in der Ein- samkeit unter einer barbarischen Mutter. - Miennd frage nach ihr, niemand bekfimmere sich um sie, ihre ganze Familie kfinne sie nicht mehr leiden, nicht einal ihr eigener Hater. Lfiuffer soll die Situation also von ihrer Seite sehen. Sie ffihlt sich van il- verlassen, was in zweimaligen Gebrauch des Hartes ”niemand“ klar zutage tritt. Lfiuffers Erwiderung: "Mach, daB du zu meinem Vater in die Lehre Ira-st; nach Insterburg" ni-t nicht Bezug auf Gustchens Aussage, sondern auf seine eigene erste. Sie bedeutet, dafl Gustchsns Schwanger- schaft geheim gehalten wfirde, wenn sis in Insterburg bei seinem Vater "it“. Auch kann der Zuschauer sich Lfiuffers Hintergedanken gut var- stellen: wire Guatchen bei Lfiuffers Vater, so kfinnte dieser, der selber eingeheiratet hat, eime m. zwiachen Guatchen und Lfiuffer zu- “findebringan. Lluffers Befehl ('lhch") zeigt deutlich seine neue 132 Haltung seit II,2. Er ist jetzt in der Lage, einen anderen Menschsn auszunutzen, und er tut das. Gustchsn will nicht, daB Lauffer sie verlfiBt. Dann wfire sie ganz allein. So geht es ihr jetzt darum, ihm einen Beweis ihrer "Liebs" zu erbringen und sie antwartet ganz in diesem Sinne: "Da kriegen wir uns nie zu sehen“. 'Uns" soll Lfiuffer an ihre 'Liebe" erinnern. Diese Aussage wird gleichzsitig durch einen praktischen Grund bedingt, den sie hinzuffigt: ihr Onkel leide es ni-er, daB ihr Vater sie zu Lfiuffers Vater ins Baus gebe. Daraufhin ruft Lluffer aus: "Mit dem verfluchten Adelstolzzfi Lfiuffers Fluch richtet sich, wie Guatchen weiB, nicht nur gegen ihren Onkel, sondern such gegen sie. Deswegen versucht sie ihn zu besfinftigen. Laut Bfihnenanweisung ni-t sie seine Band, sagt: 'Henn du auch bfise wirst, Bermannchen" und kfiBt seine Hand. Im AnschluB daran ruft sis in Geffihl ihrer Auswegslosigkeit aus: ”0 Tad: Tod: Harum erbarmst du dich nicht?" Hichtiger ist diese Bede aber als Geste. Die Sprache ist die gleiche sentimentale, der sich Gustchsn in 1,5 gegenfiber Fritz bedient hat (“Es gibt Schlaftrfinke zum ewigen Schlaf"). Nur ist hier der Gesprfichspartner nicht der verliebte, uns sympathische Junker, sondern der ausbeute- rische Raf-sister. Deswegen wirken diess Harte Gustchsns befremdend. Diese Harte lassen Lfiuffer erkennen, wie verzweifelt Gustchsn sich ffihlt, denn sie enthalten ein Gestfindnis ihres Zustandes. Des- wegen betrachtet er diesen Zeitpunkt als gfinstig, Gustchsn die Bich- tigkeit seines Anfangsentschlusses einsureden, damit sie die Hanse- quenzen ffir sich daraus sieht. Seine Bede hfirt sich wie ein Monolog fin. Er ni-t seine Argumentatiansweise am Anfang der Szene wieder auf: “Bate mir selber - '. Denn erklfirt er, Gustchsns Bruder sei der 133 ungezogenste Junge, den er kenne: neulich habe er ihm eine Ohrfeige gegeben.und er habe ihm nichts daffir tun dfirfen, habe nicht einmal drfiber klagen dfirfen. Gustchsns Vater hatte Leupold gleich.Arm.und Bein gebrachen und die gnfidige Mama alle Schuld zuletzt auf ihn ge- schoben. Die Kantrastpale sind angenfihert, als Guatchen darauf erwidert: ”Absr un.meinetwillen«- Ich dachte, du liebtest nich”. Sie ist sich des ausbeuterischen.2weckes van Lfiuffers.KuBerung nicht bewuBt. Sie hfilt ihn aber ffir selbstsfichtig und ffihlt sich vereinsamt. Den Blitz, der die Pole auseinandertreibt, stellen Liuffsrs Er- widerung und sein zeigender Gestus dar. Er redet einfach kalt an Gustchsn varbei, indem er sagt: “Lab mich denkenfi. Gleichzeitig rea- giert er fiberhaupt nicht auf Gustchsns Zfirtlichkeiten, laut Begiean- weisung ffihrt sie wiederholt seine Hand an die Lippen. Er "bleibt nachsinnend sitzenfl. Allsin dieser Gestus lfiBt Gustchon Lfiuffers egaistische Haltung erkennen. Das Gesprfich besteht, wie wir gesehen haben, aus einer'Kette van Manologen. Gustchsn darf nicht ahnen, daB Lluffer sie ausnutzen will. Liuffsr darf nicht erfahren, daB Gustchsn schwanger ist, weil er sie dann verlieBe. Has Crunbach zum.Dialag schreibt, kann hier angewendet werden: "Die Persanen verneiden es, ihre Varhaben.nitein- ander zu bereden'. 21" Hfirden sie "ihre Vorhaben miteinander be- redenfl, so 'ergfibe' das 'ein fruchtbares Hachsen aus schfipferisch wirkender’Spannnngz' 218 Hfihrend Liuffer nachdenkt, beginnt Gustchen ihre Romeo-Bede. Britta Titel nennt diess Bede "Gustchsns Julia-Monolog” und meint, dieser sei mit seinen.unaufgeschlfisselten.Pseudanymen eine 134 Verrfitsslung; inden dsr Sinn dsr Bede dem Gesprfichspartnsr verschlos— sen bleiben solle, entfalle ffir Gustchsn eigentlich fiberhaupt der An- laB, zu reden, und ihr Monolog entpuppe sich als ein blofi ffir den Zu- schauer gemfinztes "beissits', das diesen fiber die Motive ihres Han- 219 Hinsichtlich dss Beiseitesprechens delns unterrichtsn solle. behauptet Crunbach, es "ist nicht notwendig", es entffillt als Behalf dsr Spannungsdranen, dag es ”sich jederzeit als farbiges Spiel in Spiel sntfalten" darf; 'sagar ... Gedsnksn treten in dramatischer Form und 0 Dieser 'reil dsr Szene nicht in der dss epischen Berichts auf'. 22 wards schon als "Spiel in Spiel“ in Abschnitt fiber den Aufbau dsr Handlung behandelt. Darin wurde das Element dsr Verfrsndung nicht erfirtert. Gerade disses Element berficksichtigt Britta Titel in ihrer Untersuchung nicht. Und gerade disses Element list den Abstand zwischsn den Beiseitesprechsn und den dranatischen "Spiel im Spiel“ srksnnsn. Dieses "Spiel in Spiel" liefert auBerden erneut den Beweis, daB Lenz die Dsncnstratian zu einen Hauptelenent srhebt. Am Anfang dss ”Spielss in Spiel" weiB Gustchsn, daB Liuffsr sie nicht lisbt, und daB er sis einfach ihren Schicksal preisgebsn wird. Sie dsnkt jetzt in ihrer tisfstsn Not an Fritz und sagt: "0 Bueo: wsnn dies dsins Hand wfire - '. Der Strich nach 'wfire" zeigt an, daB 013“th vsrstumt. Wihrsnd dieser Pause lcfiBt sis Lfiuffers Hand. Lenz hebt das Gsstischs in diesen "Spiel in Spiel" hervor, indem er an An- fang van Gustchens Bede benerkt: "In der beschriebenen Pantanine". In der Pause geht ihr auf, daB dies nicht Fritz' Hand ist. Der Mann, dessen Hand sie kfiBt, will sis vsrlaasen. Dabei unterstellt sie Fritz sins fihnliche Handlungsweise wie die Lluffers, als sis sagt: ”Absr so verlfissest du mich, unedler Baneo!” SchlieBlich hat sie ja 135 auch keinen Brief, kein Zeichen dsr Liebs van Fritz erhalten. Es gibt also niemanden ffir sis. Sis ist, wie sis sagt, "van der ganzen Helt, van ihrer ganzen Fanilis gshabt, verachtet, ausgsspien". Daraufhin drfickt sis Lfiuffers Hand an ihre Augsn und sagt: "O unnenschlicher Bonsai" Gustchsn denonstriert hier auf hfichst bsfrsndends Heise ihre tiefe Versinsanung. Der Gedsnke an Fritz kann sie nur trauriger stim- nen. Ihrs Liebkasungen zsigsn ihre Einsamkeit. Nur Lfiuffer, dsr sis vsrlaasen will und sis nicht lisbt, steht ihr nach nahe. Bier erst merkt Lfiuffsr auf und fragt schraff: ”Has sctnrfirnst du wieder?“ Er hat Gustchsn gar nicht zugehfirt. Er denonstriert also seine selbstsfichtige Haltung, und auf diess Heise Rant Gustchsns Isolierung erneut zun Varschein. . Gustchsn ffihlt sich Lfiuffsr sntfremdet und gibt ihm sine auswei- chende Antwort; nfinlich, das ssi ein Monolog aus einen Trauerspiel, den sis gern rezitiere, wenn sie Sorgsn habe. Titel hat ja gsschris- bsn, inden dsr Sinn dsr Bede den Gesprfichspartner verschlossen bleiben solle, sntfalle ffir Gustchsn eigentlich fibsrhaupt dsr AnlaB, zu reden. 221 Der AnlaB ffir Gustchsn am Anfang ihrer Baneo-Bede war ihre Vereinsamung. Jetzt hfilt sie Lfiuffer wegen seiner letzten grobsn Be- nerkung flfir gar nicht wert, van Fritz zu hfiren. Liuffsr hat sis be- leidigt. Lfiuffer 'ffillt wieder in Gedanken" und jetzt sieht Gustchsn Fritz in positiven Lichte. Diese neus Haltung hat Lfiuffers schraffe Erwiderung bewirkt. Sis sucht zunfichst Bechtfertigungsgrfinda daffir, daB Fritz ihr trotz dss ’vfiterliahen Verbats nicht gsschrisbsn hat, benerkt jedoch, dis Liebs setze fiber Meere und Strhe, fiber Verbat und Todssgefahr selbst. SchlieBlich rechtfertigt sis ihn absr: "Ja, 3'8, 136 dein zfirtlichss Herz sah, was mir drahte, ffir schrficklicher an als das, was ich leide”. Mit "schrficklicher' meint sis dis Heirat nit Graf Hernuth. Diese letzten Harte Gustchsns sind in.Affskt gesprochen. Has hilft es, daB Fritz die drohende Heirat nit Graf Hernuth 'schrfick- licher' snpfand, als das, was sis jetzt leidet? Gustchsn sucht also irgsndsinen Halt. Das wfirde sis auch einsehen, absr die dramatische Handlung nimmt jetzt sine Wendung. Gustchsn 'kfiBt Lluffers Hand in- brfinstig" und ruft aus: "0 gfittlichsr Baneol' Durch ihren Ausruf, den Liuffsr auf sich bezieht, und ihr heftiges Hfissenflwsrdsn Liuffsrs Gs- ffihle jetzt erregt. Er 'kfiBt ihre Hand lange wieder und sieht sis sins Heile stunm an" und erklfirt: "Es kfinnt mir gehsn wie Abfilard'-". Das bssagt, daB das Sinnlichs die Obsrhand bsi ihm gswannen hat und er will nicht auf diesen GenuB verzichten. Er wird also in nlchster Zeit dart als Hofnsistsr bleiben, absr er ist sich der Gefahr bswuBt, daB er - wie Abfilard — dart kastrisrt werden haunts, van die Fanilis ihr vsrhaltnis sntdeckt. ‘Auch Gustchsn ist sich Lfiuffsrs Bedenken bewuBt, denn sie erwidsrt: "Du irrst dich -‘- Meine Krankhsit liegt in Gsmfit -". Kurz darauf vsrrit sis ihren.Schwangerschaftszustand, in- dem.sie Lfiuffer versichert: 'Nismand wird dich nutmaBen - '. Lfiuffer bricht das darauf folgsnde Schweigen nicht. AnschlieBend fragt Gust- chsn: 'Hast du die Neue Heloise gelesen?" Auch diess Bamerkung wirkt bsfrsmdend. Har Fritz ihr vorhsr in Gedsnksn als dsr allein Liebens- 'werte erschienen, so lieB sis jeden Gedanken an ihn fallen, sobald sie erfuhr, daB Lfiuffer llnger Hofnsistsr bleibt. Aus ihren.Hinweis auf Die Neus Heloise geht hervor, daB sis an ein fihnliches Dreiecksver- hfiltnis denkt'wis in Bausseaus Banan. Hierbei wire Lluffer sine srheb- lich grfiBsrs, aktivers sinnliche Balls zugedacht, als den stillen, cut me an 137 snthaltsamsn Saint-Preux beschieden wurde. Gustchsn ist sins gespaltene Figur. Das zeigt sich auch sprach- lich in ihrer gehobsnen Sprache in der Romeo-Bede. Sis ist schwfir- merisch, sinnlich vsranlagt und vsreinsant. Diese Szene denonstriert auf aufschluBrsiche Heise die Macht dsr gssellschaftlichsn Verhllt- nisse such in psrsbnlichsten Bereich. Noah sin weiteres Problem nuB in Zusammenhang mit Gustchsns Baneo-Bsde srfirtert werden, nfinlich ob Lenz van einen Symbol Gebrauch nacht, indem er Gustchsn hier van 'Bomeo" reden mt. Nach Crunbach darf dsr epische Dranatiker keins bekannten Symbols anwenden. l‘fite er das, so wfirde jeder Zuschauer . . . sine verschisdsne Dsutung vornehmen; denn vsrtraute Symbols erwecken Assoziationen, dis wie in einem elektrischen KurzschluB den Strankrsis des Dichters verlassen, um den gewahntsn Denkkreis wiederherzustellsn. .- Statt sach- lichen Urteils wfire Var-Urtsil rasch bei der Hand. Ein Mittel, alteingefahrens Dsnkgeleise zu vermeiden, ist ihre Blockierung; gxfigge Funktian fibernimmt dsr Gestus dss Zsigens in Entsprschend dieser Bshauptung Crunbachs ist Banea hier nicht symbo- lisch zu deuten. Der Zuschauer bringt den Banea, van den Gustchsn spricht, nicht in Verbindung mit Shakespeares oder den irgsndsinss anderen Dichters, sondern mit Fritz, der sich in 1,5 so nennt. Lenz ffihrt den Bueo-und-Julia-l‘apos in 1,5 also sin, um den Zuschauer hier zu befremden und um Gustchsns Versinsanung varzuffihren. Er vsrmeidst auBerdsn das Symbolisieren, indem er Gustchsn var allen im zwsitsn Tsil ihrer Balsa-Bede nur das sagsn mt, was sich auf Fritz und keinen anderen dichtsrischen Bamea beziehen ksnn. Die Nennnng van Abfilard in dieser Szene hat die gleiche Funktian wie dsr Buss-Julia- 'ropos in 1,5; er bersitet auf den weiteren Handlungsverlauf, nfimlich 138 auf Lauffsrs Kastratian var. Als Gustchsns Schwangerschaft sntdsckt wird, flfichtet Lfiuffsr zu Henzsslaus. His Lfiuffer ist Henzsslaus auch Pfidagogs und Mrgsrlicher. Beids sind also gssellschaftlich gesehen Gleichgsstellte. In Laufe dsr Handlung gelingt es absr dem Schulnsistsr, Lfiuffer zu ssinsn ”Schfiler', d.h. zu seinem Untsrgsbsnsn zu machsn. Lenz beginnt hier nit einer vertrauten Situation, stwa: Ein Mensch gewfihrt den Flfich- tigen Zuflucht. Henzsslaus als Pfidagage wird gleich am Anfang denonstriert (III,2). Laut Bfihnsnanwsisung 'sitzt er an einen Tisch, dis Brill auf der Nass und linsiert'. Lfiuffsr erscheint, fleht ihn um Schutz an und erzfihlt ihm, er ssi Hofnsistsr in benachbartsn SchloB, dsr Major Berg ssi nit all ssinsn Bedisnten hinter ihm her und wollte ihn er- schieBsn. Henzsslaus fordert ihn auf, sich zu sstzen and ihm van den Umstfindsn seiner Flucht und Verfolgung zu srzfihlsn. Lluffer weicht aus: ”Lassen Sis mich erst zu mir selber kmen". Hisr zeigt sich nun Henzsslaus' pfidagagische Listigksit. Zunfichst scheint er Lfiuffers Bitte zu willfahrsn ('Gut, verschnauf Er sich ... ") und ihn gast- frsundlich aufnehmsn zu wollen ('und hernach will ich Ihm sin Glas Hsin geben lassen und wollen sins zusa-en trinken"). Sodann schneidet er sin andsrss Thsma an: "Untsrdessen sag Er mir doch - Hofnsistsr - '. Hier wird dsr pfidagogische Habitus dss Henzsslaus wieder hervorgehaben: Er "lsgt das Lineal wsg, nis-t dis Brills ab und sieht ihn sine Heile an“. DaB er Liuffsr "sine Heils" beobachtst, bssagt, er mcht sich Gedsnksn fiber dis Grfinds ffir Lfiuffers Flucht und Verf 013mg. In lnbstracht seiner nlchstsn Bemsrkung ist es gar nicht ausgeschlossen, daB er jetzt schon kambinisrt und die 139 Mbglichksit einer Verffihrung durch Lfiuffer erwfigt. Lfiuffer ist, wie er selber in 1,1 gesagt hat, "gut gewachssnfi. Henzsslaus bsnsrkt also: "Nun nun, ich glaub's Ihm, daB er dsr Hofnsistsr ist”. Kurz danach bittst er Liuffsr auf sanfte, dsnnoch sindringliche pfidagogischs Heise (“Nun sag Er mir absr doch, nein lisber Freund"), ihn zu erklfiren, wie er denn zu dem.Unstsrn gskanmen ssi, daB sein Herr Patron so entrfistst fiber ihn sei. Darauf wollte Henzsslaus van varhsrein hinaus: Seine Gests dsr Gastfrsundschaft, sein 'unterdssssn' (da soll Liuffsr van sich als Hofnsistsr erzfihlsn) erweisen sich also als Ablenkungsmanfiver, um.die Grfinde ffir die Flucht und Perfolgung aus Lfiuffer herauszubekanmen. Henzsslaus vermutet, dab die Grfinde schwerwiegend sind, denn sr ffigt zu seiner letzten Frags hinzu: 'Ich kann.mir's doch ninmenmshr einbildsn, daB ein Mann wie dsr Herr Major van Berg'- '. Hier bricht er ab und bsnerkt: hIch-kenne ihn wuh1; ich habe gsnug van ihm reden hfirsn'. Ist ihm dsr Major bekannt, so werden ihmnwahl auf mittslbare oder unmittelbare Heise die anderen Familisnmitglieder behannt sein. Daraufhin besinnt sich Henzsslaus: der Major "soll freilich van einen hastigsn Tsnperament sein: viel Cholera, viel Cholera". Hisr zeigt sich sein pfidagogisches Talent, indirekt auf dsn.'Schfilsr' einzuwirken. Er lsgt ihm sine Bechtfertigung ("Cholera“) in den Mund. Dieser Trick hat den.Zweck, Lluffer nicht auf den Gedsnksn zu bringsn, dab Henzss- laus ihn beargwfihnt. Has Henzsslaus inmhnschlufl daran sagt, wirkt befrsmdsnd: Sshen Sis, da man ich meinen Buben selber die Linien ziehsn, denn nichts lernen dis Bursche so schwer als das Gradeschreiben, das Gleichschreibsn.;»Micht zierlich gsschrisbsn, nicht gsschwind gsschrisbsn, sag ich inner, absr nur grad gsschrisbsn, denn das hat ssinsn linflnb in alles, auf die Sitten, auf die 140 Hisssnschaftsn, in alles, lisber Herr Hofnsistsr. Ein Mensch, dsr nicht grad schreiben kann, sag ich inner, dsr kann auch nicht grad handeln - Ha waren wir? Es wfirs vsrkshrt, Henzsslaus' letzte - bsfrsndsnds - Frags als einen Anfall van Gsistesabwsssnheit zu dsuten. Er will das Gssprich auf Lfiuffsrs Flucht zurfickbringsn. Lfiuffsr geht absr nicht darauf sin, er bittet sich vielmehr sin Glas Hasssr aus. Diese Ausweichnung ksnn Henzsslaus nur bestfitigen, daB Lfiuffer sich etwas Schwsrwiegen- dss zuschulden hat kmsn lassen. Hagen Lfiuffsrs Antwort geht Henzsslaus auf Liuffsrs Hunsah sin. Er tut das mit schulmeisterlichsr Schlauheit: "Hasssr? - Sis sollen haben". Lstztsres ist sine Sprachgeste. Henzsslaus benutzt das Hasssr als Lochittsl; sobald Liuffsr seine Fragsn beantwartst hat, soll er Hasssr beka-en. Dann bsnsrkt er: "Absr — ja wavan redtsn wir? Van Gradschreiben; nein vu Major - he he he“. Erschienen Hen- zsslaus' scheinbar absclnrsifsnds Benerkungsn fiber das 'Gradsschrsibsn" sowie seine anschlieBsnds Frags: 'Ha waren wir?‘ und seine jetztige Frags: "Absr - ja wavan rsdten wir?” als Zsichsn seiner Zerstrsut- heit, so wird es jetzt klar, dab er sich nur so gibt. Offensichtlich hfilt er Lfiuffer nicht ffir einen 'Gradeschreiber". Er ezwfihnt ninlich das Them dss Geradsschrsibsns und dss Majors in einen Zug und lacht dabei. Er miBtraut ihm. Bstrachtst nn auBsrdsn seine Maralprsdigt niher, so srksnnt man, daB er Lfiuffsr schon hart zusetzt. Er hat Lfiuffsr also schon zienlich in dsr Gswalt. Mun geht es Henzsslaus darum, dnrch sine List Liuffsrs Mamen zu srfahrsn: "Absr wie heiBen Sis such Herr - Hie ist Ihr Hams?" Lfiuffer vsrrfit sich, inden er zfigernd antwartet: 'Msin - Ich beiBe - Mandel”. Dieser Lapsus ist Henzsslaus nicht sntgangen: "Herr Mandel - und 141 darauf muBtsn Sie sich nach besinnen? Nun ja", spfittslt er, “man hat biswailan Abwssanheiten dss Geistss" und sagt, wohl auf Lfiuffsrs jetztige Gssichtsfarbs hinwsissnd: "besonders die jungsn Herren wsiB and rat". Nicht genug, so sagt er: "Sis haiBan unrscht Mandel” und treibt sein Spiel waiter: "Sis sollten Mandelblfits heiBen, denn Sis sind ja weiB und rat wie Mandelblfita". Gleichzeitig spielt er danit auf Liuffsrs Stand an: Dieser ssi einer van denen, unus ex his, die allewsils mit Bossn und Lilian fiberstreut saisn. ‘Ist man Hofnsistsr, nsint sr, so werden "einen die Darnsn dss Lebsns nur gar sslten stechsn". Denn was habe an zu tun? Man sass, trinks, schlafe, habe ffir nichts zu sorgsn: sein gutes Glas Hsin gewiB, ssinsn Bratsn tfig- lich, alle Morgen ssinsn Kaffse, 'l'ss, Scholralade, oder was man trinka, unddas gehe denni-er safart-. Henzsslaus' Benerkungsn fiber den Hoflaeistsrstand sind darauf an- gslegt, Lfiuffsr zum Hiderspruch harauszufardern, ihn zumindest zur Stellungnahe dazu zu bswsgsn. Da Lfiuffsr nichts darauf erwidert, nan Henzsslaus seine Aussage als wahr betrachten. Hill er spiter Lfiuffsr ausnutzen, so liefsrt er sich jetzt schon seine sigsns Becht- fertigung daffir: als Hofnsistsr hat Lfiuffar es zu gut gshabt, jetzt soll ar das Leben van dsr anderen Ssits ksnnsnlernen. Und dank seiner "noralischsn’ Einstsllung, die in dieser Szene und spfitsr in ssinsn Tiradsn inner wieder zum Ausdruck Ira-t, kann er sich ainrsden, das alles diens Lfiuffers Lfiuterung und Saalenheil. ' Henzsslaus hat noch nicht zu Ends gsredst. Jetzt beginnt ar mit einen Exkurs fiber dis Schfidlichksit dss Hasssrs. Disss Stalls wirkt frond, zum einen dss Inhalts wegen, zum andern, weil sr wieder van einen Them auf sin andsrss springt. Zarst rsutheit (Lauffsr hatte ja 142 vorhsr um sin Glas Hasssr gsbstsn)? Nain: Erzishung: Und zwar nicht Erzishung in Sinne dsr Vsrmittlung van Hisssn (fiber die Schfidlichkeit dss Hasssrs), sondern Erziehung zum Gsharsam. Er will Lfiuffsr geffigig, gshorsam Inchen wie sine Marionette. Sa wird hier die susbsutsrischs Ssits dss Henzsslaus denonstriert. Lfiuffer sieht Graf Hermuth kannsn und vsrsteckt sich. Der Graf fragt: "Ist hier sin gewisssr Lfiuffer? - Ein Student in blauen Bock mit Tressan?" Henzsslaus weiB also, wie Lfiuffer‘richtig hsiBt and ar will vm Grafen wissen, was Liuffsr denn vsrbrochsn haben solle, daB er ihn so “mit gswaffnstsr Hand“ suche. Dis Antwort erffihrt Henzss- laus jedoch nicht van Grafen. Da dieser ihn Schwisrigkeiten macht ka-t Henzsslaus nicht dazu. Er mB ihn var dis 'l'fir setzsn. Henzsslaus vsrmutet jetzt den Grund ffir Liuffsrs Flucht. Den hatte er durch Graf Hermuth srfahran; dieser wollte ninlich Auskunft fiber einen Studentsn, nicht einen Hofnsistsr. Das sagt er wohl, um keinsrlei Vsrdacht eines Hofnsisterskandals nit dsr Tochter dss Hausss aufkcn-en zu lassen. Disss neus GswiBhsit dss Henzsslaus offenbart sich jetzt. Kurz bsvar Graf Hermth in dis Schulstubs sindrang, hatte Henzsslaus fiber das Hasssrtrinken gesagt: Denn sagt mir doch, wa in aller Halt ksnn das dsr Gesund- heit gut tun, wsnn alle Nervsn und Adsrn gespannt sind und das Blut ist in der haftigstsn Cirkulatian und die Lebensgaistsr sind alle in einer - Hitzs, - in einer - Jetzt sstzt er diess Beds laut Begisbemsrkung “in dsr obigan Attitude" fort. Schon allein, daB er das tut, befrsndet: “In - Dis Lebens- gaistsr sagt ich, sind in einer - Bsgsistsrung, alle Passionen sind gleichsan in einer hpfirung, in einen Aufruhr.‘ Seine neus Hartwahl (”Bsgaistsrung', “alle Passiansn", *Aufruhr") deutet mit Absicht 143 intine Bezishungen an. Er*wird nach deutlichsr and nimmt gleichzsitig sin'weitsres danit zusannenhfingendas Theme auf: - Nun wsnn Ihr da Hasssr trinkt, so gsht's, wie wenn man in sine mfichtigs Flanme Hasssr schfittet. Dis starks Bewegung dsr Luft und dsr'Krisg zwischsn den beiden antgsgsngssstzten Elementen.macht sine Effervescsnz, sine Gfirung, sine Unruha, sin tumultarischas Hesan'— Mit demKMKriag zwischsn den beiden entgegangssetztsn.ElementenP deutet er das unstandssgemfifla Lisbesvsrhfiltnis an. Heit entfernt davon, die schrullsnhaftsn Einfllle eines etwas verwarrsnen Gsistssabwssendsn adsr’Zsrstreutan zu sein, sind die Bemerkungen dss Henzsslaus alle genau gszielt. Mit seiner letzten Aussage will dsr Schulnsistsr das Dnmfiglichs solcher zwischsnstfindischan Beziehungen ausdrficksn. Mach hat er absr Lluffer nicht sein Geheinnis entlackt. ‘Hsnzeslaus wird nicht nfide, seine Finten zu probisren. Mach sin- mal versucht er as mit Hasssr als Lockaittel: ”Jetzt kfinnen Sis schon allgemach trinken.-uAllgemach'. Dann kfinnen beide zu.Abend essen. G1sichsan.als Zwischsnbemerkung fragt er dann: "Has war’das ffir sin ungeschliffener’Kerl, dsr nach Ihnen suchta?‘ Man beachta hier die pfidagagisch-psychologischs.Anepielung auf Graf Hermnth. Jetzt hat Henzsslaus Erfalg. Ganz unbefangen antwartet Liuffsr, es ssi dsr Graf Her-nth, dsr kfinftige Schwiegersahn dss Majors: “Er ist sifsrsfichtig auf nich, weil das Frfiulein ihn nicht leiden kann‘— '. .Aus Henzsslaus' Frags: "Has will das Mldchen denn auch mit Ihm Monsieur Jungfsrn- . knecht' geht hervor, daB er in Hilde ist. Dar Schulnsistsr hat also Lluffers Geheimnis harausbeka-an und ‘ hat jetzt sin.Erpressungsnitta1 in der Hand. Deswegen ist Liuffsr wahl ader fibsl an den Ort gebunden. Erwwird Liuffsrs unbezahltsr Hilfslshrer. Henzsslaus hat schon bewiessn, daB er Liuffsr “srzishsn" 144 ksnn. Jetzt hat er nach viel nehr mit Lfiuffsr vor, wie er in 111,4 sagt: “Ich will such nach msinar Hand zishan". In dsr strsng mara- lischen Atmosphfirs sexualler Enthaltsanksit dss Henzsslaus wird es kein allzu groBer Schritt zur Selbstentmmng sein. Hisr gilt as, an Bsispisl das Henzsslaus dis Sprache als “indi- viduelles Zubshfir“ zu untersuchsn. Nach Crunbach ksnn dis Sprache der Figuren in epischen Drama zum Untsrschiad van dsr dsr Menschsn im Spannungsdrama nur "als individusllas Zubshfir, das jede Typisisrung 223 ausschlieBt", wirksan sein. Hir wissen schon, wann Lenz van dsr ”Mannigfsltigksit dsr Charaktere und Psychologien' spricht und in An- schlufl daran das Bsispisl ”Alexander und nach ihm keinsr nehr“ 22‘ bringt, daB as ihn um die unvsrwschselbars Individualitfit geht. Absr es ist uns sbenfalls schan bekannt, daB Lenz keins solchen Psrsfinlich- keitsn van Schlags eines Alexanders auf die whns bringt. Des bssagt jedoch nicht, daB ihm dsr Versuch nicht gelingt, individuslls dran- tische Persanen harvarzubringsn. DaB ihm disses Anlisgen sehr am Herzen lag, ist aus ssinsn theoretischen Anschauungsn zu entnshnsn. fiber “dis hautigen Aristoteliksr' schreibt er in ssinsn “new“ fibers Theater: Gross Philosaphan mfigen diess Herren i-sr sein, gross allgeneins Msnschsnksnntnis, Gesatze dsr nsnschlichsn Seals Kenntnis, aberwoblsibt dis individuslls ? Ho die unskle, i-er gleich gllnzsnde, ruckspisgelnds, sis nag 22 5 in Tatengrfiberbusan forschen oder untsrm Beifrock dsr Xfinigin? Mattanklott findet die Sprache dsr dranatischen Persanen in Hofnsistsr anders geartst: Dis Persanen sprachen nicht, sondern werden gssprochsn. An die Stelle dsr subjektiv und spantan geprfig‘tsn Sprache tritt das abgsgriffens Klischee, in den alle Subjsktivitfit bis zur Unksnntlichksit verharscht ist ...: daB dis Persanen dis Sprache ihres Standss sprechen, bedsutst ..., inden die Sprache dsr 145 Halt dsr Bsalian zugsschlagen wird, die das Subjskt bestinnen, den Varfall dieser Subjekte an sin durch Bsruf oder Religion prfifoggéertss BswuBtssin. Das Selbst dsr Persanen ist sprachf los. Hfihrend Mattklatt also 'Sprachstereotypen“, wie dieser Abschnitt seiner Untsrsuchung bstitslt ist, in Hofnsistsr sieht, schlieBt Crum- bach ”jede Typisiarung" aus, danit auch Stereotypsn. Mattenklott lfiBt auBsrdsn nur "Bsruf oder Beligion" als sprachlich ksnnzsichnsnd gslten. Auch wir sind dsr Msinung, daB der beruflichs und rsligifiss EinfluB sich durchaus in dsr Sprache dsr Figuren bsnsrkbar macht, ohne jedoch daran Individualitfit zu beeintrfichtigan. Als leeg ffir seine Bshauptungsn mm Mattenklott Henzsslaus an. fiber diesen schreibt er lediglich, es finds sich in seiner Sprache kaum sine Hendung, dis nicht biblischen oder pietistischsn Hartschatz sntlehnt wfirs. 227 Obwahl Mattsnklott dis Bsdeutung dss Bsrufss stark hervorhabt, bringt er abgssshsn van einer kurzsn Bansrkung die Pada- gogik nicht in Verbindung mit Henzsslaus. 228 Mattsnklatt erwfihnt also nicht, daB dsr Schulnsistsr sich fifters dsr Gsnissprachs bedisnt. Heitsr, daB sich in ssinsn Vakabular latei- nischa und griechische Phrassn finden, die bei weiten nicht biblischer Herkunft sind. In ihrer aufschluBrsichan Untsrsuchung dsr Sprache als Charakte- risisrung dsr Persanen geht Britta Titel auf den pfidagogischan Bade- duktus dss Henzsslaus sin. Sis srwfihnt "sinigs leitmativischs Mark-als” bein Schulnsistsr, ninlich seine migends Gests dss 'nun, nun" wie 'dia bsdfichtig- “when“ dss 'nun ja", seine "Angswahnheit, Phrasen ... auf latai- nisch zu wiederhalen" und "seine Bede" nit grischischsn 'Zitatan 146 banmothaft zu wfirzan", wie auch sein 'Untsrbrsahsn dsr Beds". 229 Anders als lhttsnklott kammt Titel jedoch zum SchluB, daB Henzss- laus nicht dsr Typus eines Darfschulmsistsrs ssi und es ssisn ihm auch keins pfidagogischsn Maxinen spruchbandartig in den Mund gslegt. Er ssi vielmehr sin Original, leicht karikiert, und das Schulnsistsrlichs in ihm, seine srzishsrischsn Grundsfitza, fiuBsra sich indirskt in der Heise seines Agiersns in Bede und Gebérde. 23° AbschlieBsnd faBt sis zusammsn: Lenz denanstrisra hier nicht so sehr pfidagagischs Msthaden als vielmehr dis Existsnz eines Pfidagogen, and such daa nicht in Sinne eines Ideals, sondern in dsr Heise dss Originals. Er charaktsrisiere nicht blaB den Erzishsr als solchen durch dis van ihn angswandts Kunst, sondern darfiber hinaus den sinmaligsn Menschsn durch dis durch- aus individuslls Heise, in dsr er seine Kunst handhabe. Durch die Eigsnhsiten dsr Diktian, der Gsbfirda, dsr in Duktus dsr Beds abge- bildstsn inneren Dynamik ssi dis pfidagogischs Aktian psrsfinlich sings- ffirbt, wards durah dis Aktian hindurch dis Parson labsndig-ainmalig sesoMrtiz. 23" AuBsr Henzsslaus bespricht Mattsnklatt hinsichtlich "Sprachstsrso- typsn" nur nach Pastor Lfiuffer, dis Majorin und die ”Studsntsn in Halls”, 232 Figuren also, die in Drama nicht voll ausgslsuchtet werden. Solche wie z.B. die beiden Brfidsr, Geheimrat und Major Berg, und Gustchsn, die trotz dsrsslbsn Familisn- und Standsszugehfirigkeit einen so individualisisrtsn Sprachmodus aufivsisen wie Henzsslaus, lfiBt er auBer acht. Henzsslaus' Sprache und Gestik sollen mu, she wir farfahrsn, unter einen weiteren Gesichtspunkt srfirtsrt warden. In ihnen wird die ssslischs Vsrfassung dss Schulnsisters srsichtlich. 147 Henzsslaus scheint mit ssinsn Amt und ssinsn bsscheidsnsn Lebens- verhfiltnisssn nicht unzufriadsn zu sein. Disses Dasein hat er absr bskanntlich nur unter schwsrsn Opfern srringan kfinnsn: er ksnn aus gsldlichsn Grfinden nicht heiraten und sr verdrfingt seine natfirlichen Trisbe durch halts Duschsn und Tabakrauchsn. Seine Baden in 111,2 waren darauf angslegt, aus Lfiuffer sein Gs- hsimnis herauszubringsn, um ihn in seine Gswalt zu bringsn. Dabsi fislsn seine schrullenhafts Ausdruckswsisa, seine Hiedsrholungsn, seine Tiraden und seine angsblicha Zsrstrsutheit auf. Hfirsn diess Eigsnhsitsn seiner Sprechwaiss allein auf seine Absicht zurfickzuffih- ran, Lfiuffer auszunutzsn, so wfire dss Problsn danit srledigt. Diese sprachlichsn Eigenartan dss Schulnsistsrs finden sich jedoch auch spltsr in Drama, wa Henzsslaus as gar nicht nehr nfitig hat, auf solche nachdrficklichs Heise Lfiuffer gaffigig zu machsn. Sis disnsn also auch dazu, sine waiters Ssits dsr Psrsfinlichksit dss Schulnsistsrs zum Ausdruck zu bringsn: er ist sin Mensch, dsr wegen seiner Beam-nangsn, sich dsr Gsssllschaft anzupasssn, furchtbsr gslittsn hat. Und dsr EinfluB dsr gssellschaftliaheanrhfiltnissa auf ihn affenbart sich mittels seiner Sprache und seiner Gebfirden in seiner krankhaften Var- fassung. Als Bsispisl daffir disnt sins Beds dss Schulnsistars in 111,4: Absr ... absr... absr (reiBt itn den Zahnstochsr aus den Manda) was ist denn das da? Habt Ihr denn noch nicht sinnsl so vial gslsrnt, graBsr Mensch, daB Ihr ffir Eursn eignsn Kfirpsr Sarge tragen kfinnt. Des Zfihnestochsrn ist sin Selbstmord; ja sin Sslbstnard, sine mtwillige Zsrstfirung Jerusalems, dis Inn mit ssinsn Zfihnan vorninnt. Da, wenn Each was in Zahn sitzsn bleibt: (ni-t Hasssr und schwfingt den Mund aus) So mfiBt 1hr's machsn, wsnn 1hr gssunde Zfihns bshaltsn wollt, Gott und Eursn Nsbsnmanschsn zu Ehrsn, und nicht sinnsl in Alter herumlaufsn wie sin alter Kettsnhund, den dis Zfihne in dsr Jugsnd ausgsbrochen warden und der dis Kinnbacksn nicht sues-anhaltsn ksnn. Das 148 ‘wird einen schfinen Schulnsistsr abgeben, will's Gatt, wsnn ihm anfs.A1tsr dis Harts ungsboren zun.Munds herausfallen und er zwischsn.Nass und Obarlippsn da was harausschnarcht, das kein Hund oder Hahn vsrstsht. Diese Harts stehsn in keinen.2usamnenhang mit dem, was Henzsslaus vorhsr gesagt hat. Henzsslaus zeigt sich also hier'wis auch an ande- ren Stallen in seiner Sprache als sprunghaft. Er beginnt seine Bede mit einem dreinaligen "absr“, wobsi er sich in sins Hut hinsinstsi- gsrt, ohne daB Lfiuffsr odsr'der’Zuschauer den Grund daffir‘wisssn. Hfihrend disssr’Zsitspanne wird sr'wahl Lfiuffsr wie in gebanntsr Bass- rei ins Gssicht starren und die Stimme bei dsr Hisdsrhalung van "absr" jeweils srheben. Erst als er Lfiuffer dsn.Zahnstachar aus dem Munds reiBt, lfiBt sr disssn‘und dsn.2uschauer wissen, warum as sich handelt. Disss gewaltsama Gsbfirds zeigt deutlich an, dab sr sich kaum.nach bs- hsrrscht. Man.spfirt, daB er unter dem.EinfluB unbskannter seelischer Krfifts steht. Es ist jedoch nicht van ungsffihr, daB dsr Schulnsistsr Liuffsr so behandelt. Dieser vertritt ffir den Schulnsistsr dis gssellschaft- lich hfihsr stehsnde Halt, denn als Hofnsistsr bei einer adligen Fami- lie srfreut er sich vislsr vartsils dss Lebens, dis Henzsslaus fshlsn. Deswegen nennt er Liuffsr kurz darauf 'groBsr Mensch”. Absr diess Zsitsn sind jetzt ffir den Hofnsistsr vorbei und das wsiB Henzsslaus nur zu gut. Darumhkann er jetzt ohne Gefahr seinem ganzen Han, dsr sich in ihm.jahrelang krankhaft aufgsstaut hat, gegsnfiber Lluffsr freien Lauf lassen. Sein brutales Vargehsn befreit ihn vu aufgsstauten Druck und beruhigt ihn. Er stellt die typisch schulmeisterliahe Frags: ~wss ist denn das daf' auf die sine leehrung folgt. Hisr spfirt man 149 wieder das Xrankhaft-Gsspannts in seinem Hessn; er schickt sich an, sins Tirade fiber das 'ZBhnsstochsrn" zu halten. "Ein Selbstmard", ssi disses, 'ja sin Sslbstmord", wiederholt sr, "sins mtwillige Zsrstfi- rung Jerusalsns". (lane Ubergang bsnarkt er plfitzlich: 'Da, wsnn Each was in Zahn sitzsn bleibt”, nimmt Hasssr, spfilt sich den Mund aus und srtsilt Lfiuffsr sins Lsktion fiber dis Mundpflegs. Hohl kann man hier dis Absicht eines Pfidagogen srksnnen, dsr ssinsn Schfiler untsrwsissn und zum Geharsam srzishsn will. Dis Untsrwsisung snthfillt sich je- doch als die eines gsistig laidsnden Lshrsrs. Disss sprachlichsn Eigenhsitan dss Henzsslaus treten such in V,3, V,9 und 7,10 an den Tag. Hinsichtlich seiner Zarstsutheit, dis sben- falls als Zeichen geistigsr Vsrwirrung zu deuten ist, untsrbricht sr sine seiner Tiraden in V,3 mit den Hortsn: "Ja wo war ich', um sadann in alten Ton fortzufahren. Mit den Mittsln dsr Sprache. und Gests zeigt Lenz auf sindringlichs Heise, daB Henzsslaus sin zsrstrsuter, widersprfichlicher und aogar gsistssgsstfirtsr Mensch gswordsn ist, der den unsrbittlichsn Kampf zwischsn Privilegiertsn und Opfern srlisgt. In 7,10, dsr letzten Szene, in dsr Lfiuffer auftritt, zeigt uns - Lenz wohl auf radikalsts Heise im Dram dis Isolierung dsr Menschsn. Statt den Zuschauer darauf vorzubsreiten, kanfrontisrt ihn Lenz sofort danit: Lfiuffsr (nfihsrt sich ihr): Du hast sine Sesle den Himmel gs- stahlsn. (FaBt sis an die Hand.) Has ffihrt dich hisher, Mammal: km, Herr Mandel - Ich Ito-Is, weil Sis gesagt haben, as wfird margsn keins Kindsrlshr - weil Sis — so ka- ich - gesagt haben - Ich ka-e, zu fragen, ob margsn Kindsrlshrs sein wird. Lfiuffer: Ach: - - Ssht diess Hangen, ihr Engsl: wie sis in unschuldigsn Feuar brennsn, und den verdant mich, wsnn ihr kfinnt - - Lise, warun zittsrt dsins Hand? Harum sind dir die Lippsn so blaich und die Hangen so rot? Has willst 150 du? Lise: Ob margen.Kinder1ehr sein wird? Lauffer: Satz dich zu mir nisdsr1- leg dsin Gssangbuch.weg‘— Her steckt dir das Haar auf, wsnn du nach der'Kirche gshst? (Sstzt sis auf einen Stuhl neben seinem.) Lise (will aufstshn): Vsrzsih Er mir; dis Haubs wird wohl nicht recht gestackt sein; as nacht' einen so srschrecklichsn Hind, als ich zur Kirche kam. In diesen DialOg treten dis beiden Persanen gleichsam in jaweils zwsi verschisdsnen Bollsn auf. Dis ersten beiden sind Lfiuffsr als Kanfirmandanlahrer und Lisa als Konfirmandsnkind, dis letzten beiden Lfiuffsr als Varliebter und Lise als dis van ihm sinseitig Gsliebts. Dis vsrtraute Situation gestalten hier dis ersten beiden.Psrsansn: dis Schfilerin bittet den Lshrsr umMAuskunft. Diese Situation vsrur- sacht jedoch absichtlich Vsrfremdung. 1n seiner ersten Beds redet Liuffsr Lise nicht als Schfilerin, sondern als die Gsliebts an. Lisss Antwort richtet sich absr an Lfiuffsr als Lshrsr. Sis wird nervfis, weil Liuffsr ihre Hand nahm. Dsswegsn redet sis durchsinandsr.' Es gelingt ihr absr schlisBlich, zum Schfilsr-Lehrer-Vsrhfiltnis zurfisk- zufindsn: sis drfickt sich klar aus. Und so geht as waiter: Lfiuffsr spricht sis als dis van ihm.Ge1iabts an, sis ihn als den Lshrsr. Sis strfiubt sich sagar gegen Liuffsrs Vsrtraulichkaitan,'warauf dis Be- gisanwsisung in.ihrer drittsn Bade hinwsist (“will aufstshn'). Lfiuf- fsrs Fragsn (”Has ffihrt dich hisher, Lise?”, “Lise, warum zittsrt dsins Hand?', "Has willst du?) verratsn seine Haffnung, daB das Mfid- chsn seine Neigung erwidsrt, was jedoch nicht dsr Fall ist. Beids reden also aneinander vorbei. In Liuffsrs Beteusrungsn seiner Leidsnschaft2naaht sich dsr Tan dsr inneren Erhebung bemerkbar. Dies kantrastisrt deutlich nit dsr Alltsgssprache, dis wir sonst bei ihm gewahnt sind und lfiBt auBerden 151 seine Gsspsltenhsit srksnnsn. Ehs wir auf seine Gsspsltenhsit ein- gshsn, gilt es, einen weitern Aspskt seiner laidsnschaftlichen Be- tsusrungsn zu srfirtsrn, ninlich den dsmonstrativsn. Disss Betsus- ~rungen sind klischsshaft. Lenz vsrwendst sis bswuBt so, um Verfrsm- dung zu vsrursschsn. Aus den Munda Liuffsrs kamnend gswinnan diess Harts sine neus Bedautsamkeit, denn ar ist kastrisrt. Hire dem nicht so, so wire dsr Zuschauer wohl bereit, Liuffsr trotz seines AmtsmiB- brauchss seine Vsrffihrung dss Darfnidchsns zu verzeihen, da er as ja schlieBlich heirsten will. Liuffsr ist absr sin Eunuch. Has sr van Lisa vsrlsngt, vsrstfiBt gegen dss moralischs hpfindsn dss danaligsn Zuschausrs. Dsswegsn wirksn seine Harts dsr Lsidsnschaft bsfrendsnd. Sis disnsn dazu, Liuffsrs zsrrisssns Natur aufzuzeigen. Crunbach erwihnt sin weiteres ksnnzeichnsndes Mark-a1 dsr Sprache im epischen Dran: "Trivialss und Hailigss dicht baise-en - such hier springt dsr Funks zwischsn den Polen“. 233 Liuffsr sntbrsnnt in Liebs zu Lise. Nash ihrer letzten angsffihrtsn Beds ni-t Liuffsr "ihre beiden Hinds in seine Hand” und fragt ganz auBsr sich: '0 du bist - Hie alt bist du,‘ Lise?- - Bast du nisnals - Has wollt ich doch fragsn - Hast du nis Frsisr gshabt?” Liuffsr will also wissen, ob sie dis Liebs schon ksnnengslsrnt hat. Auf seine letzte Frags bskanmt sr folgsnde Antwort: '0 ja einen dis vorigs Hoche". Und ganz stolz ffigt das Midchen hinzu: ”Und denn hab ich auch nach einen Offizier gshabt; es ist nach kein Visrtsljahr'. Hihrsnd ss Liuffsr also hier um die sine grabs Liebs geht, dsnkt Lise nur an Liebslsisn. Sis ist nach zu jung,-um z'u wissen, was Liebs bedsutst. Des geht aus ihrer Bsmerkung fiber den Offizier hervar: "Er hat drei Tresssn auf dem Arm gshabt". Und obwohl sis var kainen Viertsljahr in den Offizier vsrlisbt war, 152 war sis ”nach zu jung': ihr vatar‘wollts sis ihn nicht geben ”wegen dss saldatischen Hesens und Ziehsns'. Lisss Harts sollen befremden. Sis nachsn auf die Jugsnd und Unsrfahrenhsit Lisss aufmsrksan und auf Liuffsrs susbsutsrischs Hfinschs. ‘Als Liuffsr hfirt, daB dsr Heiratsantrag dss Offiziers abgslshnt wurda, macht er sich Haffnungsn: "Hfirdset du'- O ich wsiB nicht, was ich reds -.Hfirdsst du wahli- Ich Blender!" Lise bezisht seine Fragsn auf den Offizier und erklirt: "O ja, van ganzem.Herzsn:" Zuerst glaubt sich Liuffsr selbst geneint: 'Bszaubernds3" ruft er aus und‘ "will ihr die Hand kfisssn'. Er bssinnt sich absr doch eines Bessarsn und erklirt: "Du weiBt ja noch nicht, was ich fragen wollte". Liuf- fsrs Fsststsllung stimmt, denn laut Begisanwsisung zisht Lise die Hand weg. Sis sagt: O lassen Sis, mains Hand ist ja so schwarz - O pfui doch: Has nachsn Sis? Sshsn Sis, einen gsistlichen Herrn hitt ich allswege gsrn: van.meiner ersten Jugsnd an hab ich dis studisrte Herren inner gsrn gshabt; sis sind allewsil so artig, sa»menisr- lich, nicht so puff paff wie dis Soldatsn, obschan ich sinswsgs dis auch gsrn habe, das lsugn ich nicht, wegen ihrer buntsn Backs: ganz gswiB, wsnn die gsistlichen Herren in so buntsn BBcken gingen'wis die Soldatsn, das wire zum.Sterbsn. In ihren ersten Satz versucht Lisa, sich auf hfifliche Heise Liuffsrs Zudringlichkeit zu srwehren. Denn vergiBt sis jedoch ihr hfiflichss Bsnshnen, weil sis sich entrfistst, und gibt Liuffsr sinenfiKorb. Has dis Geistlichsn in ihren‘Augen anziahend srschsinen liflt ("allewsil so artig, so.menisrlich”), fehlt bei Liuffsr. .Absr trotzdsn bsvorzugt sis Soldatsn. 1n disssr.Aussage Lisss zsichnst sich sine Entscheidung ab, was auf Spannungsdranstisches hinwsist. Dies wird denn bskriftigt; nach- den Lise ihre Beds beandst hat, kfiBt sis dsr Lshrsr Liuffsr und sis 153 srwidert wie vorhsr: "O pfui, Herr, was nachsn Sis?" Jetzt erscheint Henzsslaus und sntsstzt sich fiber Liuffsrs Vsrtraulichkeitsn mit Lise. Liuffsr vsrtsidigt sich gegen dis Anschuldigungsn dss Schulnsistsrs nit dsr Erklirung: ”Ich will Lisen heirsten". ”Heiraten - ," snt- gsgnst Henzsslaus, "Ei ja doch - als ob sis mit einem Eunuch zufris- den?” Lise macht ihre letzte Entscheidung jetzt rfickgingig, indem sis antwartet: ”O ja, ich bin's herzlich wohl zufriedsn, Herr Schul- nsistsr“. 1hr EntschluB arfolgta, sobald sis dss Hort "heirsten“ hfirts. Auf sinnsl ist, wie dsr waiters Dialog zeigt, Lisa dis aus- bsutsnds Person gswordsn. Beids haben sozusagsn hier ihre Ballsn 'vsrtauscht", was aus Liuffsrs nichstar Aussage: “Ich Unglficklicher' hervorgeht. Hat Lisa erst var kurzsm Liuffsr rundwag abgelehnt, so erklirt sis jetzt in Ton dsr Erhsbung: Glauben Sis mir, lisber Herr Schulnsistsr, ich laB sinnsl nicht van ihm ab. Nshmen Sis mir das Leben; ich lasss nicht ab van ihm. Ich hab ihn gsrn und nein Hsrz sagt mir, daB ich misnnd auf dsr Halt so gsrn haben ksnn als ihn. Lise mg wahl naiv und in dsr Liebs nach unarfahren sein, sis wsiB absr trotz ihrer Jugsnd schon van den ngsnsitzen zwischsn Privile- giertsn und Nichtprivilagisrtsn in dsr Gsssllschaft, und daB sin Beuernnidchsn wie sis durch sins gfinstige Heirat gssellschaftlich avancisrsn kann, Disss Aussage dsr Lise wie such waiters wollen in Zuschauer Ver- frsmdung vsrursschsn. Henzsslaus srklirt den Bauernmidchen, daB sins me mit Liuffsr unvollzagsn bleiben m6, absr Lise sieht kein Hinder- nis darin. Zu dsr Bsnsrkung dss Henzsslaus, “Ha Eh ist, dssan auch Kinder sein”, sagt sis: 154 Main Herr Schulnsistsr, ich schwfir's Ihm, in.meinem Leben nficht ich keins Kinder haben. Ei ja doch, Kinder: Has Sis nicht meinen: Danit wir mir auch*wah1 graB gsdisnt, wenn ich nach Kinder dazu bekime. Main vatsr hat Entsn und Hfihnsr genug, dis ich alle Tags ffittsrn nub; wenn ich nach Kinder obenein ffittsrn nfiBts. Lisss Grfinds daffir, keins Kinder haben zu wollen, ansn sich auf bs- frendsnde Heise aberflichlich anhfiren. Dis Hauptsachs ist, daB sin jungss Midchen sinsr solchen Einsicht schon fihig ist. So ffihrt uns Lenz die Einrichtung dsr Halt var. Es nag sein, daB mancher Zuschauer sich dsr Msinung dsr klsinenldusbsutsrin anschlisflt: Es lahnt sich wirklich nicht, Kinder in sins solche Halt zu setzsn. Lenz liBt je- doch den SchluB dieser Handlung offsn: es ist nach zu keinsr Ehs gs- kanmen, Liuffsr’mnB erst die Einwilligung ihres Vatsrs einholen. Mach Crunbach macht sich die Dappelssele dsr Figuren such he Tanfall bemsrkbar: sis kfinnen in.'unverstsllt-nitfirlichsn Tanfall dss Alltsgs" und im.'unscht-gekfinstsltsn dsr Verbildung' 234 sprechsn. lm.Hafmeister finden sich varwisgsnd Beispiele ffir den lstzteren Tan- fall; dis Figuren sprechsn meist ihren gssellschaftlichan Stand ga- miB. Sollen dis Figuren in unverstsllt-natfirlichsn Tanfall sprechen, so verwende man, wie Crunbach srklirt, nicht dis Beds einer gelsgsnt- lichen gsistigsnlAnstrengung, sondern die dss Tagssbsginns, wenn Hast oder Unlust, Unausgeschlafsnssin oder sin unerquicklichsr Traum dis Figuren noch nicht dazu kanmen lisBsn, dis Masks derKanvention anzu- 1sgsn. Natfirlich wards such sine solche Sprache hohe und heilige Dings bsrfihren, absr im.Margsngrauen srstsrbe das Pathos fsstlichsr Gshabsnhsit. De schsins wohl manches als "Dichtung‘primir Minus": was nur die iuBersts Ehrlichksit dss Herzens dsuts. 235 Beispislhaft daffir sind das 'Stamneln', das 'hiufige vsrstunnenfi, die 'bstonta 155 Mchtsrnheit", dsr ”Fluch" und "das Trackane, Strumpfs, Sprfide'. 236 In Hofnsistsr sind sinigs Beispiele ffir diesen Tonmll enthal- ten. Am Anfang dss Dramas zsigsn Sprache und Vsrhaltensweisa dss Majors trotz aller parsfinlichsn Zfigs doch dis hsrkhlichsn Msrkmals seines Standss. 1n 17,5 wird dsr Major fibsrrascht. Er rsttst seine Tochter nit knappsr Nat aus dem Hasssr. Sis liegt jetzt ohnmichtig var ihm und er bengt un ihr Laban. ‘ Bier fallen die Schranken dsr gesellschaft- lichan Kanvsntian. Dar Major zeigt sich in all seiner Hidsrsprfich- lichkeit und auch Ehrlichksit als elendes, ingstlichss und unsicherss Gsschfipf: Vsrfluchtss Kind: habe ich dss an dir srzishsn mfisssn: (Kniet nieder bei ihr.) Gustsl! was fehlt dir? Bast Hasssr singsschluckt? Bist nach main Gustsl? - Gottloss Kanaills! Hittst du mir nur sin Hart vorhsr davan gesagt; ich hitte den Lausejungsn einen Adslbrisf gskauft, da hittst ihr kfinnsn zusamnsn krischen. - Gott behfit: so halft ihr doch; sis ist ja ohnmichtig. (Springt auf, ringt dis Binds; umhergshsnd.) Hsnn ich nur wfiBt, wa dsr malsdeits Chirurgus vu Dorf anzu- treffsn wire. - 1st sis noch nicht wash? Seine Beds sstzt mit einem Flush sin, auf den sin Sslbstvarwurf folgt (srksnnbsr durch dss Hort "dssenfl. Danach bringt sr seine lisbends vitsrliche Bssargnis zum Ausdruck, um anschliaBsnd wieder auf seine Tochter zu fluchsn (”Gottloss Kanaillez'). Seine schraffe Benerkung fiber den Adslsbrisf zeigt seine Antsilnahme und gleichzsitig ssinsn Krgsr. Sis offenbart nebenbsi dis ganze Vsrlagsnhsit und Kiuflich- keit dss Adele. Lenz hut in dieser Beds fast ohne Begisbsnsrkungen aus, da dis Sprache so start gsbirdsnhaft ist: “Dichtung primir Minus“. Aus den darauffolgendsn Harten geht hervor, daB dsr Ihjar jetzt seine Harte an den Geheimrat und den Grafen richtet. Dan Vatsr ist i-er nach bangs um dss Leben seiner Tochter. Dsswegsn schlieBt 156 er mit den bsschfinigendsn Ausdruck "nicht wsch' ststt van Tad zu sprechsn. Diese durch sins Kriss ausgslfisten Harte zsigsn uns die wahrs Natur dss hjors. Er ist nicht nehr die sslbstsichsrs Standsspersan, sandern nur sin slendss Hessn. Bsi dsr Fanilis Berg gelingt as Liuffsr in grobsn und ganzen den gswandtsn Hofnsistsr zu spielen. Seine wahrs Mstur, d.h. seine Schwiche und Unsichsrhsit, offenbart sich in seiner trackensn, nfich- ternsn Sprache in dsr isstratiansszsns (7,3). Crunbach schreibt, daB die Doppslseels dsr Figur aft in einen sinzigsn Satz zutagstrsts. 237 In der Anfangsszene dss Dramas zeigt Liuffsr seine wahrs Matur, als er sagt: “Der Karl hat etwas in seinem. Gssicht, dss mir unertriglich ist". finnittelbsr danach sieht nn ihn als verstslltsn Menschsn. Er “geht den Gshsinsn Bat und den hjor mit viel fraundlichsn ScharffiBsn varbei". Diese pravahstivs Gabirds 238 Bier wird sin weiterer Gssichts- Liuffsrs wurds bereits srfirtert. punkt dsr denanstrstivsn Gsstik srsichtlich. Die Gebirds ksnn den Umstindsn sntsprschend die wahrs adsr die falsche Mstur dss Menschsn snthfillsn. In der Fritz-Hebenhandlung werden meist keins kantrastisch angs- lsgtsn Figuren einander gegsnfibergestellt. Ihn denke an Gssprichs, an denen Fritz, Pitus, Ballwerk and such van Seiffenblase und dessen Hofnsistsr tsilnslnsn. Dar Grundkontrsst ncht sich also in Dialog nicht bsnerkbar. Er tritt absr anderssits in dsr Denonstration zu- tsgs, z.B. in stnsn, in denen Frau Blitzsr und Bshssr auftrstsn. Der Grundkontrast zsichnst sich trotzdsn in dieser Nebenhsndlung ab. (hns ihn giba es ksinen solchen Handlungsverlauf. Fritz srwsist Pitus 157 einen Freundschaftsdisnst, inden er fir ihn ins Gefingnis geht. Dazu wire as gar nicht gska-sn, wenn Frau Blitzsr Pitus nicht susgebeutst hitte. Hail Fritz aus Halls flishsn mflte, steckt er spiter genau so tisf in Schuldsn wis sein Freund. Beids hitten an Ends nicht nach Hausa gehsn kfinnsn, wenn Pitus dss 'Hunder' dss Latterisgswinns nicht zutsil gswordsn wire. Obwahl as also in allgeneinen zu keinsr Kanfrantstian zwischsn kantrastisch angelegten Figuren ka-t, zeigt sich dsnnoch in Dialog sin Merml dss epischen Dranss, ninlich dis Isolierung. In 11,7 sitzt Fritz in Schuldgefingnis. Bier gelingt es ihm nicht, van Seif- fenblase und dessen Hofnsistsr davan.zu fibarzsugsn, dab sein Freund und shsnligsr Schulkamersd Pitus sin gutsr Karl ist. Hihrend dsr Aussinandsrsetzung mcht sich van Seiffenblases stindische Einstsl- lung zu Pitus banarkbsr. Er irgsrt sich drfibsr, dsB Pitus die Adligen “sonst Baum fiber die Achsel" ansah, 'sber wenn ihr in Not seid, da sind die Adelichsn zu Kaventen gut genus“. Der bests Beweis daffir, daB diess Aussage unrahr ist, ist die Freundschsft zwischsn Fritz und Pitus. 1m weiteren vsrhilt es sich in sprachlicher Hinaicht mit dsr Fritz-Nabsnhandlung als sinndeutendsr Handlung andsrs als mit der Beispislhsndlung. Hie bereits in Kapitsl fiber dis Handlung ausgsffihrt wurds, offenbart sich dsr Grundkontrsst in dieser Nebsnhandlung. Gleichzsitig unterscheidet sich diess van dsr Beispislhsndlung da- durch, daB Fritz nicht in sich gsspsltsn, js vielmehr sin shrlicher und vernfinftiger Mensch ist. So wollen wir uns jetzt zunichst mit Fritz' Sprache befassen. Dis Sprache dss Junkers erfihrt nur insaweit sins 158 Individualisisrung, als er sich in seiner Sprache van den fibrigsn Figuren unterscheidet. Abgssehsn davm ist seine Sprache wenig indi- vidusll. Er spricht msist sins gahabsns Sprache, such wenn es sich um Alltiglichss handelt, d.h. so wie er als Figur keins Gsspsltenhsit zeigt, ist sein Sprachton sinhsitlich. Fm Sprachlichsn her wirkt er nehr wie sins Figur aus dsr Spannungsdranstik; wir lernen nicht so sehr Fritz als Individuum, sondern dessen Gssinnung ksnnen. Ein gutes Bsispisl ffir Fritz' Sprache bistst sins Passage aus 1V,6, in der er Pitus anrsdet: Hir sind in den Jahren: wir sind suf dsr See, dsr Hind treibt uns, absr dis Vsrnunft nuB i-sr an Steusrrudsr bleiben, sonst jagsn wir auf die srste bests Klipps und schsitsrn.... wenn man gegen sin Bsrz, das sich nicht vertsidigsn will nach vsrtsidigsn kann, alle mfiglichs httsrisn spislsn lint, um es - was soll ich sagsn? zu zsrstfirsn, sinzuischsrn, das ist unrscht, Bruder Pitus, das ist unrscht.... Ein Mann, dsr gegen sin Frausnzi-Ier as so weit treibt, als sr nur i-sr kann, ist snt- wsdsr sin Tsskssssl adsr sin Bfisswicht: sin Tsakessel, wenn er sich selbst nicht beherrschen kann, dis flirfurcht, dis sr dsr Unschuld und Tugsnd schuldig ist, aus den Augsn zu sstzsn: oder sin Bfisswicht, wenn er sich selbst nicht beherrschen will und wie dsr Tsufsl in Parsdisse sein sinzig Glfick dsrin sstzt, sin Hsib ins Vsrdsrben zu stfirzsn. Seine Bede ist wahlgesstzt, seine rsich gegliedsrtsn Sitze bruchlas und nicht fragmentarisch. Der Satzzusa-anhang ist klar und fiber- sichtlich. Er vsrwendst Ssntenzen. Darin kann man sine Ihnlichksit nit ssinsn Vatsr sehen. Absr gerade wo dsr Geheimrat santsnzenhaft spricht, zeigt er seine Gsspsltenhsit, was bei Fritz nicht dsr Fall ist. Eine waiters Sentsnz findet sich in dieser Szene: "Schimpfliche Bandlungsn vsrdisnen Schimpf". Auch spricht Fritz in IV,6 antithe- tisch: 'Ein Bdahsn, dss alles van der Natur snpfing, vm Glfick nichts”. Dieser Zug insbesandsrs, absr such die Hahlgssstzthsit seiner Beds und die Vsrnunft, dis daraus spricht, srinnsrt sprachlich 159 eher an die Lsssingsche Dramatik. 7isls Figuren in der Fritz-Nebsnhsndlung sind nicht wirklich aus- gslsuchtst, was sich such in dsr Sprache zeigt. Dsnnoch wirkt dis Sprache nicht typsnhaft. 1n dsr einzigss Szene, in dsr sis auftritt (11,3), wird Frau Blitzsr als grabs, Kraftausdrficke spsienda Frau dss Valkss darge- stsllt. Spitsr gibt sis sich durch ihren gsindsrten, rfihrsndan Tan als besorgtsr Muttsrtyp zu srksnnsn. Dieser Tan befrsndst, denn gleich darauf arfihrt dsr Zuschauer, daB Frau Blitzsr Pitus ffir sein teurss Geld Ersatzkaffss servisrt. 7an Seiffenblasses gsschraubtsr Brisfstil in 7,6 konstrastisrt deutlich mit ssinsn sanstigsn Sprachhabitus. Bsi ssinsn Hofnsistsr tritt dss pidagagische Hessn in den Vardergrund. Er vsrwendst gsrn Sinnsprfichs und schflckt sis aus mit Beispielsn aus dsr Antiks oder den Altsn Testament (11,7, 111,3). Frsilich schlaicht sich in seine Dsrbistungan gslsgsntlich sine logischs Inkansequsnz. 1n 11,7 gibt sr sinleitsnd einen tiefsinnigen 7srnunftsstz van sich ("lhn m6 erst sins Hails unter den Menschsn gelebt haben um Charaktere bsurtsilen zu kfinnsn"), um sich sadann dsspsktisrlich fiber Pitus zu iuBsrn. Nur beginnt er dies nit den Hortsn: 'Dsr Herr Pitus, oder wie er da hsiBt ... ". 1m Hidsrspruch zu seinem Apriari kennt er Pitus also gar nicht. Dis Sprache dsr wichtigsrsn Figur Behsar weist individuslls Zfigs euf. Sis ist mit ostprsuBischsn 7srklsinsrungsformen durchsetzt ("Ja und 1hr Lsutankanzertchen dazu, Herr van Bergchen ... suf 1hrem Zi-srchsn'). Ein zwsiterss Msrkmsl ist seine schwatzhafts Bsdsslig- keit. Hisrzu benarkt Titel in ihrer sufschluflreichsn Ontsrsuchung: 160 Er liebs as, Geschichtsn zu srzihlen und finds i-ar einen Zusa-sn- hang, um van einer suf dis andere zu ka-en. Seine Kanvsrsstian' schwells er auf mit Hendungsn, die ahne Sinngehslt Gestus dsr Bede- frsudigkeit ssisn: Ian sa : dis Tfirken sind fiber die Danau gegsngsn und haben dis Busssn rav zurfickgspeitscht, bis - Hie hsiBt nun doch dsr Ort? Bis Otschakaf, laub ich: was wsiflm fig,wannBehaarunsr sngewWwasnsinsnSs Seine Bedswsndungan ssisn wie abgsgriffsne Dflnzsn, an spfirs den hiufigsn Gebrauch. 239 Der Tan van Behaars Sprache ist zwar sinheitlich. Er denan- strisrt jedoch in 7,2 seine feigs, untszwfirfigs Mstur. Bier bsruft er sich auf seine sigsns Standssidsologie ('Ein lhsikus m3 keins Courage haben“) und vsrsstzt den unbswaffneten Pitus einen StaB. Pitus ist in Grunds nach sin unrsifsr jungsr Mann. Des zeigt sich in der Stun-und-Drang-Sprache, daran er sich var allen in 11,3 and 7,6 bedisnt, und in ssinsn vielen entsprschsnden Gsbirdan. In 11,3 z.B. pocht und stamft er mit den M, wirft sich auf einen Stuhl und wirft den schlschten Gsrstankaffes durch dss Fenstsr hinaus. Be- sonders stark warden Stun-und-Drsng—Ausdrficks van i!- in Frau Blit- zers ngsnwart vsrwendst, nicht zuletzt, um ssinsn Freund Fritz danit zu impanisrsn. Hird dis Legs srnst, wie in dsr Gefingnisszene (11,7), so spricht er in allgeneinan gedimpftsr. Dennoch vsrrit sich such hier durch Sprache und Gabirde seine Unsusgsglichsnhsit. Er will Sslbstmord ba- gehsn, 'rsuft sich dss Bear mit beiden Hindsn und stanpft mit den FfiBsn' und ruft sus: '0 Schickssl! Schicksal! Schicksalz' Ein ihnlichsr Ausruf dss Pitus findet sich in 7,8: 'Gott: Schicksal! 161 Schicksal!“ Bier besteht absr sin fraudigsr AnlsB dazu, er hat gerade Geld in dsr Lotteris gewannen. Der Lotteriegswinn and dis Aussfihnung in den letzten beiden stnsn in Drans sollen, wie bereits erfirtsrt wurds, 24° dissanant wirksn: nur sin Hundsr vemg den Grundkontrsst aufzuhsbsn. Aus einen anderen Grund vsrwendst Lenz diess leitmoti- vische Sprachgests dss Pitus an beiden Stallen: Statt den ursich- 1ichsn Zusa-enhmg zwischsn den herrschenden Zustinden in der Gsssll- schaft und seiner eigenen Lage zu sehen, schreibt Pitus alle folgsn- schwsrsn Ereignisss den Schicksal zu. An Pitus sind viele Anzsichsn dsr Gsspsltenhsit srksnnbsr. Er liBt sich zun einen van seiner Hirtin susbsutsn. Zum anderen bringt sr durch die susbsutsrischs Ssits seiner Natur Jungfsr Behaar in fiblsn Buf und schligt ihren 7atsr. Das alles kann man absr such auf sein unrsifss Hessn zurfickffihren. Es wire nach viel schli-er um ihn be- stsllt, wenn er nicht den treusn Freund Fritz hitte. Mit Fritz in seiner Balls als Freund erschlieBt sich hier sin weiteres Thane hinsichtlich dsr Sprache in epischen Drama. Hie schon ausgsffihrt wurds, But as in Dialog in dsr epischen Drantik zu keinen Entscheidungen. In der Fritz-Msbsnhandlnng warden jedoch Ent- scheidungen getraffsn, d.h. Fritz srzwingt sis. In der langsn, oben angsffihrten Beds in 17,6 spricht Fritz mit Pitus. Hagen dss 7orfalls nit Jungfsr Behaar will er Pitus zu dsr Einsicht bringsn, daB er sich indern m3. 0nd or warnt ihn: “Nis- mir's nicht fibsl, wir kfinnen so nicht guts Freunde sues-en bleiben”. Disses Gssprich wird sbgsbrochsn, weil Behaar erscheint. Pitus rsgt sich fiber dis Klagsn dss Lsutenlehrers suf und gibt itu sins (hrfeige. De Pitus Behaar nicht fiffsntlich Abbitts lsistsn will, wie es Fritz 162 van it. fordert, zwingt ihn Fritz, sich mit il- zu dusllieren nit dsr Bansrkung: 'Ja, ich will dich zwingsn, kein Schurks zu sein“. In 7,2 findet dss Duell ststt. Bsnsrkenswart ist hier die Tstssche, daB Fritz, nschdsn Behaar sich so feige sufgeffihrt hat, diesen wie einen Gleichgsstellten behandelt: "Sis sind js such Student. Ka-sn Sic ... '. AbschlisBend soll such bsnsrkt werden, dab dss Insinander van Bsupt- und Nsbsnhandlung, d.h. dis Anandnnng dsr Szensn in Dran darauf angslegt ist, 7srfrsndung hervorzurufen. Durch dss scheinbar bunts Durcheinander wird zum Ausdruck gebracht , daa alles van dsr Grundstruktur dss Kantrastss geprigt ist. 6. KAPITEL SCHLUB Der Kfinstler vsrwendst den epischen Grundtypus dss Dramas, ”um dss Abstrakte einer Grundwahrhait neu be-grsifbar zu nachsn”, erklirt Crunbach. Fremd ssi dsr Struktur dss kontrsstisrendsn Dramas jede Einseitigksit, die vorgsfaBte Meinung einer Idsologis. Eine wahrs und nicht vorgstiuschts Haltung nfisss such den Gegenpol in voller Hirksamksit belasssn. Denn 'Episches, d.h. kontrastierendes Drama begreift Msnschssin als den swigsn Prosz dsr Suchs nach dsmlver- schwundanen Urbild'. Bedlichss Forschsn allein gelange zwischsn Ver- suchen und 7erwsrfsn zun Bfichstsn, zur Ahnung dss g5ttlich.Absolu- 241 ten. Es gibt keins ergreifendsre Stelle in Hofnsistsr, an dsr die van Lenz gssshsne Grundwahrhait dss Msnschssins ausgesprochen wird als in der SchluBszsne dsr Liuffsr-Handlung. Bier srlebsn wir such keins Schwichung des Gegenpols; Liuffsr ist alles andere als sin Mensch, dsr klein beigibt. Er wird dsr 7srffihrung van Lisss un- schuldigsm Herzen beschuldigt. In seiner Erwiderung (”Ich bekenne mich schuldig") spricht er sein Beksnntnis aus, daB er nicht umhin kann, als Mensch zu ffihlsn, denn er ffigt die folgsnden Harte hinzu: Absr kann man so vielen Reizungsn widerstshen? Hsnn man mir dies Herz aus dem Leibe risss und mich Glied vor Glied ver- stfimmelte und ich behielt' nur sine Adar van Blut nach fibrig, so wfirds diess vsrriterische Ader doch ffir Lisen schlagsn. Seine Beds fth dss van Lenz smpfundens Dilemma der condition humaine 163 164 zussusn: Der Mensch - such fiber dss Gesellschsftliche hinweg: - neigt dazu, bis in sein tiefstes Hesen hinein Ausbsutsr zu sein, und doch vsrrit gleichzsitig seine Tendenz zum Ausbeuterischen (“diess verritsrische Adar”) seine Baruflung, Mensch zu sein. Den Zuschauer mfigen diess Harts eines Ksstrsten nicht behsgsn. Er ist absr aufge- fardsrt, ihren Sinn zu erkennsn, ihnen zumindest einen Sinn zu vsr- 1eihsn, da Lenz sis Liuffsr in den Mund lsgt. Has dsr Ksstrat Liuffsr susdrfickt, bezeichnet Berrlichkeit und Elend dss unzerstfirbsren nsnschlichsn Hessns und enthilt den Hunsah nach den 'Drbild', d.h. nach den Menschsn, bsvar er zum Ausbsutsr gawanden war. Die Lfisung disses Problems ist den Zuschauer aufgetrsgen. SchlieBlich offenbart sich in dsr Tstsache, dsB Der Badnsistsr snhand einer Methods untersucht wurde, dis erst a die Mitts dss Branzigstsn Jahrhunderts entwickelt wurds, dab Lenzens Dran sin var- bildlichss Stfick epischen Theaters darstellt. DaB Der Bahaistsr sich so leicht in dss Phlnuen epischsr Dramatik sinardnen libt, zeugt such van Lenzens groBartigem Kfimsn als Drantiker. WOW WNW 1 Jakob M. B. Lenz, fibersstzt v. C. v. Gfitschaw (Leipzig: Schulzs, 1909), S. 153. 2 s.a.O., s. 153-154. s.a.O., 8. 154. s.a.O., 8. 155. s.a.O. s.a. O. , S. 194. QOM‘N s.a.O., s. 213; siehs such 5. 195. 3 Lenz als Dranstiker, at”. mm 1912 (Leipzig: Bans Sachs- v.rhg, 9 a e 9 DisMativienindenDrananvanJ M ' Lenz: EinBeitrs zur Ps 00 s nzsns, ‘ss. .r‘c. :' . : . "is 'Hgsrs .s “07' OD : 9 a ‘ e 10 s.a.O. 1-1 Paul Feahter, Geschichte der deutschen Literstur (Gfiterslah: C. Bertelsmann, 1957), S. 144. 12 Jakob Michael Reinhold Lenz, ms. und Sahriften, am. Britta Titel u. Hell-:t Haug (swam 11, 9-104. In Zukunft zitisrt als Lenz, Titsl-Baug-Ausgsbs einschlieBlich Band- und Ssitsnzahl. 13 Die Struktur dss $ischen Theaters: “gags dsr Kon- trasts, Sc enre e er unsfiwsig, uns 83 mamas, 1960). 14 Crunbach, s. 9. 15 s.a.O., S. 216. 1° s.a.O., 8. 9. 165 166 1" Crunbach, s. 11. 18 s.a.O. 19 Dar Begriff Wargang", den Crunbach vsrwendst, eta-t van Babert Petsch, Hesen and Farm dss Drans: Agendas Drantggs (Balls: MW 20 Bossnaw, S. 209. 21 s.a.O. 22 Fa_z%g_sschiahte dsr dsutschsn Dichthg, 2. Aufl. (Hamburg: Hoffmann u. amps, : : . 23 s.a.O., s. 664. 24 OJ. )1. n. Lenz: Der Hafneister', in Des dsutsche Lust iel, Brag. Bans Steffen (Gfittingen: Has—shack u. $335!, 1568), E, 50. 25 Lenz, Titel-Bsug-Ausgsbe, I, ass. 26 Crunbach, siehs s. 224-225. 27 “Lenz - Klinger - Hagner: Studien fiber dis rationalistischsn Elements in Dsnken und Dichten dss Sturnes und Dranges', Dias. Frsie Uni. Berlin 1955, siehs S. 46-47. 28 Brecht's Tradition (Baltimore: Johns Hopkins Press, 1967), S. 34. 29 Crunbach, s. 219. 3° s.a.O. 31 s.a.O. 32 Goethss Herke, Brag. Erich Trans, 3. Aufl. (Hamburg: Christian Wagner Verfig, 1959), II, 258. 33 no;- Sturm and 13%” fibersstzt v. Dieter Zeitz u. Kurt H370? (Stutt 3 r, 9 so no 34 Crunbach, s. 224. 35 s.a.O. 3" s.a.O., s. 930. 3‘7 s.a.O., s. 229. 3° Genton, s. 75. 167 39 Genton, Ann. 209 suf s. 202. ‘0 ‘...0., S. 98. 41 Crunbach, s. 232-233. 42 “mm 5' u"m’W’ m“ 0. than, vollstindige krit. Ausg. : finer, 1959), s. 152 (38. Stick). 43 Johann Gottfried Herder, Hsrke, Brag. n. Lsnbsl, m, 76.34., 3. Tail, 2. Abt. (Stuttgart: Union IR. 7sr1agsgesell., a. J.) s. 250. ‘4 Gsschichtsdsr dsutschsn Pastik, 11', 3%13 d. dt. Philal., Bd. 13/11 (firm: War as War, 1956), . . 45 Lenz, Titsl-Baug-Ausgabs, 1, ' 359. 46 s.a.O., S. 381. ‘7 s.a.O., s. 350. 48 s.a.O., s. 351. 49 Crunbach, s. 233. 5° s.a.O., S. 235. 51 s.a.O. 52 s.a.O. 53 Lenz, Tital-Baug-Ausgabs, 1, 345. 5‘ Crunbach, s. 235. 55 s.a.O., s. 236. s.a.O. 5" s.a.O., s. 237. 58 s.a. O. 59 s.a.Ou 60 ‘e‘e Os 9 s s “1 s.a.O., s. 240. s 82 ‘0‘. 0. ’ g 239. 168 63 Crunbach, s. 239. 6‘ s.a. O. 65 Briefe van und an J M Lenz, Brag. Karl Freya u. Holfgsng Stammlsr W919), 1, 57. Brief, 9. 115. 35 Crunbach, s. 239. 3'7 s.a.O., s. 240. 68 s.a.O.,- “ s.a.O. 7° s.a.O., S. 209. .3 s.a. O. R} ‘e‘e 0e 9 se 2me 33 s.a.O., S. 332. 74 Aus seiner unvsrfiffsntl. Hsrhnalyss zum Hofnsistsr in Sturm und , hrsg. v. Kallektiv ffir Litarsturgsschichts unter Leitung v. s Gysi, 3. Aufl. (Berlin: 7E7 701k u. Hisssn, 1964), S. 179. 75 Crunbach, s. 332. '76 s.a.O., s. 249. 7" s.a.O., s. 333. 78 s.a.O., S. 250. 79 s.a.O., 5. 333. 8° s.a.O. 81 s.a.O. 82 s.a.O., 5. 58. s.a.O., s.‘ 332-333. 8‘ s.a.O. 35 s.a.O., s. 333. 36 Melsnahalie in der Drantik des Sturm und (Stuttgart: Metzlsr, , . . 97 s.a. O. 169 33 Crunbach, s. 127. 89 s.a.O., S. 257. s.a.O. 91 s.a.O. 92 s.a.O. . 257-258. aeaeoe 9 258. 94 a'ea’s 0e 9 95 s.a.O., 259. 96 3.... 0e 9 97 258. (003.010!!!) s.a.O., . 259. 98 s.a. O. 99 s.a.O. 10° s.a.O. 101 s.a.O. 102 s.a.O., s. 260. 103 Lenz, Tital-Baug-Ausgsbe, 1, 345. 1"“ Gsschichts und Pastik der dsutschsn gage-531. (Gfittingsn: 7andenhasc u. , s . . 105 Crunbach, s. 21. 1°“ s.a.O., s. 290. 107 Petsch, sieht s. 133. 108 Holfgang Kayser, Das rachliahs Kunstwerk, 1o. Aufl. (Bern u. nachsn: Francke, 136;), 5. 198. 109 Sparrdruck stamt van 7srfssser dieser Arbsit. 11° Crunbach, s. 95. 1.11 s.a.O., S. 281. 112 s.a. O. 113 s.a. O. 170 114 Spalter, s. 20. 115 s.a.O., S. 9. 119 Crubsch, s. 292. 1'17 s.a.O. 118 s.a.O., s. 292-293. 119 9.9.0.. S. 98. 12° s.a.O., s. 174. 121 9.9.0.. 8. 71. 1'22 s.a. 0.: siehs such 5. 317-318. 123 s.a.O., s. 292. 124 s.a.O. 125 9.9.0.. 5. 91. 1'26 Lenz, Titel-Baug-Ausgabe, I, 419. In asinan Ana fibers Theater, 1, 359, srklirt sr: 'Hir dssen ... den 0 ages at Wm unsers 7stsr1andss zu Bats ziehen, dsr nach hsut zu Tags Valksgssclnaak bleibt und bleiben wird“. 12" Crunbach, s. 292. 128 s.a.O., s. 291-292. 129 Spalter, s. 9. 13° Guthke, s. 91. 131 Des Prablen dss bei Jacob Michael Reinhold Lenz, Dies. Zfiri . 1'32 s.a. O. 133 Die Einheitlichksit dss drantischen Prablsns bei Jacob Michael lemma), 134 coo-boob, s. 292. 135 s.a.O., s. 330-331. 133 s.a.O., s. 292. 137 s.a.O., S. 219. 171 133 Crunbach, s. 219. 139 s.a.O., S. 221. 14° Lenz, Titel-Haug-Ausgabe, 1, Ann. suf s. 995 zu s. 379. In ssinsn Anne fibers Theater, s.a.O., S. 333 spricht Lenz sich so aus: r s .. . dis erste Sprasss auf dsr Leiter dsr freihandeln- den sslbststindigen Geschfipfa, und da wir sine Halt his da um une sehen, die dsr Beweis eines unsndlich freihandelnden Hessns ist, so ist dsr erste Trisb, den wir in unserer Sesle ffihlen, die Bagierds 's ihm nachzutun". Leidar ist es nicht srsichtlich, wen Lenz unter 'wir' verstsht; gsnaint sein kfinntsn dis Freunds dsr Dichtkunst und/ader dsr Kfinstler oder dsr Mensch schlechthin. 141 s.a.O., s. 379-379. 1'42 s.a.O., S. 572 (fiber dis Mstur unsers Geistss"). 1‘3 s.a.O., s. 379. 1“ s.a.O., S. 696. 145 s.a.O., s. 509. 143 Die Einbeziehnng religifiser Aspekte in dss literarische und such theoretischs Schaffen bsgsgnst nicht nur bei Lenz, sondern such bei Klingsr und Hsgner. In ihrer Dissertation fiber dis drei Dichter schreibt Elisabeth Genton suf S. 8: “Dis jungsn Dichter tsilsn nicht dis religiansfeindlichsn Tendsnzsn dsr Aufklirung. Ihrs Grundhsltung ist pististisch beeinfluBt, und sis versuchen, dsr Beligian einen neuen Inhalt zu geben. Dis Originalitit dsr Stfirner und Dringer besteht in einer 7srsinigung dsr sozial-palitischen mit der rsligifisen Kritik". Elisabeth Genton nabnt den Laser: 'Sis [dis Stfirmsr und Dringsfl selbst sehen nis sins Schrierigksit, sine Dissonanz in dieser 7srbindung, und so wurden ihnen dis beiden Standpunkte zu einen sinzigsn. In dieser 7srsinigung liegt die Hurzal aller Schwiarig- keitsn, die sich einer Intarpretstim und den 7srstindnis ihrer Geistsshaltung sntgegenstsllsn". 14" Crunbach, s. 292. 148 s.a.O., s. 294. 149 s.a.O., S. 266. 15° s.a.O., s. 29. 151 s.a.O., s. 270. 152 Lenz, . Titel-Bsug-Ausgsbe, I, 351. 153 s.a.O., s. 391. 155 157 159 160 161 162 163 164 165 166 167 166 169 176 177 178 179 172 Crunbach, S. 334. s.a.O., S. 288. s.a.O., S. 213. s.a.O., S. 270. s.a.O. s.a.O., S. 272. 9.9.0.. 8. 333. s.a.O. s.a.O., S. 270. Gentan, S. 100. s.a.O. Crunbach, S. 221. s.a.O., S. 29. s.a.O. Siehs oben, S. 79. Siehe oben, 5. 44-45. Crunbach, S. 270. ‘e‘e 0e 9 se 2‘I’Ie Crunbach, S. 271. 9.9.0.. 8. 334. s.a.O., S. 35. s.a.O., S. 271. s.a.O. s.a.O. ‘.‘. 0., s. 272. 180 181 183 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 2% 209 173 Crunbach, S. 272. s.a.O. s.a.O. s.a.O. s.a.O. s.a.O. s.a.O. s.a.O., S. 276. Titel, S. 125. s.a.O., S. 108. s.a.O., S. 189. s.a.O. Crunbach, S. 335. s.a.O., S. 334-335. s.a.O., S. 73. s.a.O., S. 20. 9.9.0.. S. 286. s.a.O. s.a.O., S. 285-286. s.a.O., s. 105-109. s.a.O., S. 291. s.a.O. s.a.O., S. 285. s.a.O. s.a.O. s.a.O. s.a. 0. 207 209 209 210 211 212 213 214 215 219 217 219 219 220 221 222 223 224 225 229 227 ‘ 229 229 230 231 232 233 174 Crunbach, S. 337. s.a.O., S. 334-335. s.a.O., S. 280. Sishe oben, S. 8. Crunbach, S. 335. s.a.O. s.a.O. s.a.O. s.a.O. s.a.O., S. 287. s.a.O., S. 280. s.a.O. Titel, S. 125. Crunbach, S. 338. Titel, S. 125. Crunbach, S. 286. 9.9.0.. S. 834. Lenz, Titel-Baug-Ausgabe, 1, 351. s.a.O., S. 341. Mattenklatt, S. 144. s.a.O., S. 145. 9.9.0.. S. 148. Titel, S. 199. s.a.O., S. 199-200. s.a.O., S. 209. Mattsnklatt, S. 148. Crunbach, S. 281. 234 235 236 237 238 239 240 241 175 Crunbach, S. 279. s.a.O. s.a.O., S. 279-280. s.a.O., S. 279. Sisha oben, S. 110. Titel, S. 197. Sisha oben, 8. 79-81. Crunbach, S. 338. LITERATURVERZEICHNIS LITERATURVERZEICHNIS Prinirliteratur Briefs van und an J. M. B. Lenz. Brag. Karl Freya u. Holfgang Stanm- Ier. 2. Bds. Leipzig::tht Halff 7sr1ag, 1918. Lenz, Jakob Michael Bsinhold. Hsrks und Schriftsn. Brag. Britta Titel u. lelnut Baug. 2 Es. Stuttgart: Goverts, 1967. Sskundirliteratur Bficknann, Paul. F sschichts dsr dsutschsn Dich . 2. Aufl., Bd. 2 nach nIcE; srscfi. Hamburg: B nann u. amps, 1965. Burger, Heinz Otto. "J. M. B. Lenz: Dar Hofnsistsr", in Des dsutscha Lust isl. Brag. Bans Steffen, 2. Tan nae-:5 acht srsch. mafia: 7sndenhosck u. Buprscht, 1999. Crunbach, Franz Hubert. 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